Deutsch von Angela Schanelec nach einer Übersetzung von Arina Nestieva. Regie: Amélie Niermeyer
Mit Tschechows „Onkel Wanja“ kann man alles machen – eine Tragödie über ein verfehltes Leben oder eine trashige Komödie, wofür sich die Regisseurin Amélie Niermeyer entschied. Lässt Tschechow seinen Figuren noch Würde im totalen Versagen, so vernichtet Niermeyer diese zur Gänze. Die Figuren taumeln durch ein bürgerlich-schäbiges Haus der 60er Jahre (Bühne Christian Schmidt) – es gibt ein Wandtelefon, einen Plattenspieler und eine Küche im Design der Gemeindewohnungen. Alle haben abgewirtschaftet, suchen im Wodka und im gemeinsamen Musikgekreische Abwechslung. Oder auch in koketten Sexspielchen.
Am Boden zerstört ist die Hauptfigur – Wanja (Rapahael von Bargen). Er stolpert, klettert Wände hoch, grölt, trinkt bis zur Bewußtlosigeit. Dass er sein Leben lang auf dem Gut geschuftet hat, damit der Professor (Joseph Lorenz) in der Hauptstadt ein gutes Leben mit seiner zweiten Frau Jelena (Alma Hasun) führen kann, hat ihn all die Jahre nicht gestört. Aber der Professor ist bankrott und verkriecht sich nun als hypochondrischer Jammerlappen, läuft in Unterhosen und Bademantel umher, kurz- er lässt ich gehen. Zu erkennen, dass man sein Tun und Arbeit einem Schmähidol gewidmet hat, tut weh. Deshalb brüllt Wanja wie ein zu Tode gequältes Tier und schießt wie wild mit der Pistole in der Gegend umher. Das Gut soll verkauft werden? -Eine Katastrophe, doch der Trott geht weiter. Aus den positiven Figuren der Maria Wojnizkaja macht Niermeyer eine schwer Gestörte, die mit einer Puppe im Arm herumläuft und sie bei Tisch füttert. Marianne Nentwich unterzieht sich dieser Figur mit erstaunlicher Würde. Einzig Sonja (Johanna Mahaffy) wirkt glaubwürdig und berührt in ihrer unerschütterlichen und scheuen Liebe zu dem zynischen, vom Leben enttäuschten Arzt Astrow (Alexander Absenger).
Ja, aus dem Text, ein wenig zurechtgebogen und ins Heute übersetzt, lässt sich leicht so eine Trashkomödie machen. Aber ob sie berührt, das bleibt offen.