Wiener Konzerthaus: Mahler Academy Orchestra, Dirigent: Philipp von Steinaecker. 1. Konzert aus dem Zyklus Originalklang

Sergej Rachmaninoff, Konzert für Klavier und Orchester Nr.3 d-moll op.30 (1909). Klavier: Leif Ove Andsnes

Was für ein grandioser, fulminanter Saisonauftakt!! Mit Leif Ove Andsnes war ein Pianist von höchstem Rang an den Tasten , feinfühlig unterstützt von Philipp Steinaecker, der das Orchester ausgewogen in Klang und Volumen zum KLavierpart dirigierte.

Dieses berühmte Klavierkonzert, das vom Pianisten höchste Konzentration und Einsatz abverlangt, wurde 1910 von Rachmaninoff persönlich am Klavier mit dem New York Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Gustav Mahler aufgeführt. Im gestrigen Konzert spielte Leif Ove Andsnes auf einem Steinway-Konzertflügel, auf dem Sergej Rachmaninoff gespielt haben könnte. Aufgrund der Nummer K96 ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, wenn es auch nicht hundertprozentig bewiesen werden kann. Es brauchte nicht unbedingt dieses Wissen, um die Bewunderung für Leif Ove Andsnes noch zu erhöhen. Wahrscheinlich wäre Rachmaninoff von der Interpretatation Andsnes‘ genauso begeistert gewesen wie das Publikum. Sein Anschlag ist weich, seine Hände fliegen über die Tasten. Die leisen Töne „singen“, wie es Rachmaninoff forderte (Zitat Programmheft, S9)

Das 3. Klavierkonzert beginnt mit dem „gesungenen Thema“, wie Rachmaninoff es wollte, perlend, tänzerisch gespielt von Andsnes. Das Orchester brauste langsam auf und stellte intensive Spannungen her. Virtuose Kadenzen wechselten mit Sehnsuchtsmelodien, das Klavier verlor nie die Führung. Die Soli gerieten prächtig, nie plärrend. „In die Tasten hauen“, wie es immer wieder auch von namhaften Pianisten zu hören ist, gab es nicht. Im „Intermezzo“ übernahm das Klavier die von Streichern und Oboen vorgegebenen Themen. Dabei verzauberte Steinaecker das Orchester und Klavier zu Traumsequenzen, bis das Klavier dann heftig das Finale ankündigte und zum dritten Satz überleitete. Was Klavier und Orchester musikalisch da aufbereiteten, war ein dicht ineinander verwobener Strauß an Themen. Ein Trommelwirbel kündete den Höhepunkt an und riß das Publikum in einen Strudel von musikalischen Explosionen. Danach ließ der Dirigent Publikum und Musikern eine Atem-und Einwirkungspause, um zum fulminanten Schluss überzuleiten.

Begeisterung beim Publikum, Bravorufe für den Pianisten, den Dirigenten und das Orchester. Leiv Ove Andsnes bedankte sich für den tosenden Beifall mit einer Zugabe: Sergej Rachmaninoff Etude C-Dur op33/2

Gustav Mahler, Symphonie Nr.5 (1901-1903)

Philipp von Steinaecker beschäftigt sich schon lange mit der historischen Aufführungspraxis aus der Zeit Gustav Mahlers, den Spieltechniken des Fin de Siècle und den dazugehörigen Originalinstrumenten . Er ist überzeugt, dass unsere Zeit gar nicht mehr weiß, wie etwa die 5. Symphonie mit den damals verwendeten Instrumenten geklungen haben mag. Geschmack, Moden und Bearbeitungen haben das Original zugedeckt. An diesem Abend spielten die Musiker auf alten Instrumenten aus der Zeit Mahlers, die Steinaecker mit Hilfe von Experten gefunden hat und sorgfältig restaurieren ließ.

Ein Titan kämpft um seine Sicht auf die Welt, um sein Verhältnis von Musik und Welt. Gustav Mahler wird zum selbstbewussten Neuerer in der Musikwelt, „einer Musik, die ohne äußeren Anlass entsteht…niemand soll fragen warum!“ So Gustav Mahler über seine 5. Symphonie (zitiert nach Programmheft S13)

Das bekannte Trompetensolo verkündete den Beginn des 1. Satzes. Drückend und schwer schleppte sich der Marsch in b-moll voran, bald jedoch abgelöst von ruhig dahingleitenden Tönen der Oboe. Höhepunkt der „nihilistischen Musik“ (Furtwängler über diesen 2. Satz, zitiert aus Programmheft S14) ist der 2. Satz. Steinaecker schenkte sich und dem Orchester nichts, stieg voll in den Wahnsinn ein, der diesen Teil der Symphonie durchdringt. Das Scherzo -prominent eingeleitet durch das Hornsolo (Jonas Rudner) – steigert die Anforderungen an Dirigent und Musiker noch einmal. Virtuos führte Steinaecker das Orchester durch diesen anspruchsvollen und komplizierten Satz. „Das Pubikum -o Himmel – was soll es zu diesem Chaos, das ewig aufs Neue eine Welt gebärt, die im nächsten Moment wieder zu Grunde geht…für ein Gesicht machen?“ (Zitat Programmheft, S16) So Mahler in ironischer Verzweiflung über diesen „gemischten Satz“. Wie auch immer – das Publikum war gebannt. Danach die sanfte Beruhigung im Adagietto, mit dem Gustav Mahler Alma seinen musikalischen Heiratsantrag machte. Da konnte er nur mit Schönheit verführen – was auch an diesem Abend voll gelang. Das Publikum durfte im Wohlklang baden, sich im Dialog zwischen Harfe, Bratschen und Geigen wiegen. Denn im 5. Satz wird dem Orchester, Dirigenten und Publikum nichts geschenkt. Voller Klang, volles Pathos – alles ohne Schonung.

Zur Gretchenfrage, wie und ob man den „neuen“ Klang, den die alten Instrumente erzeugten, hörte?! Nun – darauf wird ein Musikkenner vielleicht eine kompetente, klare Antwort geben können. Hier sei nur ein laienhafter Vergleich angestellt: Es war vielleicht so, wie bei einer Weinverkostung. Dem einen schmeckt der unbearbeitete „Naturwein“, spritzig, leicht, ohne aufgesetztes Bouquet, der andere hats gern voluminöser à la Barique.

Das Publikum jedenfall war begeistert, belohnte das Orchester und vor allem den Dirigenten mit langem, sehr langem Beifall. Der – schier aufgelöst und schweißgebadet, hatte er doch wirklich alles gegeben – bedankte sich glücklich und erleichtert.

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