Gianandrea Noseda führt die jungen Musiker und Musikerinnen des „Chamber Orchestra“ mit Feingefühl und scheut sich auch nicht vor der brühmt-berüchtigten Romantik, wie sie in der „Morgendämmerung“ am Beginn aufzieht. In „Ases Tod“ wagt er alles an Gefühl. Es ist ein leiser Tod, dafür um so schmerzlicher. Kein Aufbegehren. So innig und hingebungsvoll dirigiert hörte man es selten. „In der Wüste“ lässt er die Affen tanzen, bevor Anitras Lockruf Peer Gynt betört. Aufgewacht in der „Halle des Bergkönigs“ hört man leie Hämmern, das immer lauter und heftiger wird bis zum eindrucksvollen Schluss.
Peter Tschaikowski: Violinkonzert in D-Dur op.35
Augustin Hadelich ; Suxiao Ynag
Die große Überraschung: Der junge Geiger Augustin Hadelich. Er spielte auf einer Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1744, einer Leihgabe des Tarisio Trust. Man meinte, dieses berühmte Konzert noch nie so innig und intensiv erlebt zu haben. Weich, geschmeidig lässt Hadelich alle Schmerzen und Freuden („..ich bin so verliebt, wie ich schon lange nicht wahr“ gesteht der Komponist seinem Bruder) der Liebe, auch die Angst vor Entdeckung erleben. Noseda legt mit dem Orchester weiche Übergänge, begleitet die Violine diskret. Hadelich „spielt“ Tschaikowskis Liebesleid, zuerst sanft, nimmt mit der Zeit immer mehr Tempo auf bis zum Schrei der Angst. Dass sein Spiel perfekt, virtuos ist, braucht keiner extra Betonung. Das fulminante Ende des 1. Satzes reißt die Zuhörer von den Sitzen und zu frenetischem Zwischenapplaus – was man sonst nie erlebt, weil verpönt! Nach dem ruhigen 2. Satz folgt der kräftige 3. Satz, der mit dem rasanten Allegro vivacissimo die Stärke und das Vertrauen an das Leben des Komponisten vermittelt. Frenetischer Applaus und standing ovation für Augustin Hadelich im Besonderen, aber auch für Noseda und das Orchester. Als Dank für diese Begeisterung spielt Hadelich noch Variationen eines argentinischen Tangos.
Dmitri Schostakowitsch: 9. Symphonie in Es-Dur op.70
Ein starkes Kontrastprogramm! Schostakowitsch feiert nicht die Befreiung der Stadt Leningrad, sondern klagt den Krieg als solchen, dahinter natürlich Stalin und seine Politik des Grauens an. Eine Todessymphonie, maskiert als absurdes Maskenspiel. Der erste Satz beginnt mit Marschmusik als Spott über Krieg und Kriegsrhetorik. Das „Moderato“ klingt geheimnisvoll bedrohlich, auch wenn dazwischen fröhliche Zwischentöne von Flöte und Oboe zu hören sind. Nach dem starken „Presto“ und einem intensivem „Largo“ mit wunderbarem Posauneneinsatz jagt der Komponist die Musiker in die Schrecken des Krieges im unerbittlichen „Allegretto“.
Frenetischer Applaus und standing ovation für Gianandrea Noseda und das ganze Orchester. Das Publikum dankte für eine Sternstunde im Musikgeschehen!
Anton Bruckner schrieb die 5. Symphonie in einer sehr schwierigen Zeit seines Lebens. 1874 verlor er die Stelle als Lehrer am Wiener Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde und damit die finanzielle Sicherheit. So flüchtete er sich in die Sicherheit des Komponierens der 5. Symphonie, wo er sich aufgehoben fühlte und alle Existenzängste vergessen konnte. Hatte er doch mit seinen Kompositionen schon große Erfolge gefeiert, zum Beispiel 1871 in der Londoner Albert Hall, wo ihm Zehntausende begeistert zugejubelt hatten. Und so komponierte er in diesem Sellbstvertrauen seine wohl anspruchsvollste Symphonie, so anspruchsvoll, dass er sie für 20 Jahre in der Schublade verschloss. So anspruchsvoll, dass Franz Schalk, als er1893 als Opernkapellmeister in Graz die Symphonie zur Uraufführung brachte, sie mit zahlreichen Änderungen und Kürzungen aufführte, um sie dem damaligen Publikumsgeschmack anzupassen. Erst 1935 brachte Sigmund von Hausegger mit den Münchner Philharmonikern die Originalfassng zur Uraufführung.
