Das Buch ist kein Pageturner im üblichen Sinn. Ganz einfach, weil jeder Satz, jeder Absatz zu kostbar ist, um rasch verschlungen zu werden. Alex Capus ist ein Meister der feinen Klinge, baut Leseminiaturen, die aneinandergereiht eine Perlenkette von preziosen Gliedern ergeben.
Es ist kein Roman, auch keine Romanbiografie. Ich würde es am ehesten eine poetische Biografie nennen. Capus erzählt die Geschichte von Susanna Faesch, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Basel geboren wurde. In der (damaligen) Kleinstadt herrscht bigotter Trübsinn, Lebensfreuden sind verpönt. Ihr Vater – ehemaliger Legionär, ihre Mutter eine geistig immer Abwesende. (Köstlich die Szene, in der die Mutter mit Mozartmusik die Moralpauken ihres Mannes ausblendet). Ein wenig Abwechslung bringt Karl Valentiny, ein ehemaliger Kriegskamerad des Vaters. Susanna ist ein eher unauffälliges Kind. Ihre Willenskraft jedoch erstaunlich groß. Als die Mutter eines Tages beschließt, dem nach New York abgereisten Karl Valentiny gemeinsam mit Susanne nachzureisen, nimmt das Kind das gleichmütig auf. Nach dem Vater und den 2 Brüdern sehnt sie sich sowieso nicht. Nun schildert Capus mit eindringlicher Präzision, ohne je dem Recherchewahn zu verfallen, die Entwicklung dieses erstaunlichen Mädchens, das mitten in der größten Industrierevolution (Elektrizität, Eisenbahn,, Dampfschiff) aufwächst Sie wird Porträtmalerin, heiratet und bekommt einen Sohn. Doch eines Tages wird ihr das bürgerliche Leben zu eintönig, sie packt ihren inzwischen 13-jährigen Sohn und bricht in den „Wilden Westen“ auf, um Buffalo Bill kennenzulernen und ihm das Bild, das sie von ihm gemalt hat, zu übergeben.
Der Reiz dieser Biografie liegt einerseits in der unaufgeregten Nüchternheit, mit der Capus den eigenwilligen Weg Susannas aufzeichnet, und andrerseits in der bis ins Detail feingesponnenen Sprache, die den Leser überall hin mitnimmt. Es ist ein Werk, das man nur ungern weglegt. Am Ende angekommen, hat man Lust, sofort wieder neu zu beginnen.