Andrea Jonasson und Roland Koch lesen Tolstoi, Anna Karenina.

Ort: Gläserner Saal, Musikverein. Musikalische Begleitung: Alexander und Konstantin Wladigeroff. Konzept und Dramaturgie: Angelika Hager.

Andrea Jonasson (Bildrechte: Sepp Gallauer/CPS Austria)

Roland Koch (Bildrechte: Bernhard Uhlig)

Angelika Hager gelang das schier Unmögliche: Sie schrieb eine ideale Lesefassung des mehr als tausend starken Romans, den Rosemarie Tietze neu übersetzte. Dabei konzentrierte sich Angelika Hager auf die Liebe zwischen Anna und Wronskij. Die Geschichte von Kitty und dem Gutsbesitzer Ljewin ließ sie außen vor. Kitty wird nur erwähnt, um Wronskij zunächst als leichtsinnigen Bonvivant zu charakterisieren, der dem Mädchen den Hof macht, ohne auch nur im Geringsten an eine Heirat zu denken.

In inneren Monologen, die aus subtil angedeuteten Gesten plötzlich Realität werden, lassen die beiden Vollblutschauspieler Andrea Jonasson und Robert Koch die Leidenschaft aufglühen, zeichnen ein Bild der verlogenen, verknöcherten Gesellschaft in Moskau des 19. Jahrhunderts auf. Eine Gesellschaft, deren Spott und Verachtung Anna zu spüren bekommt, während Wronskij unattackiert bleibt und sein Leben in der Öffentlichkeit fast wie früher leben kann. Die Bösartigkeit und die immer schwächer werdende Liebe Wronskijs treiben Anna in den Selbstmord. Sie wirft sich vor einen Zug.

Andrea Jonasson ist Anna Karenina, im Aussehen elegant, in der Stimme erotisch, verliebt, reuig, verzweifelt und zerstört. Roland Koch ist zunächst ein brillanter Fraueneroberer, dem man den Erfolg in der Gesellschaft abnimmt. Aber auch einer, der aus Liebe zu Anna die militärische Laufbahn aufgibt und mit Verantwortungsbewusstsein diese Beziehung lebt. Und auch einer, der verzweifelt, als er merkt, dass Langeweile und manchmal sogar Hass seine Liebe zu Anna zerstören und er seine Abneigung nicht mehr verbergen kann. Beide lesen, nein spielen diese leidenschaftlich Beziehung ohne Pathos, aber mit einer Intensität, die den Zuschauer voll in das Geschehen mit einbezieht.

Die beiden bulgarischen Musiker Konstantin und Alexander Wladigeroff begleiten und untermalen das Geschehen mit subtilen musikalischen Einfällen. Ein Abend, den man gerne ein zweites Mal erleben möchte. Wo und wann?

http://www.musikverein.at