Wien 1934. Die überzeugte Kommunsitin und Schutzbündlerin schickt ihre beiden Söhne ins „Ferienlager“, um sie vor der Verfolgung durch die Nazis zu retten. Slavko der Ältere wird in einem Lager verhungern. Karli, der Jüngere, erlebt zunächst eine gute Zeit in Moskau, wo diese Schutzbundkinder richtig verwöhnt werden. Doch nachdem Hitler den Pakt mit Stalin gebrochen hat, ist es aus mit der heiteren Kindheit. Jugendgefängnis, Straflager folgen. Nach 20 qualvollen Jahren ist Karl frei, heiratet eine Russin und hat mit ihr 2 Kinder. Eines davon ist die Autorin, die später den Lebensweg ihres Vaters penibel recherchieren, Akten und Briefe aufstöbern und sie teilweise in Originalform in den Roman einsetzen wird. Apropos „Roman“: manchmal wirkt er wie eine Dokumentation, ein Skript für eine Doku im Fernsehen, dann wieder schaltet die Autorin auf eine quasi auktoriale Erzählhaltung um. In diesen Teilen bemüht sie sich um eine bewusst karge Sprache, für Poesie ist da kein Platz. Rasche Schnitte von einer ERzählform zur anderen, vom Brief zu Aktenauszügen und kurzen Hinweisen auf den Geschichtshintergrund erinnern immer wieder an eine Voralge für eine Doku. Selten schreibt die Autorin über die innersten Gefühle der Personen. Da heißt es nur: Nina (Mutter der Autorin und erste Ehefrau ihres Vaters) hat Heimweh nach Russland. Arnautovic meidet ganz bewusst eine zu starke Gefühlsebene. Auch wohl deshalb, um klar zu machen, dass in diesen Zeiten es eher ums Überleben als ums Erleben von „schönen Gefühlen“ ging. Und auch, um sich klar darüber zu werden, was ihren Vater zu dem harten, ehergefühlskalten Mann gemacht hat.
Cui bono?
Es hat den Anschein, als sei es derAutorin nicht leicht gefallen zu sein, über ihren Vater offen zu berichten, denn er ist nach seiner Rückkehr aus Russland keineswegs ein sympathischer Mann, betrügt seine Frau, die er zuerst zwingt, mit ihm nach Wien zu ziehen, ihr aber bald die Kinder nimmt und von langer Hand die Scheidung plant, weil er mit einer anderen liiert ist. Dieses spürbare Zögern, über diesen Vater offen und ehrlich zu schreiben, ehrt Ljuba Arnautovic. Denn andere Autoren und vor allem Autorinnen scheuen und scheuten sich nicht, über ihre Familie blank und frei, für den Leser schon peinlich genau zu berichten. Das Familienschicksal in die Öffentlichkeit zu bringen ist Mode geworden. Ljuba Arnautovic weiß ganz offensichtlich um diese Problematik und wählt deshalb die herbe Form der Mischung aus Erzählung und Dokumentation. Fragt sich nur: Ist eine Familiengeschichte auch „Literatur“? Und man fragt sich: Cui bono entstand dieses Buch? Am ehensten wohl für die Autorin selbst, sie will sich ein Bild von diesem durch den Gulag hart gewordenen Mann machen. Die Detailinformationen über das Schicksal von Schutzbundkindern in Russland ist für jeden Leser interessant und informativ. Denn darüber wird ja in keinen Geschichtsbüchern berichtet. Es ist auch interessant zu erfahren, wie sich das Geschichtsbild, die Haltung zum Kommunismus all dieser Familienmitglieder und Freunde in und nach dem Krieg veränderte oder auch gleich blieb.
Verlag Zsonay bei: http://www.hanser-literaturverlage.de