Im Gegensatz zu vielen anderen Dirigenten lässt Yutaka Sado nicht mit heftigen Trommelschlägen beginnen, sondern verwandelt diese in sanfte von Kontrabässen gespielte „Streichelschläge“ und fährt mit leisen, langgezogenen Akkorden der Geigen und Bratschen fort, um dann um so wuchtiger die Bläser und Trommler als Kontrast einzusetzen. Dieser Beginn ist typisch für die ganze Symphonie, die einem Parforceritt durch alle nur möglichen Kompositionskontraste gleicht. Sado dirigiert diese Kontraste fein ziseliert, arbeitet jedes Detail wie ein filigranes Kunstwerk heraus und führt das Publikum mit Hochspannung in die volle Klangschönheit dieser schwierigen Symphonie.
Begeisterter Applaus und eine Rose für den Dirigenten!
Foto (vom Fernsehschirm aufgenommen) mit den wichtigsten Sängern und Sängerinnen der Produktion. Es fehlte die Angabe der einzelnen Namen der Künstler.
Lyrisch-komische Oper . Libretto von Sergej Prokofjew und Mira Mendelson. Musikalische Leitung: Dmitry Matvienko, Inszenierung: Damiano Michieletto.
Mit Evgeny Akimov, Petr Sokolov, Stacey Alleaume, Elena Maximova, , Vladimir Dmitruk, Anna Goryachova und andere.
Damiano Michieletto ist auf komische Opern spezialisiert, unter anderem inszenierte er im Theater an der Wien Rossinis Otello. In Prokofjews Werk sieht der Regisseur eine Mischung aus Opera buffa und Commedia dell`arte. Mit Witz und Freude an leicht absurden Szenen verspricht Michieletto einen unterhaltsamen Opernabend zu inszenieren.. Nach zahlreichen Kleiderwechseln und Irrtümern finden die richtigen Paare zusammen und es gibt eine Dreierhochzeit. Mit dem italienischen Regisseur bekommt die Oper italienisches Tempo und Witz, mit dem russischen Dirigenten Matvienko den russischen Pfeffer in der Musik.
Das Publikum darf sich auf eine amüsante Neuentdeckung freuen. Première ist am 25. März 2025
Seit 125 Jahren war „Iolanta“ nicht mehr an der Wiener Staatsoper zu sehen. Nun hat sich Direktor Bogdan Roscic zum Ziel gesetzt, zu Unrecht vergessene oder vernachlässigte Werke zur Aufführung zu bringen. Allerdings war am Theater an der Wien „Iolanta“ gleich zweimal zu erleben, 2011 und 2019. Und jetzt auch in der Volksoper Wien, gekoppelt mit „Nussknacker“. Leider ist diese Kombination als wenig geglückt.
„Iolanta“ ist Tschaikowskis letztes Werk. Er ließ in dieses Märchen ( nach der Dramenvorlage von Henrik Hentze) viel von seiner durch den niederländischen Philosophen Spinoza beeinflussten Denkweise einfließen. So etwa, dass man Körper und Seele nicht voneinander trennen kann. Diese These -so der russische Regisseur Evgeny Titov in der Matinée – ließ er in die Rolle des Arztes, gesungen von Attila Mokus, einfließen, der Iolanta von ihrer Blindheit heilen soll. Er erklärt dem Vater Iolantas, dass Heilung nur möglich sei, wenn Iolanta es wolle. Gegen ihren Willen könne er sie nicht behandeln. Es gehe also um Willensfreiheit, die Kraft der Liebe und um die Frage, was wir subjektiv von der Welt wahrnehmen. Wie sieht die Innenwelt der blinden Iolanta aus?
In der Matinée stellten sich mit Arien aus „Pique Dame“ (Tschaikowski) vor: Sonya Yoncheva, Dmytro Popov, Boris Pinkhasovich, Attila Mokus, Daria Sushkova.
Man darf auf eine interessante Inszenierung und auf neue, an der Wiener Staatsoper noch unbekannte Stimmen gespannt sein.
