wortwiege kasematten: Erwin Riess: Herr Grillparzer fasst sich ein Herz und fährt mit einem Donaudampfer ans Schwarze Meer.

Inszenierung: Jérôme Junod, Bühne, Kostüm: Lydia Hofmann

Tatsache ist, dass Grillparzer an „hypochondrischer Unentschlossenheit“ litt, wie er im „Tagebuch auf der Reise nach Griechenland 1843“ treffend seinen Zustand charakterisierte (zitiert nach dem Auszug im Programmheft). Der Autor Erwin Riess hat aus diesen Aufzeichnugen einen szenischen Text gestaltet.

Die Bühne in den Kasematten ist um 90° gedreht. In der Apsis, wo sich sonst üblicherweise das Geschehen abspielte, steht ein großer schwarzer Flügel, Darauf spielt die bezaubernde Rapahaela Schober im Goldkleid mit Schleppe in den “ Textatempausen“ Musik von Eric Satie. Diese Momente gehören zu den stimmigsten des Abends. Als ob der Musik die Kraft der Beruhigung zugeschrieben wird. Der unruhige Geist Grillparzers (gespielt/gelesen) von Horst Schily hat Pause. Das Wort schweigt und die Musik übernimmt.

Das Publikum sitzt an der Längseite in zwei Reihen. Vor ihm tritt nun Grillparzer die ungeliebte Reise mit dem Schiff an. Städte und Dörfer ziehen an ihm in Form eines Scherenschnittes vorbei. Wenn eine Landbesichtigung zu Ende ist und die Reise weitergeht, genügt ein kleiner Schubs und die Collage beginnt zu schwanken – eine nette Idee, die dem ganzen Spiel einen ironischen Anstrich gibt.

Horst Schily gibt einen ziemlich authentisch grantigen, hypochondrischen Grillparzer. Zu seiner Überraschung und Ärger wird er auf der Reise von einer kecken, neugierigen und lernbegierigen Magd namens Csilla betreut. Saskia Klar verleiht der Figur die nötige Schlichtheit, gepaart mit Pfiffigkeit. Mit behutsamer Ausdauer erobert sie sich den Respekt und die Zuneigung des grantigen Dichters. Als die Schiffsreise zu Ende geht, möchte sie ihn auf seinem Landtrip weiter begleiten. Vordergründiger Grund: Sie will von dem weisen Dichter lernen! Doch dieser spürt die Zuneigung, die sie ihm entgegen bringt und die auch er für sie empfindet. Und genau diese Empfindung lässt ihn scheuen wie ein Pferd vor einem HIndernis – er ringt mit sich und entscheidet, allein weiter zu reisen. Tief enttäuscht verlässt sie ihn. Sie, deren Namen in all den Tagen Grillparzer vergaß zu erfragen oder einfach nicht behalten hatte.

Ein interessanter Stoff, der Zartheit in Worten und Gesten, Blicken und Schweigen birgt. Wären da nicht die Zettel, von denen die Schauspieler ihren Text ablesen. Dadurch wird der Fluss des Geschehens in eine (bewusste ?) karge Distanz verwiesen, die das Spiel der Schauspieler hemmt. Etwa wenn sich Grillparzer und Csilla scheu umarmen und sie ihre Zettel hinter seinem Kopf hochhält, um den Text ablesen zu können. Schade, das Thema ist interessant und hätte ein freies Spiel verdient.

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