nach Fjodor M. Dostojewskij von Thomas Birkmeir
Thomas Birkmeir, Leiter des „Theater der Jugend“, ist bekannt dafür, dass er nie zimperlich in der Wahl der Stücke ist, wenn es darum geht, die Jugend herauszufordern. Kühn wie immer wagt er sich diesmal an Dostojewskijs Roman, bearbeitet ihn großartig und stellt geradezu ein Meisterwerk auf die Bühne. Ein Wagnis, das aufzugehen scheint, großartige Kritiken bekommt – zu Recht – aber: Wo bleiben die Jugendlichen? An dem Abend (22. Jänner) sah ich gerade einmal zwei Mädchen, ca 16, 17 Jahre alt, sonst nur Erwachsene.Im Programm steht: Für Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene. Im Interview auf Ö1 betont Birkmeir, dass er kein Problem damit habe, die Morde auf der Bühne zu zeigen und das Thema durchaus einem/r 13-Jährigen zumutbar sei . Ich wäre gerne mit einem (r) 13-Jährigen in der Vorstellung gewesen und mit ihm (ihr) danach darüber diskutiert – leider kenne ich keine(n).
Doch nun zur Aufführung: Die Bühne ist von einem blauen Lichtrahmen eingefasst, wodurch das Geschehen wie in einem Film abläuft und sehr heutig wirkt. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die schnellen Schnitte von Szene zu Szene. Außer einer versenkbaren Bank, die als Bett dient, einem Tisch und einem Sessel, die bei Bedarf hergeräumt werden, ist die Bühne leer. Die Konzentration des Publikums fokussiert sich auf die Schauspieler, den Dialog und die Handlung. Der Jusstudent Raskolnikow, sehr intelligent, aber bettelarm, maßt sich an, Herr über das Leben „sozialer Ratten, die nicht wert sind zu leben“, zu sein. Den ersten Mord begeht er aus dieser Überzeugung, den zweiten als Folge des ersten. Auf der Bühne sieht man Raskolnikov, der mit der Axt den Schädel zweier Frauen spaltet. (Nietzsches Übermensch war da noch nicht geschrieben!) Mit Jakob Eisenwenger hat Birkmeir den idealen Raskolnikow gefunden. Nervig, hochsensibel, hochexplosiv, klug, hinterhältig, brutal, eingebildet, selbstverliebt – das alles und mehr ist Raskolnikow, ist Eisenwenger. Alle Rollen um ihn herum, spielen auf demselben hohen Niveau und machen das Stück zu einem spannenden, reißerischen (muss so sein, es geht ja um Mord), intensiven Theaterabend.
Was geht nun im Zuschauer vor? – Verurteilt man den Mörder, hat man Mitleid mit ihm, weil er tatsächlich ein armer Teufel ist? Unweigerlich zieht man die Parallele zur heutigen Zeit (ist ja wohl der Grund der Stückweahl), in der Brutalität als „cool“ gilt und Zuschlagen die Auseinandersetzung auf politischer Ebene ersetzt. Vielleicht denkt so mancher an die Scharia, in der Ehrenmord akzeptiert, ja gefordert wird. Vielleicht denkt man an viele Jugendliche, die aus ihrer Heimat flohen und hier im Westen in einer für sie „verkommenen Moralgesellschaft“ angekommen sind und ihre Unsicherheit nicht anders als mit Gewalt überspielen können. Die Parallelen zur Gegenwart drängen sich vielfältig auf. Und zuletzt wird man noch vor die Frage gestellt: Kann man Raskolnikow seine Reue glauben? Kann man ihm vergeben?
Ein ganz schön forderndes Stück, jenseits von Moralpredigten!!
Infos unter: http://www.tdj.at