Ein Text, der kühler, distanzierter nie geschrieben und nie gelesen ward. Das Ich -die Erzählerin – die Schwester, die Halbschwester, die Kinder – alle ohne Namen: Sie, es, Mutter, Schwester, Halbschwester. Distanz ist die Haltung, die durch die Erzählung geht und auf die Leser einwirkt. Kühl erzählt die Autorin, will aufschreiben, was das unvermutete und späte Auftreten einer bisher unbekannten Halbschwester mit ihr macht. Die Halbschwester geistert zur Zeit auch durch andere aktuelle Romane, wie in Eliszabeth Strouts Erzählung, Am Meer oder Norbert Gstreins jüngstes Buch, Vier Tage, drei Nächte. Warum gerade in und nach der Pandemie die Frage, Suche nach einer Halbschwester durch die Literatur geistert, ist nicht wirklich erklärbar. Suche nach Familie, Aufdecken von Familiengeheimnissen? Julia Schoch umkreist die Frage ohne Antwort. Mal schreibt sie über ihre Kindheit in der DDR, erzählt die Geschichte der Mutter. Dann wieder ist sie in ihrer Gegenwart. Diese schweifende, kreisende Erzählweise, macht es den Lesern nicht leicht, den Gedankensprüngen und Zeitensprüngen zu folgen. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum das Auftauchen dieser Halbschwester die Erzählerin so aus dem Gleichgewicht bringt, zumal sie ja nichts unternimmt, um diese Frau kennenzulernen.
Sie, die Icherzählerin, ist aus der Bahn geworfen, alles irritiert sie, ihre Ehe, ihr Mann, am meisten ihre leibliche Schwester. Erinnerungen aus der gemeinsamen Kindheit in der DDR halten nicht als Leim, Kitt stand. Sie versucht, ein Puzzle aus den Erinnerungen zusammenzustellen und muss feststellen, dass im Rückblick vieles nicht stimmt. Wenn sich Erinnerungen als falsch oder unsicher herausstellen, was bleibt von dem Menschen – das scheint das Grundproblem dieses „Romans“ zu sein. Da erweist sich die (halbherzige) Suche nach der Halbschwester als ein geeignetes „Verschleppungsmanöver“, das von den Grundfragen ablenkt.
Ein interessant geschriebenes, sprachlich ausgefeiltes Buch, aber doch recht seltsam, wie die ganze Familie. Ein Buch, in dem am Ende die Erzählerin sich die Frage stellt:: „Was soll das sein, ein normales Leben?“ (181) Und Ironie des Ganzen: Genau das beschreibt Julia Schoch – ein ganz normales Leben!
Julia Schoch, Das Liebespaar des Jahrunderts. Biographie einer Frau. Teil 2
Eigentlich sollte der Untertitel „Biographie einer Familie“ lauten. Denn die Autorin geht in Ichform der Entwicklung nach, wie aus der „großen, unterschütterlichen Liebe“ eine ganz normale, triviale Alltagsgeschichte wird. Wie die innige Zweisamkeit der Jungend in eine zweckorientierte Gemeinsamkeit sich langsam, zunächst unmerklich wandelt. Was schon oft dokumentiert, in vielfältigster Form literarisch verarbeitet wurde. Mal voller Klischee, mal kitschfrei. Wie eben in diesem Werk. Schochs kühle, analytische Art schafft Distanz. Sie betrachtet, analysiert, was die Jahre, die Gewöhnung mit ihnen, dem Mann und der Frau, gemacht haben. Sie beginnt lakonisch: „Im Grunde ist es ganz einfach: Ich veralsse dich“, um am Ende des Romans zu überlegen, ob es nicht doch besser wäre zu heiraten. In der Liebe, in der Zweierbeziehung ist nichts logisch. Auch wenn der Mann im jugendlichen Überschwang meint, ihre Liebe sei gegen Trennung gefeit. Denn statt sich zu trennen, genüge es, miteinander vernünftig zu reden. „Nur Idioten denken, die Liebe sei kompliziert“, sagte er. Und sie schloss daraus, sie werden „das Liebespaar des Jahrhunderts“ sein. Eben weil sie wussten, wie idiotisch Trennungen seien. Was die beiden zusammenhält, ist die Unverbindlichkeit ihrer Beziehung. Heiraten – nicht nötig. Karriere ja, aber nicht immer auf gemeinsamem Weg. Das geht solange gut, bis Kinder kommen. Dann schlägt die Organisation des Alltags zu, und das Paar merkt nicht, wie die Distanz zwischen ihnen immer größer wird. Dazwischen immer wieder Rückblicke: „Wie glücklich ich war, wie schön wir es hatten!…Die Gegenwart, das waren du und ich!“ (S23)
Julia Schoch gelingt es, völlig abseits vom Klischee, über alle Formen der Liebe, des Vertrautseins, des inneren Auseinandergehens, des Wiederzueinanderkommens mit ungewissem Ausgang zu erzählen. In klarer, unverstellter Sprache ohne literarische Überfrachtung oder modische Erzählattitüden liegt hier eine intelligente Analyse der heutigen Gesellschaft, wie sie sich in der Familie manifestiert, vor.
