Abdulrazak Gurnah, Das verlorene Paradies. Penguin Verlag

Aus dem Englischen von Inge Leipold

Abdulrazak Gurnah wurde 1948 im Sultanat Sansibar geboren, ist heute Professor emeritus für englische und postkoloniale Literatur an der University of Kent. Er wurde 2021 für seine zahlreichen Romane mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Im zuletzt erschienenen Werk „Das verlorene Paradies“ behandelt er die Umbrüche in Ostafrika um 1900, als Deutsche und Engländer das Land ausbeuteten und kolonialisierten.

Der Vater Jusufs hat hohe Schulden bei „Onkel Aziz“ und muss ihm seinen kleinen Sohn als „Abzahlung“ seiner Schulden mitgeben, was nichts anderes bedeutet als ihn in die Sklaverei zu schicken. Jusuf wird Khalil als Gehilfe und Lehrling übergeben. Er leidet unter starkem Heimweh und den ziemlich unhygienischen Zuständen, hat panische Angst vor den wilden Hunden, die sich des Nachts um sein Lager herumtreiben. Sein Trost ist der Garten des Onkels, in dem er ungefragt und heimlich arbeitet. Aziz nimmt Jusuf auf seinen Reisen durch das Landesinnere mit, damit er das Leben kennenlernt. Sie kommen zu den „Wilden“, wie es im Text heißt, werden ausgeraubt, geschlagen und um ihr ganzes Hab und Gut betrogen. Doch an Jusuf prallt das alles ab, er ist durch seine Schönheit und seine seelische Unschuld geschützt. Zurück im Haus Azizs verliebt er sich in die Zweitfrau seines Onkels, gerät in Schwierigkeiten, weil die Erstfrau ihn begehrt und er sich vor ihr ekelt. Das Ende ist offen.

Gurnah verpackt in diesem Roman, der wie eine Aneinanderreihung von alten Mythen und Erzählungen wirkt und nur durch die Figur Jusufs zusammengehalten wird, alle Probleme dieser Umbruchszeit: Die Grausamkeit und Gier der Kolonialherren, die Grausamkeit und Unkultiviertheit der „Wilden“, die verschiedenen Religionen, der noch immer blühende Sklavenhandel, Zerstörung von Natur und Kultur und vieles mehr. Und genau darin liegt die Schwäche des Romanes: Zu viele Themen werden angerissen, keines tiefer ausgeführt. Jusuf ist eine Lichtgestalt, die in seiner naiven Unschuld sowohl an Parsifal und auch an Josef, der von Potifars Frau begehrt wird, erinnert.

Leider fehlen eine Landkarte, auf der die Reisen nachvollziebar sind, und ein geschichtlicher Überblick über das Gebiet, was damals als „Ostafrika“ bezeichnet wurde.

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