Ballett: „Spartacus“ in der Bayrischen Staatsoper München

Was für ein Abend! Spartacus als fliegender Held, der die Schwerkraft leugnet und den Widerstand gegen jegliche Art der Unterdrückung wütend lebt und tanzt. Dessen Augen vor Heldentum glühen, dessen Liebe zu seiner Gefährtin Phrygia sich in erotisch-feinen Figuren materialisiert.

Doch langsam, vom Anfang an! Der römische Sklave und Gladiator Spartacus führte 73 v.Chr. seine Leidensgenossen zum Kampf gegen das römische Heer an und starb nach anfänglichen Siegen 71 v. Chr. auf dem Schlachtfeld.

Dieser Freiheitsheld wurde von der russischen Revolution als Galionsfigur eingesetzt. Man sah in ihm das Inbild des Revolutionärs schlechthin und bald auch  wurde er zur Vorzeigefigur der russischen Ballettästhetik. 1951 bis 1954 komponierte kein Geringerer als Aram Chatschaturjan die Musik nach der Novelle „Spartacus“ von Raffaello Giovagnolli und dem Szenario von Nikolai Volkov. Nach verschiedenen Choreografien und Fehlschlägen gestaltet Yuri Grigorovich, seit 1964 Direktor des Bolschoi-Ballettes, alles neu. Er kürzt radikal, kommt ohne große Gestik und Pantomime aus und konzentriert sich auf den Kampf zwischen dem Freiheitshelden Spartacus und dem dekadenten römischen Feldherrn Crassus. Die jeweiligen Frauenfiguren werden charakterlich deutlich herausgearbeitet: Phrygia, die zärtliche Geliebte des Spartacus, Aegina, die schlaue Verführerin an der Seite des Crassus.

Doch nun zu dem Abend vom 10. Jänner 2018. Da tanzte nämlich den Spartacus kein geringerer als Vladimir Shklyarov, für mich zur Zeit der beste Tänzer im Bolschoi. Wenn er im „grand jeté“ in die Luft aufsteigt, dann bleibt dem Publikum die Luft weg. Denn er scheint nie  mehr auf den Boden zurückkehren zu wollen. Es ist, als ob er für eine kurze Sekunde hoch oben schwebend verharren will. So lange, bis ihn die Schwerkarft zu Boden zwingt. Er tanzt den Spartacus nicht nur mit vollem Körpereinsatz, sondern er ist für die drei Stunden tatsächlich der Freiheitsheld. Seine Augen glühen vor Begeisterung, Zorn, Widerstand oder schmelzen in Liebe zu Phrygia, die von seiner Lieblingspartnerin Maria Shirinkina getanzt wird. Diese Elfenfigur schmiegt sich im pas de deux vertrauensvoll in die Arme des Partners, gleitet mühelos mit ihm von einer Figur in die andere. Nie reißt der Faden der „Erzählung“ ab, nie wird nur „Choreografie getanzt“, sondern sie gleiten durch ihre Gefühle. Ein wundervolles Miteinander.

Um nicht in den Gefühlskitsch abzugleiten, arbeitet Grigorovich Crassus als verweichlichten Widerling heraus. Und den tanzt Erik Murzagaliyev in voller Hingabe an die Lust und das Fressen. Als Feldherr hätte er kläglich versagt, hätte nicht seine schlaue Geliebte Aegina eingegriffen. Prisca Zeisel legt einen Verführungstanz hin, der der Phantasie keinen Raum mehr lässt – lasziv, erotisch, schamlos deutlich.

Das dunkel gehaltene Bühnenbild von Simon Virsaladze entführt uns in eine römische Architektur der Machtdemonstration, wie sie auch später Mussolini, Hitler und andere Diktatoren liebten.

Unter dem Dirigenten Karen Durgaryan spielte das Bayrische Staatsorchester mit spürbarer Lust und Temperament und ließ die Musik Chatschaturkans fast wie zu einem Filmepos aufblühen.

Das Publikum dankte mit Bravorufen und stading ovations.

Weitere infos und Spielplan: https://www.staatsoper.de