Während an der Staatsoper ein etwas öder Alltag eingekehrt ist, spielt sich die interessante Musikszene ganz woanders ab: Am 28. Oktober sang im Musikverein der großartige Bariton Simon Keenlyside Schuberts „Winterreise“ und am 29. Oktober Matthias Görne im Konzerthaus Lieder von Robert Schumann. Zwei Abende, die ihresgleichen suchten.
Ein Vergleich stellt sich ein: Vorne weg: Beide haben einen wundervollen Bariton. Görne sang die „Winterreise“ während der Wiener Festwochen begleitet von Markus Hinterhäuser zu einer Filminstallation des Künstlers William Kentridge. Trotz der für mich nicht unbedingt einsichtig und notwendigen Installation sang Görne eine Winterreise, die bis ins Innerste drang, von der fragilen Existenz des Menschen wußte. Görne war der Wanderer durch die eisige Welt.
Simon Keenlyside war ein – wenn ich so sagen darf- eleganterer Wanderer durch Eiseskälte. Seine Interpretation lässt irgendwie noch Hoffnung aufkommen, dass es im Jenseits besser wird. Sein klangvoller Bariton steigt auf und besiegt die Trauer. Ich ging nicht so verstört weg wie nach dem Abend mit Görne. Auf seinen Rigoletto in der Wiener Staatoper Ende Dezember darf man gespannt sein.
Zu Matthias Görnes Schumann-Interpretation: Gewaltig und ziemlich bestimmend wurde er von Matthias Helmchen begleitet. Und Görne braucht so einen Begleiter, denn er liebt die Herausforderung. Ähnlich wie in der Winterreise gibt er alles, schont sich nicht, steigert sich kraftvoll in die Dramatik, um gleich darauf in eine hauchzarte Melancholie zu fallen. “ ..und aus dem Traum, dem bangen, weckt mich ein Engel nur“ -da waren Zuhörer und Interpret in einer anderen Welt und es herrschte eine lange Stille, bevor der Applaus einsetzte.