Erika Pluhar: Hedwig heißt man doch nicht mehr. Residenz Verlag

„Hedwig saß am Fenster und sah in den Hinterhof hinaus. Der war lichtlos und grau, wie damals, als ihre Großmutter hier saß und hinausschaute.“

So beginnt der bedrückende Roman über Großmutter Hedwig und ihre gleichnamige Enkelin. Nach dem Tod der Eltern wird die 12jährige Hedwig von ihrer Großmutter erzogen. Vielleicht nicht mit offen gezeigter Liebe, aber sicher mit Sorge und einer Liebe, die unter der Kruste wirkt. Strenge Regeln gibt es, oberstes Prinzip für das Kind: brav sein und in der Schule Erfolg haben. Dem folgt Hedwig ohne Murren, sie besteht die Matura mit Auszeichnung, studiert an der Universität Wien Publizistik. Die Großmutter ist stolz auf ihre Enkelin. Die aber haut bei Nacht und Nebel ohne Abschied und ohne Gruß ab und rührt sich 25 lange Jahre nicht bei ihrer Großmutter. Das ist die Ausgangslage, die der Leser erst einmal verdauen muss. Eine Ungerührtheit und Eiseskälte. Keine Nachfrage von der Enkelin, ob die Großmutter noch lebt, gesund ist. Nur durch Zufall erfährt sie, dass die Großmutter vor zwei Jahren gestorben ist und ihr die Wiener Wohnung in der Josefstadt vermacht hat.

Nun sitzt also die Enkelin nach mehr als 25 Jahren auf dem Sessel der Großmutter und schaut auf den grauen Hinterhof. Der Leser ist neugierig, wie diese 51 jährige Hedwig ihren grausamen Abgang sieht, ob sie nachforscht, wie es der alten Frau ergangne ist. – nix da. Sie reflektiert ihr ach so trauriges Leben in Berlin, Hamburg und Lisabon, erzählt ihrer Großmutter sozusagen als Wiedergutmachung das Auf- und Ab ihrer Befindlichkeiten in den letzten 25 Jahren. Während sie diese Rückschau auf die Vergangenheit schreibt, meldet sich hartnäckig und sehr verständnisvoll ein Mann bei ihr an. Er lädt sie zum Essen ein oder kocht für sie, aber nur wenn es Hedwig genehm ist. Spielt ihr Musik vor, aber nur solche, die Hedwig mag. Kurz – ein Mann wie aus einem Bilderbuch, oder wie die Wiener auch sagen: wie aus dem Backofen gebacken.

Irgendwie lässt einem der Roman unbefriedigt zurück. Denn diese Lebensbeichte Hedwigs nützt der toten Großmutter aber schon gar nichts. Die Enkelin schreibt alles nieder als eine Art Selbsttherapie, ohne dass auch nur ein Hauch von Frage, wie wohl die alte Frau mit diesem Abgang fertig geworden wäre. in ihr aufkeimt.

Wie sie diesen “ Wundermann“ behandelt – man könnte sagen abkanzelt – und der trotz allem immer wieder kommt, auch das wirkt irgendwie lebensunecht. Wollte uns Pluhar die Kälte einer Generation vor Augen führen, der Empathie und Mitdenken fehlen? .

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