Julia Schoch, Wild nach einem wilden Traum. Biographie einer Frau, 3. Teil
Nun also der 3. Teil dieser „Romanbiographie“ einer Frau. Ein wildes Cover, passend zu dem Titel, macht neugierig. – Und man legt den Band enttäuscht weg. Denn während des Lesens entsteht der Verdacht, dass die Autorin hier „Reste“ einsammelt. Da und dort liegen Gebliebenes, Zettel und verschwommene Gedanken, die sie in den beiden vorangegangenen Bänden schon mehrmals griffig ausformuliert hatte. Neu ist, dass die Icherzählerin sich eingesponnen fühlt zwischen drei Männern – dem sexbetonten und lebens- und schreibtüchtigen Catalanen. Mit ihm geht es schnell zur Sache, ins Bett. Warum ihr immer wieder die Erinnerung an einen ehemaligen DDR-Soldaten dazwischen kommt, lässt sich nicht aufschlüsseln. Und ach ja, da gibt es ihren Mann, nicht Ehemann, sondern nur Mann. Und unvermeidbar – die Schreibkrise. Sie hat sich in ein Schreibseminar eingeschrieben, mit der Absicht, ihre Dissertation zu beginnen. Doch das Thema interessiert sie nicht mehr. Schreiben will sie. Doch worüber? – Das ist das Thema und die unbeantwortete Frage des 3. Bandes.
Inszenierung: Jacqueline Kornmüller. Musik: Johanna Doderer und Johann Strauss
„Eine verbotene Liebe wird Theater“ heißt es auf dem Programmzettel. Die Liebesbriefe zwischen Johann Strauss und der adeligen Olga Smirnitskaja sind die Grundlage für Jacqueline Kornmüllers Inszenierung, kompletiert mit den Briefen Olgas an Johann, geschrieben von Milena Michiko Flasar. und Texten des Musikwissenschaftlers Thomas Aigner und Christian Sauers.
Musiker und Musikerinnen spielen unermüdlich auf der weiten, leeren Bühne, bis sich Peter Wolf in der Rolle des Wissenschaftlers Thomas Aigner aus dem Hintergrund löst und erzählt, wie er die verschollen geglaubten Briefe in der Rathausbibliothek Wiens gut verschnürt in einer Schachtel fand. Dann beginnt das Liebesdrama zwischen Johann Strauß – glaubhaft und dem heutigen Straussbild authentisch angepasst gespielt von Christian Nickel – und der jungen, schönen Mara Romai als Olga. Geschickt nützt die Regie die Weite der Bühne, um die Distanz zwischen Johann und Olga, die selbst die starke Liebe nicht überwinden wird, zu thematisieren. Sie begegnen einander nur an gesellschaftlichen Anlässen, wagen kaum ein Wangenküsschen oder Heimlichkeiten. Das wache Auge der Mutter Olgas (streng und stumm Miriam Mercedes Vargas) verhindert Nähe. Und doch – die Briefe sprechen eine deutliche Sprache von kaum bezähmbarer Leidenschaft. Besonders Olga strahlt vor Entschlossenheit. Johann ist ein Zauderer, letztendlich ein Feigling – er duckt vor seiner allesbeherrschenden Mutter, vor Olgas Eltern. Olga wäre bereit mit Johann zu fliehen, das Wagnis einer unsicheren Zukunft auf sich zu nehmen. Amor in Person der reizenden Freundin Olgas (Laura Schlittke) fungiert als Postillon d`amour. Doch letztendlich siegt die gesellschaftlliche Norm – Johann wird nach Wien zurückkehren und sich den Anordnungen einer Mutter beugen, Olga wird in einen Zug mit unbekanntem Ziel verfrachtet. „Was ist von unserer Liebe geblieben, fragt sie in einem ihrer Briefe – Fensterblicke und Fensterküsschen“.
