Dass Arthur Miller ein exzellenter Dramatiker ist, wissen wir. Dass er ein Gespür für die Gefahren in der Gesellschaft hat, wissen wir auch. Sein Drama „Hexenjagd“ schrieb er Anfang der 1950er Jahre vor dem Hintergrund der Kommunistenverfolgung durch den Ausschuss des Senators McCarthy in den USA. 1956 wurde er selbst vor den Ausschuss zitiert. Weil er sich weigerte, Namen ihm bekannter Kommunisten zu nennen, wurde er zu einer Gefängnis- und Geldstrafe verurteilt. Der Pass wurde ihm entzogen. 1958 wurde dieses Urteil aufgehoben. Die schreckliche Mahnung dieses Stückes verstärkt sich noch, wenn man erfährt, dass Arthur Millers Drama auf einem historisches Geschehen basiert. Nämlich auf der Hexenjagd in Massachusetts im Jahre 1692, in einer Zeit “ als die Menschen eine Theokratie entwickelten, eine Verbindung von staatlicher und religiöser Macht“ (Arthur Miller, Anmerkungen zur Hexenjagd, zitiert aus dem Programmheft). Im Christentum erlebten die Menschen Verfolgung durch die Allmacht der Inquisition, und heute erleben die Menschen die Grausamkeit des IS. Und die Gefahr der Verleumdung lauert immer und überall, verstärkt durch die Anonymität der sozialen Medien. WEil die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, wächsen Neid und Hass. – Der Boden, auf dem die Figuren Millers agieren.
Dieses Drama gerade jetzt auf die Bühne zu bringen ist klug und mutig. Martin Kusej die Regie zu übertragen, ist vielleicht eher auf die Spekulation zurückzuführen, dass sein Name einen Skandal verspricht. Was er prompt auch zu liefern im Sinne hatte. Doch der Skandal blieb aus. Vielleicht deshalb, weil das Publikum Masturbation, Vergewaltigung und Aufhängen auf der Bühne schon als „normal“ empfindet? Als zu oft schon gesehen? Manche im Publikum reagierten mit Gelächter.
Martin Zehetgruber stellt einen Wald von bedrohlich hohen Kreuzen auf die Bühne. Bis auf die letzte Szene im Gefängnis bleiben sie stehen, als Mahnmale, als Bedrohung. Zu Beginn schwirren Mädchen durch den Wald, ziehen sich aus und masturbieren. Gestöhne auf der Bühne, Gelächter im Publikum. Dann beginnt der Wahn: zuerst ist von Exorzismus die Rede, dann von Hexenzauber. Die Menschen bezichtigen ihre eigenen Verwandten, Kinder die Eltern, Nachbarn die Nachbarn. So lange, bis der Stellvertreter des Gouverneurs (großartig gespielt von Michael Maertens) gerufen wird, „um diesen Sumpf trocken zu legen“. Was er kalten Herzens ausführt und reihenweise Todesurteile verhängt. Das Massenschicksal wird an dem Ehepaar Procter vereinzelt und drastisch spürbar. Elisabeth (berührend schlicht: Dörte Lyssewski) wird ebenfalls der Hexerei beschuldigt, ihr Todesurteil aber bis zur Geburt ihres Kindes aufgeschoben. Sie könnte sich „retten“, wenn sie gesteht. Ihr Ehemann John – schlicht und stark: Steven Scharf – versucht seine Frau zu retten, wird aber ebenso zum Tode verurteilt. Durch Hängen – vor den Augen eines schon ermüdeten Publikums.
Ein starkes Stück.Leider verordnet Kusej den Schauspielern eine schleppende Sprechweise mit vielen Pausen zwischen jedem Satz. Das Publikum hustet, gähnt, schlummert oder lacht. Vielleicht lacht es sich auch über den Schrecken hinweg.
Im Programmheft findet man gute Texte zu dem Thema!
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