Ayad Akhtar: Der Fall McNeal. BURG(theater)

Regie: Jan Bosse, Bühne: Stéphane Laimé, Kostüme: Kathrin Plath. Live Kamera: Andreas Deinert, Amdrea Gabriel, Mariano Margarit. Video: Andreas Deinert

Was tun, wenn ein renommierter und erfolgreicher Autor unerwartet mit einem nichtssagenden Allerweltsstück anrückt? Video ist immer hilfreich, Live Kamera macht Stimmung und dazu Joachim Meyerhoff, der Publikumsliebling der Wiener – das muss doch funktionieren, dachte Jan Bosse. Tat es aber nicht. Man gewinnt den Eindruck, Ayad Akhtar hat mit einem riesigen Kehrbesen alle aktuellen, medienwirksamen und abgetroschenen Themen zusammengekehrt und daraus ein Stück gebastelt. Das hätte auch KI gekonnt – vielleicht hat er sie eingesetzt und sich nicht dazu bekannt wie die Hauptfigur Jakob McNael. Wäre ein ganz besonderer Paukenschlag.

Langsam tröpfelt das Publikum ein, sucht den Sitzplatz. Kann sich dabei auf einer riesigen Viedeowall selbst beobachten, vielleicht sich oder Bekannten zuwinken. Das hebt schon mal die Stimmung. Dann Auftritt von Meyerhoff – endlich nach 5 Jahren Abwesenheit! Und wen muss er mimen – einen schwerkranken Säufer, dem ein baldiger Herztod oder ein nicht wieder gut zu machender Leberschaden droht. Eine Ärztin (Zeynep Buryac) teilt ihm das mit, cool, nicht immer gut verstehbar, Bauch und Rippen abklopfend. Irgendwie beklemmend. Doch er, Jakob McNeal, der bekannte Schriftsteller, nimmt die bedrohliche Diagnose gelassen. Sympathisch, leicht in der Literatur hin- und her springend diskutiert er mit seiner Agentin (Dorothea Hartinger), die dem Schema optisch und auch sonst dem Bild einer gewieften Erfolgslady entspricht. Mitten in der Diskussion erfährt der selbstsichere McNeal, dass er den Nobelpreis für Literatur gewonnen hat. Schnitt – er hält vor der auf der Videowall versammelten schwedischen Königsfamilie eine Brandrede gegen die Verwendung der KI in der Literatur. „Drei Romane aus der Bestsellerliste stammen von der KI“, schmettert er empört in das Publikum. Großartig. Beifall von allen Seiten. Dann sein Hamletmonolog – er schildert, wie er den Totenkopf seiner verstorbenen Frau aus dem Grab geholt hat. Gehts noch? Wo sind für Ayad Akhtar die Grenzen des guten Geschmacks? – Tut nicht viel zur Sache, Meyerhoff umschifft diese Geschmacklosigekeit mit der nötigen unterschwelligen Ironie. Wie er von nun an die ganze übrige Zeit den Charakter des allgemein als großen Blender, Schuft und Ekel geschilderten McNeal durchaus doppelbödig anlegt – nach dem Motto: keiner ist nur ganz böse, das kann auch nur er so wirklich hinterlistig gut. So auch in der Auseinandersetzung mit seinem Sohn (von Felix Kammerer ziemlich farblos gespielt). Der wirft ihm vor, die Mutter in den Selbstmord getrieben und ihr Manuskript als Grundlage für sein eben erschienenes Buch ausgeschlachtet zu haben. Die Vorwürfe kann ein McNeal gekonnt parieren – noch immer ist Meyerhoff/McNeal kein Schuft, Ausbeuter und schon gar nicht ein Mörder. Die große Beichte wird er erst während des Interviews mit der Reporterin der New York Times (Safira Robens) ablegen. Natürlich muss die Reporterin eine Farbige sein, und natürlich tappt der große. weiße Mann in alle diesbezüglichen Fettnäpfchen. Und frisch fröhlich, vom Whiskyrausch angefeuert, gesteht er seine Sympathie für Weinstein und Co. Ganz nebenbei lässt er eine weitere Klischeebombe platzen: Den letzten Roman habe er die KI schreiben lassen. Aber all das bleibt leere Luft, Klischee, auch der Vorwurf seiner Exfreundin, einer ehemaligen Redakteurin der New York Times, er habe ihr Gewalt angetan, gleitet ab in die Klischeefalle. Viel Lärm um altbekannte, viel zu oft in allen Sparten der Kunst und Medien abgehandelte Themen! Was weiter mit McNeal geschieht? Er schaut sich selbst beim Sterben zu, wie er im Schnee liegt und sich nicht mehr rührt. War Meyerhoff wie erwartet großartig? – Nein, denn diese Rolle erlaubte ihm maximal ironische Doppelbödigkeit.

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