Kultursommer Semmering- Joseph Lorenz liest: J. Roth, Radetzkymarsch. Klavier: Simeon Goshev

„Die Trottas waren ein junges Geschlcecht..“ So beginnt Joseph Lorenz die Lesung. Schnell ändern sich Stimme, Klima und Gestik, denn, wie es eben nur Joseph Lorenz kann, zieht er das Publikum mitten ins Geschehen hinein. Die nüchterne Schilderung der Schlacht von Solferino, in der der Soldat Joseph Trotta dem Kaiser das Leben rettete, wird zum spannenden Geschehen – „während der Kaiser sich erhob, sank der Leutnant nieder.“ wir – das Publikum – sehen auf die Hand Lorenz‘, die sich senkt und hebt – er ist Kaiser, er ist Trotta. Von da an hießen die Trottas „von Sipolje“.

In der Folge fokusiert sich Joseph Lorenz auf die Beziehung zwischen dem Vater, Franz Freiherr von Trotta und Sipolje, und seinem Sohn Carl Joseph Trotta. Wir sitzen in der Stube, die Fliegen summen, Sommer ist.. aber noch nicht für den Sohn, der sich erst der strengen Prüfung des Vaters unterziehen muss. Der Vater – ein erzstocksteifer Beamter? – Nein, so ein Bild wäre viel zu simpel – für Roth und erst recht für Lorenz! Deshalb zieht er die feinen, subcutanen Linien des Mannes nach, die ihn als scheuen, liebevollen Vater und als scheuen, aber respektvollen Herren des alten Dieners Jacques zeichnen. Zu den intimsten und berührendsten Szenen gehört die Sterbestunde des Dieners – wir sitzen mit am Bett, spüren die Hand des Bezirkshauptmannes vorsichtig auf der Hand des Dieners liegen. Die Hand – sie sagt alles über den Vater aus. Wenn er sie zum Abschied zaghaft zum Gruß hebt, aber erst dann, als der Zug schon abfährt, der Zug, der den Sohn in die Garnison an der Ostgrenze der Monarchie bringt. Dort wird er ihn besuchen, wird erahnen mehr als erleben, dass die Monarchie, seine Welt untergehen wird. Er wird müde und fassungslos vom Tod seines Sohnes hören. Alt ist er geworden, erschreckend alt. Auch das kann Lorenz – aus dem im festen Beamtensystem sicher gestützten Bezirkshauptmann und Vater wird ein Mensch, der den Boden unter sich einstürzen fühlt. Und er weiß: Der Kaiser liegt im Sterben. Und beim Klang der Totenglocken stirbt auch er.

Lorenz hat uns in die Welt der Trottas geführt, die Monarchie im Klang seiner Stimme hören lassen, ihren Untergang und Totengesang erleben lassen. Das war keine „Lesung“, wie man sie vielerortens hören kann – gut heruntergelesen und dem Text die Seele ausgeblasen. Sondern das war das Leben und Sterben eines Mannes, der in und für die Monarchie, für einen Staat lebte, an den er geglaubt hat. Das war Schau-Spiel, Lebens-Spiel!

Simeon Goshev, ein junger bulgarischer Pianist, spielte dazwischen passende Musik von Schumann, Liszt, Janacek und Schostakowitsch. Toll, aber ehrlich – Lorenz allein mit Joseph Roth und Trotta hätte vollauf genügt.

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