Tschaikowski, Jolanthe und der Nussknacker. Volksoper

Gesehen wurde die 26. Vorstellung am 30. November 2024

Musiktheater für die ganze Familie. Musikalische Leitung: Alfred Eschwé. Regie: Lotte de Beer. Choreographie: Andrey Kaydanovsky, Bühnenbild: Katrin Leo Tag. Kostüme: Jorine van Beek

Wer die Oper „Jolanthe“ schon einmal gesehen hat – zum Beispiel in der ausgezeichneten Inszenierung im Theater an der Wien, dem ist ein ganz besonderer Zauber in Erinnerung: Jolanthe, die blind geborene Königstochter, ist sich ihrer Blindheit nicht bewusst. Dafür sorgt ihr Vater. Er umgibt sie mit einem duftenden Garten, mit blühenden Blumen und den schönsten Dingen. Niemand darf der Tochter von „Farben“ reden. Jolanthe ist nicht unglücklich, da sie ja von ihrem Gebrechen nichts weiß. Bis eines Tages die Liebe sie die Wahrheit „sehen“ lehrt…Tschaikowski hat in diese Musik alle Zärtlichkeit, die ein Vater für seine Tochter empfindet, gelegt. Zu den schönsten und innigsten Szenen gehört die Begegnung zwischen Jolanthe und dem Prinzen. Durch ihn erfährt sie von der Welt, für ihn ist sie bereit, sich einer Behandlung zu unterziehen. Und wie es im Märchen so sein muss: Sie wird geheilt!

Nun hat Lotte de Beer wohl gedacht, diese Oper sei irgendwie zu wenig, die muss mit Ballett aufgepeppt werden. So lässt sie die blinde Jolantha vom Nussknacker träumen, sieht sich selbst bedroht von dämonischen Männern, die sie in einer grausamen Szene fast vergewaltigen. Dazwischen tanzen die Mäuse oder einfach Figuren im weißen Ballettröckchen. Dass die Choreographie sehr einfach ausfällt, ist wohl dem unseligen Einfall zu verdanken, den Boden schräg zu stellen – eine Idee, die man vor etwa 20 Jahren landauf und landab strapaziert hatte und von der man Gott sei Dank bald abgekommen ist, da darunter die Gelenke leiden und sich für das Stück kein Mehrwert ergibt.

Nun also Jolanthe – sie sitzt oder schläft auf dem schrägen Bühnenboden. Dunkle braune Wände umstehen sie im Halbkreis. Vater und Personal sind im grauen Alltagsgewand. Nichts ist über geblieben von der Grundidee Tschaikowskis. Aus dem blühenden Garten wurde eine triste Umgebung. Da helfen auch die eingeschobenen Ballettszenen nichts. Sie halten zumindest die Kinder wach. Peinlich wird dann die ganze Szenerie, wenn Graf Vaudemont sie „im blühenden Paradiesgarten“ schlafend entdeckt und sich in sie verliebt. Da klaffen Musik, Text und das Geschehen auf der Bühne ganz gewaltig auseinander.

Gesungen wird Jolanthe von Natalia Tanasii – ordentlich, ohne Zauber in der Stimme. Zweimal vertanzt wird die Rolle der Jolanthe von Tessa Magda und Anika Mandala. Alexander Fritze als streng-besorgter Vater mit seinem schönen Bass klingt überzeugend. Aber in seinem mausgrauen Anzug verliert er viel an Persönlichkeit. Ganz und gar nicht Prinz und noch weniger Liebender ist Jason Kim als Graf Vaudemont. Alle übrigen Figuren passen sich gut an das graubraune, triste Ambiente an. „Musiktheater für die ganze Familie?“

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