Clemens Berger, Der Präsident. Residenz Verlag

Clemens Berger ist Schlawiner, Till Eulenspiegel und Don Quijote. In der ersten Hälfte des Romans unterhält er die Leser mit Witz, Ironie und tiefer Bedeutung, in der zweiten Hälfte überwiegt die tiefe Bedeutung, sprich der moralisch-sozialkritische Anspruch.

Julius Imre, geboren 9.11. 1926 in Oberwart (Burgenland), wandert als Kind mit seinen Eltern in die Staaten aus. Aus Julius Imre wird Jay Immer, weil der Name so leichter auszusprechen ist. Sein Vater schuftet als Maurer und baut die Häuser, in die später die Reichen einziehen werden. Seine Mutter putzt sie. Die Eltern erzählen ihm immer wieder von der Heimat, „doch was war das für eine Heimat, die erst in der Erinnerung dazu wurde?“ heißt es da ein wenig bitter (S22). Da Clemens Berger den Roman seinen Großeltern widmet, darf man vermuten, dass deren Biografie keine unwesentliche Rolle bei der Entstehung des Werkes spielte. Doch Bitternis ist nie die Sache des Autors und daher auch nicht die des Protagonisten.

Jay ist 55 Jahre alt und beschließt, sich nicht mehr länger als Polizist den Gefahren der Straße auszusetzen, und geht in Pension. Ehefrau Lucy hat hinter Jays Rücken die Bewerbung um den Job als Double des Präsidenten Ronald Reagan ( 1911-2004, Präsident 1981-89) eingeschickt – und Jay gewinnt ihn. Er sieht dem Präsident „wie aus dem Gesicht geschnitten“ ähnlich. Von einer Agentur gut bezahlt, beginnt für Jay und Lucy ein Leben in Scheinluxus und Clownerien. Er genießt es, wenn die Menschen ihn ehrfürchtig grüßen. Er spielt mit, wohin ihn auch immer die Agentur sendet. Zu den amüsantesten Szenen gehört sein Auftritt in Oberwart: Auf dem Parkplatz einer Tankstelle begeistert er die Massen, die ihm zujubeln, als er am Ende seiner Rede ausruft: „I bin a Ouwawoada“ ( S102f) Was dann folgt ist ein Foto- und Feierorgie mit seinen wiedergefundenen Verwandten. Doch irgendwann verwandelt sich der Clown Jay Immer alias Ronald Reagan in Don Quijote und kämpft mit Wissenschaftlern und Anhängern der Umweltbewegung für die Rettung der Welt. Der Autor ändert den Stil: In hektischer Abfolge treten neue Figuren auf, die Ereignisse überschlagen sich. Als auch noch ein Doppelgänger von Gorbatschow ins Spiel kommt, wird die Geduld des Lesers ein wenig strapaziert. Die Geschichte endet tieftraurig …

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