Um diese letztendlich banale Geschichte einer gescheiterten Liebe Tiefe und theatralische Wirksamkeit zu verleihen und sie aus der Kitschgefahr zu retten, bedient sich Jaqueline Kornmüller der Musik und vor allem einer fast therapeutisch- meditativen Langsamkeit. Wenn sich Olga im weißen, später im schwarzen, Pauline im rosa Reifrock (Bühne und Kostüme ebenfalls Jacqueline Kornmüller) in sanften, in sich ruhenden Bewegungen drehen, dahinter starr und stumm die Mutter im schwarzen Reifrock die Tochter bedroht, an den Rändern die Musikanten eine Mischung aus Johann Strauss und Joanna Doderer spielen – dann entstehen Bilder jenseits von Zeit und Raum. Etwas bemüht wirken die Einschübe über das Wetter. speziell über die verschiedenen Arten von Regen. Denn es heißt, dass der Melancholiker Strauss am besten bei Donner und Blitz komponieren konnte. Alles in allem ein Abend, der sicher eine hohe künstleriche Latte für die zahlreichen noch zu erwartenden Darbietungen im Straussjahr 2025!
Bearbeitung von Nils Strunk, Lukas Schrenk und Ensemble. Untertitel: The opera but not the opera
Ausgangssituation: Ein kleines Varietétheater irgendwo in den Landen ist pleite. Sie brauchen dringend einen Publikumshit, der die Kassen füllt. Was eignet sich da besser als der gute Mozart – mit dem lässt sich ja alles machen, wie man weiß. Also packt die Gruppe in die klassische Oper Songs von heute, Beatles, Falco, Cohen und was es sonst noch Wohlfeiles auf dem Schlager- und Popmarkt gibt. Gemischt mit Mozarts Musik, ein wenig geschüttelt und gerührt und in eine andere Tonart versetzt – und schon wäre die Gaudi fertig! Aber was machen mit dem Personal und der vertrackten Geschichte mit Göttern, Helden und Prüfungen? Und der Liebe? Geht das heute noch so? Nicht wirklich – ein bisserl, ein bissserl viel muss da schon geändert werden – Richtung: alle Figuren heißen wie bei Mozart, aber bekommen eine leicht perfide Schlagseite. Papageno ist kein einfältiger Simpel, wohl eher ein Tierquäler, der mit den Vögeln möglichst viel Geld verdienen will. Pamina fragt sich, warum und ob sie diese Transuse von Prinzen lieben soll und kann. Sarastro ist nicht der erhabene Gesetzesverteidiger, er befiehlt, als gehöre ihm die Welt. Und die Königin der Nacht? Die marschiert im Gothicaufzug als beleidigte Leberwurst über die Bühne. „Schön“ singen geht gar nicht – eher ist alles Parodie, Gunther Eckes gibt den unbeholfenen Tamino,Tim Werths den zwielichtigen Papageno, Lilith Häble die skeptische Pamina, Katharina Pichler die aggressive Gothic-Königin, Wofram Rupperti einen Sarastro zwischen Biedermann und Brandstifter, Annemaria Lang eine rührend-zärtliche Papagena und alle genannten Frauen zusammen die drei dreist-kecken Damen. Durch und durch unterstützt werden die Sänger und Sängerinnen von Nils Strunk und seinem Ensemble.
Eine Riesengaudi alles zusammen. Der vom Varietétheater erhoffte Erfolg und Geldstrom traten ein: Volles Haus und viel Applaus. Allerdings eine schüchterne Warnung sei angebracht: All diejenigen, für die „Die Zauberflöte“ die geheiligte Superoper schlechthin ist, bleiben besser zu Hause.
