Ein Sonntag im Theater: Matinée mit Joseph Lorenz und Marcus Bluhm
Am Nachmittag : Die Reise der Verlorenenen . Am 7. Oktober im Theater in der Josefstadt

Der Sonntag  im Theater in der Josefstadt begann mit einer Matinée. Eva Maria Klinger stellte mit viel Charme und Humor zwei „Neulinge“ im Ensemble vor: Marcus Bluhm und Joseph Lorenz. „Beide sind keine Jungspunds“, meinte sie lächelnd. Beide etwa im Alter zwischen 50 und 60 haben vieles gemeinsam: sie haben eine gelungene Karriere hingeschmissen und sind in den Raum der „Freien“ eingetaucht.  Joseph Lorenz verließ das Burgtheater und begründete seinen Abgang so:“ Was nützt mir ein schönes Zimmer ohne Aussicht?“ Marcus Bluhm wollte eine Familie gründen, zog nach Italien,  heiratete Theresa Hübchen. Joseph Lorenz wurde der Star bei den Festspielen Reichenau und brachte Texte von Zweig, Schnitzler oder Werfel zu intensivem Leben. Nun haben beide nach Jahren des Lebens im Freiraum eine Heimat im Josefstädter Ensemble gefunden.

Am Nachmittag erlebte man Joseph Lorenz und Marcus Bluhm in „Die Reise der Verlorenen“ von Daniel Kehlmann, der die Bühnenfassung basierend auf dem Buch „Voyage of the Damned“ von Gordon Thomas und Max Morgan-Witts schrieb.

Der polnische Regisseur Janusz Kica, schon seit Jahren erfolgreich an der Josefstadt arbeitend, präsentiert dem Publikum einen klaren Faktenchek: Die Schauspieler treten an die Bühnenrampe und schildern dem Publikum – quasi direkt ins Gesicht – ihr Schicksal. Das passiert ohne Larmoyanz, ohne Moralkeule und schon gar nicht Mitleid heischend.  Tausend jüdische Passagiere sollen zu Beginn des 2. Weltkrieges nach Kuba verschifft werden. Doch Kuba verweigert die Aufnahme. Das politische Gezerre zwischen Kubas Präsident, der vor den Wahlen steht und daher gegen die Aufnahme der Flüchtlinge ist, dem Vertreter der jüdischen Vertretung in Amerika, dem amerikanischen und dem englischen Botschafter entpuppt sich als Politfarce. Keiner will die Flüchtlinge aufnehmen, bis sich doch Frankreich, Holland und Belgien bereit erklären, jeweils eine gewisse Anzahl aufzunehmen. Was wie ein „glückliches Ende“ scheint, entpuppt sich als Todesfalle. Die meisten von ihnen kommen in Lagern, die von den Deutschen in diesen Ländern später errichtet wurden, um.

Das ganze Ensemble wird aufgeboten und leistet eine beeindruckende Performance. Allen voran Herbert Föttinger als Kapitän des Schiffes, der verzweifelt versucht, die Passagiere zu retten. Der Applaus war lang andauernd, viele Bravorufe – eine für das Josefstadt-Publikum ungewöhnliche Reaktion.

Die Parallelen zur Gegenwart ergeben sich klar und deutlich. Im Stück wird nicht explizit darauf hingewiesen – was auch nicht nötig wäre. Im Programmheft belegen Zitate aus der gegenwärtigen Flüchtlingsdiskussion die Parallelen.

Fazit: Eine großartige Aufführung. Unbedingt ansehen.

Infos und Karten unter: www.josefstadt.org