Wiederholungen von Abenden, die mich einmal begeisterten, sind eine gefährliche Sache. Oft stellt sich eine gewisse Enttäuschung ein. Nicht so, wenn Joseph Lorenz liest – fast muss man sagen – spielt. Alles wirkt wie das erste Mal gehört, seine Gesten, seine Mimik und vor allem der Stil seines Vortrages reißen mit. Wie eine Zuhörerin nachher sagte: Man ist so intensiv im Geschehen, dass man nicht eine Sekunde abdriftet, an andere Dinge denkt. Es begann mit der starken ERzählung „Der Mörder“ – das Psychogramm eines jungen, verwöhnten Schnösels, der sich mit einer reichen Fabrikantentochter verlobt, obwohl er eine Geliebte hat. Die aber ist aus armen Verhältnissen. Er nützt aus, dass sie schwer herzkrank ist und bringt sie kaltblütig mit einer Überdosis Morphium um. Doch auch er wird nicht davonkommen – er verliert die Verlobte und sein Leben. Wie Lorenz diese fiese Figur charakterisiert, ist einfach großartig. Ebenso intensiv die Erzählung „Der Andere“: Ein Witwer trauert um seine innig geliebte Ehefrau, steigert sich in immense Wut und Eifersucht auf eine nicht nachweisbare Liason seiner toten Frau und verliert seine Ruhe. In „Die Braut“ öffnen Schnitzler und Lorenz das innerste Triebleben einer jungen Frau. Wahrscheinlich sind einige der Zuhörer und -innen heute noch genau so geschockt über die Offenherzigkeit des Geständisses der jungen Frau, wie sie es zu Schnitzlers Zeiten waren. Damit der Abend heiter ausklingt, las er „Park“ – ein heiter, hintergründiges Seelnpanorama eines braven Bürgers, der plötzlich den Boden unter seinen Füßen verliert.
Weitere Termine: am 23.3. wiederholt Joseph Lorenz wieder im Akzent „O du mein Österreich“ Karten und Infos: www.akzent.at
Und natürlich bei den Festspielen Reichenau: Er führt Regie und spielt selbst die Hauptrolle in Ibsens „Baumeister Solness“. Weiters wird man ihn als Amokläufer in Stefan Zweigs Novelle „Amok“ erleben. Karten und Infos: www.festspiele-reichenau.com