Gesehen wurde die 26. Vorstellung am 30. November 2024
Musiktheater für die ganze Familie. Musikalische Leitung: Alfred Eschwé. Regie: Lotte de Beer. Choreographie: Andrey Kaydanovsky, Bühnenbild: Katrin Leo Tag. Kostüme: Jorine van Beek
Wer die Oper „Jolanthe“ schon einmal gesehen hat – zum Beispiel in der ausgezeichneten Inszenierung im Theater an der Wien, dem ist ein ganz besonderer Zauber in Erinnerung: Jolanthe, die blind geborene Königstochter, ist sich ihrer Blindheit nicht bewusst. Dafür sorgt ihr Vater. Er umgibt sie mit einem duftenden Garten, mit blühenden Blumen und den schönsten Dingen. Niemand darf der Tochter von „Farben“ reden. Jolanthe ist nicht unglücklich, da sie ja von ihrem Gebrechen nichts weiß. Bis eines Tages die Liebe sie die Wahrheit „sehen“ lehrt…Tschaikowski hat in diese Musik alle Zärtlichkeit, die ein Vater für seine Tochter empfindet, gelegt. Zu den schönsten und innigsten Szenen gehört die Begegnung zwischen Jolanthe und dem Prinzen. Durch ihn erfährt sie von der Welt, für ihn ist sie bereit, sich einer Behandlung zu unterziehen. Und wie es im Märchen so sein muss: Sie wird geheilt!
Nun hat Lotte de Beer wohl gedacht, diese Oper sei irgendwie zu wenig, die muss mit Ballett aufgepeppt werden. So lässt sie die blinde Jolantha vom Nussknacker träumen, sieht sich selbst bedroht von dämonischen Männern, die sie in einer grausamen Szene fast vergewaltigen. Dazwischen tanzen die Mäuse oder einfach Figuren im weißen Ballettröckchen. Dass die Choreographie sehr einfach ausfällt, ist wohl dem unseligen Einfall zu verdanken, den Boden schräg zu stellen – eine Idee, die man vor etwa 20 Jahren landauf und landab strapaziert hatte und von der man Gott sei Dank bald abgekommen ist, da darunter die Gelenke leiden und sich für das Stück kein Mehrwert ergibt.
Nun also Jolanthe – sie sitzt oder schläft auf dem schrägen Bühnenboden. Dunkle braune Wände umstehen sie im Halbkreis. Vater und Personal sind im grauen Alltagsgewand. Nichts ist über geblieben von der Grundidee Tschaikowskis. Aus dem blühenden Garten wurde eine triste Umgebung. Da helfen auch die eingeschobenen Ballettszenen nichts. Sie halten zumindest die Kinder wach. Peinlich wird dann die ganze Szenerie, wenn Graf Vaudemont sie „im blühenden Paradiesgarten“ schlafend entdeckt und sich in sie verliebt. Da klaffen Musik, Text und das Geschehen auf der Bühne ganz gewaltig auseinander.
Gesungen wird Jolanthe von Natalia Tanasii – ordentlich, ohne Zauber in der Stimme. Zweimal vertanzt wird die Rolle der Jolanthe von Tessa Magda und Anika Mandala. Alexander Fritze als streng-besorgter Vater mit seinem schönen Bass klingt überzeugend. Aber in seinem mausgrauen Anzug verliert er viel an Persönlichkeit. Ganz und gar nicht Prinz und noch weniger Liebender ist Jason Kim als Graf Vaudemont. Alle übrigen Figuren passen sich gut an das graubraune, triste Ambiente an. „Musiktheater für die ganze Familie?“
Eva Duda Dance Company versteht sich als „VISUELLES TANZTHEATER-AUSSTELLUNG TANZENDER BILDER2
Mit „FRIDA“ präsentiert sich die Gruppe erstmals in Wien. Dass sie nur zweimal (am 6. November das 2. und letzte Mal) auftritt ist schade. Die Prmière am 5. November war ausverkauft und ein voller Erfolg.
In getanzten Bildern führen die Tänzer das Publikum durch das Leben Frida Kahlos, ohne jedoch eine platte Biografie abzuliefern. Anspielungen auf ihr Leben werden durch eingeblendete Titel erklärt. Wie zur Auflockerung und um sich in die Lebensfreude Mexikos hineinzutanzen wirbeln Tänzer und Tänzerinnen in ihren roten Kostümen über die Bühne. Doch schlagartig bricht über Frida (wunderbar getanzt von Eleonora Accalai) der Schmerz herein; Schwer verletzt wird ihr „broken body“ in ein Mieder gepresst. Doch ihr Lebenswille ist ungebrochen und schon ist sie wieder im Leben und verliebt sich in Diego Rivera (Diego Tiborkovats, der sich humorvoll in die plumpe Figur des Malers einfügt), Köstlich die Hochzeit (Titelfoto), zunächst alles gut, bis der Frauenheld sich an das nächst greifbare Mädchen macht. Ein tief in der Seele sitzender Schmerz wird zum Trauertanz, als Frida „childless“ bleibt. Rivera amüsiert sich mit anderen Frauen. Das geht gar nicht – da muss geschieden sein. Aus den dunklen Wintermänteln dampft die Kälte der Trennung.
