Aus dem Italienischen von Verena von Koskull
Roberto Andò, 1959 in Palermo geboren, ist vor allem als Regisseur bekannt. Seinen jüngst auf Deutsch erschienen Roman verfilmte er selbst unter dem Titel „Il Bambino nascosto“.
Er kennt die WElt der Mafia, hat als Kind selbst erlebt, dass Mitglieder einer Kinderbande die Mutter eines Mafiabosses überfielen und danach wie vom ERdboden verschwanden, ohne dass die Familie ihr Verschwinden anzeigte.
Der Roman zeigt die unterschwelligen, von der Öffentlichkeit weniger bekannten Machenschaften der Mafia auf: Ciro, ein etwa zehnjähriger Straßenbub, versteckt sich vor der rachelüsternen Mafia in der Wohnung des Klavierlehrers Gabriele Santoro. Er hat gemeinsam mit einem Freund die Mutter eine Mafiabosses überfallen und dabei so schwer verletzt, dass sie im Spital stirbt. Ciro weiß, was ihm blüht, wenn ihn die Mafiafamilie findet: der sichere Tod. Verängstigt flüchtet er in die Wohnung des zurückgezogen lebenden Musikers. Vorsichtig und geduldig nähert sich in Gesprächen Gabriele seinem ungebetenen kleinen Gast an. Bald weiß er, in welcher Gefahr dieser schwebt. Nun muss er eine Entscheidung treffen: den Bub ausliefern und dem sicheren Tod überlassen oder ihm helfen und dabei seine eigene Existenz gefährden, wenn nicht sogar beider Leben. Es ist eine Frage, die der Autor mit der Situation Antigones vergleicht: Gabriele entscheidet sich für das persönliche Rechtsgefühl und gegen das staatliche, das von ihm die Auslieferung verlangt hätte.
Das Besondere an diesem Buch: die langsame Annäherung zweier Menschen, die verschiedener nicht sein könnten: Da der schüchtern- sensible Eigenbrötler Gabriele, der nur für sein Klavierspiel lebt. Das Gegenüber: Ciro, ein Bub, der die Härte der Gosse und Gasse kennt, dessen Eltern sich nie um ihn kümmerten. Beide kommen einander vorsichtig und langsam näher, bis eine tiefe Bindung entsteht. Sprachlich feinfühlend und großartig!