Es beginnt mit einem Paukenschlag, der dem Leser den Atem nimmt. Ganz langsam wird der Tragödie Urgrund aufgerollt, um letzten Endes doch nicht 100% aufgeklärt zu sein. Mit einem hauchfeinen Sprachpinsel zeichnet Slimani die Charaktere: Myriam und Paul sind das Bilderbuchpaar à la Bobos: guter Mittelstand, beide im Beruf tüchtig. Myriam ist Mutter zweier Kinder – zu Beginn ist sie eifrige Mutter, bis der Eifer immer mehr nachlässt und sie sich nach einem Beruf sehnt. Die Gelegenheit bietet sich und sie greift zu. Doch wohin mit den Kindern? – Ach, was haben sie doch für ein Glück mit Louise! Zuverlässig, pünktlich, sauber! Der Haushalt hat noch nie so gut funktioniert, die Kinder vergöttern sie und sie die Kinder. Alles perfekt! Man nimmt Louise mit in den Urlaub auf die griechische Insel Sifnos. Und Louise träumt von einem Zuhause, das ihr Pul und Myriam geben könnten. Könnten, aber nicht wollen. Denn Abstand muss sein -trotz aller Sympathie. Wie und wo Louise ihre Abende und freien Wochenenden verbringt, interessiert Paul und Myriam nicht. Dass sich Louise oft seltsam benimmt, den gesellschaftlich geforderten Abstand zu ihren Arbeitgebern nicht einhält oder besser: als nicht existent übergeht, nehmen sie wahr, aber fragen nicht weiter. Bis die „Zudringlichkeiten“ immer heftiger werden.Als Louise fürchtet, ihren Arbeitsplatz und die von ihr so ersehnte Zugehörigkeit zur Familie zu verlieren, wird sie immer absonderlicher…Es geschieht das Fürchterliche….
Slimanis Sprache ist schlicht, aber tief gehend: Kurze Sätze, keine Sprachspielerein, keine literarischen Turnübungen. Sie liefert eine beinharte Analyse der Gesellschaft: Hier die Gutverdiener, da die Dienenden. Dabei wertet sie nicht. Sie beobachtet, hält fest, ganz ohne Vorurteile und Vorverurteilungen.
Eiin großartiges literarisches Kleinod!
Unbedingt lesen!!!