El dia de los muertos , Foto:Tamas Leko.jpg
In skurrilen, humorvollen Tänzen feiert die Gruppe den „dia de los muertos“ und zugleich den Tod Fridas. Im Schlusstableau wird die Tänzerin mit Schmuck und lebensbunten Kleidern zur „Ikone Frida“ dekoriert, zu der die Malschon zu Lebzeiten geworden war.
Eva Duda setzte in einer lebensstrotzenden Choreogaphie die Schmerzensgeschichte der berühmten Malerin mit Feingefühl um. Das Publikum dankte ihr dafür mit begeistertem Applaus.
Inszenierung, Bühne und Kostüme: Herbert Fritsch. Musikalische Leitung: Simone Young. Licht: Friedrich Rom.
Titelfoto: Hamm/Philippe Sly und Clov/Georg Nigl, Foto: Wiener Staatsoper-Sofia Vargaiová.jpg
UNGLAUBLICH wie Musik, Gesten und Choreographie taktgenau aufeinander eingespielt sind,den Text wörtlich nehmen und zu einer Art Slapstick-Komödie werden lasssen. Keine Langeweile, kein Zwang zur Interpretation! Absurdität lässt sich nicht erklären, ist frei von Moral oder Deutung! Herrlich, man kann einfach den Un-Sinn genießen, muss nicht nach dem tieferen Sinn fragen. Für Regisseur Herbert Fritsch das, was der Wiener „a gmahte Wiesn“ nennt. Er kann sich an Einfällen austoben – und es fällt ihm viel zu diesem verrückten Text und dieser Partitur ein!
Als Samuel Beckett „Fin de Partie“, diese Ikone des absurden Theaters, in den späten 50er Jahren schrieb, da tobte in Paris der Existentialismus, der Surrealismus, der Kommunismus – alle zusammen und alle gegeneinander. Die Welt war alles andere als verstehbar. Beckett war der Star unter den Schriftstellern und fühlte sich nicht berufen, sie zu deuten. Als György Kurtag „Fin de Partie“ das erstemal in Paris Ende 1950 sah, war er von dem Text elektisiert. Über Jahre komponierte er an der Oper, übrigens seine erste Oper überhaupt, bis sie endlich 2018 an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde.
Was durchgehend auffällt, dass Gesten und Musik einander komplimentieren. Fritsch nennt es eine „Gestenpartitur“. Simone Young gelingt es, die einzelnen Musikzellen genau auf die Handlung, die Gestik abzustimmen. Man könnte mit geschlossenen Augen verstehen, was auf der Bühne vorgeht. Die Musik hat Witz und strotzt nur so von Einfällen. Sie ist nie laut, vordrängend, immer eins mit dem Bühnengeschehen. Ein weißer Raum mit Licht- und Schattenwirkungen, die nicht von außen kommen – denn ein „Außen“ scheint nicht zu existieren -, bildet den nüchternen Rahmen, in dem die vier Personen die Sinnlosigkeit des Lebens besingen.
Georg Nigl als Clov. Foto: Wiener Staatsoper -Michael Poehn.jpg
Was die Sänger nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch leisten, ist bewundernswert. Den Reigen des Absurden eröffnet Clov (Georg Nigl) mit seinem Leitertanz. Souverän in Stimme und absurder Pantomime wird er den Diener des blinden und gelähmten Hamm mimen. Seine Unterwürfigkeit ist vorgetäuscht, darunter lauert die Bösartigkeit. Am Ende wird er Hanm verlassen.
Nell/Summers und Nagg/Workman. Foto: Wiener Staatsoper-Michael Poehn.jpg
Die Eltern Hamms haben bei einem Radunfall die Beine verloren. Der mitleidlose Sohn hat sie in zwei Mülltonnen gesteckt, aus denen nur die Köpfe herausschauen. Was Charles Workman als Nagg und Hilary Summers als Nell in diesen schwierigen Rollen stimmlich und pantomimisch leisten, das grenzt ans Unglaubliche! Ihre Eheszenen, besonders die Kussszene, sind Glanzleistungen des finsteren Humors.
Sly/Clov, Nigl/Hamm. Fotos: Wiener Staatsoper-Michael Poehl.jpg
Stimmlich und darstellerisch verlangt die Rolle des Hamm dem Sänger sehr viel ab. Philippe Sly gelingt es, den Armen nicht zu erbärmlich, den Herrischen nicht zu hart erscheinen zu lassen. Er braucht ja Clov, nicht nur wegen seiner körperlichen Gebrechen, sondern auch als Zuhörer, wenn er seinen „Roman“ weiterspinnt. Vor allem aber sehnt er sich nach Nähe. Am Schluss wird Hamm einsam zurückbleiben, und Clov reisefertig mit Hut und Koffer ungerührt am Rande stehen.
Ein großartiger Abend, den das Publikum mit begeistertem Applaus aufnahm. Besonderen Applaus erhielt Simone Young, die mit sicherer Hand das Orchester der Wiener Staatsoper durch diese anspruchsvolle Partitur dirigierte.
Aus dem italienischen neu übersetzt von Ingrid Ickler
Der Originaltitel „La Vacanza“ gibt besser wieder, was Dacia Maraini in diesem Roman vermitteln will: In „Vacanza“ steckt das lateinische Wort „vacuum“ – das Leere. Vacanze-Ferien – bedeuten für Italiener in erster Linie Ferien am Meer, auch frei sein von Verpflichtungen – aber immer schwingt der Gedanke an Langeweile, Leere mit.
Nicht immer ist Langeweile positiv. Jedenfalls nicht für die vierzehnjährige Anna und ihren um einige Jahre jüngeren Bruder Giovanni. Das Jahr über sind sie im Internat, von strengen Schwestern mit Argusaugen bewacht. Dann endlich kommt der Tag, an dem sie ihr lebenslustiger Vater auf seinem Motorrad abholt und in das Haus am Meer bringt, wo sie Nina erwartet, die die verstorbene Mutter ersetzen soll. Was nicht so recht klappt. Denn mehr als die Pasta ihnen vorzusetzen schafft sie nicht. Meist ist sie müde. Also verbringen Anna und Giovanni die Tage am Strand. Es ist Krieg, die Flugzeuge fliegen Richtung Rom. Mussolini ist am Ruder. Anna langweilt sich. Aus Langeweile lässt sie sich von einem alten Lustmolch einladen, lässt sich emotionslos von ihm betatschen und steckt ebenso emotionslos Geld dafür ein. Sie registriert alles um sich herum, nimmt es mit fast fotografischer Genauigkeit wahr – bleibt aber von allem unberührt. Sie lässt sich ebenso emotionslos von pubertierenden Buben betatschen, – nichts kommt wirklich an sie heran. Nina und ihrem Vater gegenüber bleibt sie verschlossen. in Beobachterposition. Mit kalten und kritischen Augen betrachtet Anna die Erwachsenen, weiß ihre Lügen zu entlarven, bleibt aber immer unbeteiligt. Als die Ferien enden, kehren Anna und Giovanni wieder ins Internat zurück . Alles so wie es war.
Dacia Maraini schildert mit erschreckender Nüchternheit und fast zwanghaftem Hang zur Genauigkeit die sich täglich wiederholdenden Abläufe dieser leeren Tage der Ferien. Krieg ist bedeutet maximal Gesprächsthema. Die Angst davor wird kleingehalten, man spricht sie nicht aus, findet Ruhe im endlosen Kartenspiel .
Erschreckend ist die Kälte, die von diesem Roman ausgeht!
Regie und Textfassung: Christine Wipplinger, Puppen & Kostüme: Annemarie Arzberger und Lisa Zingerle, Bühne: Angela Konzett. Live-Musik und Komposition: Jana Schulz. Mit Angelo Konzett und Markus Peter Gössler.
Alle Fotos: Barbara Palffy. Titelfoto: Angelo Konzett als Kilian Hupka und der zukünftige König von Astoria im Strampelanzug
Egal ob 1930 oder 2024 – die Aufführung im Schuberttheater wirkte wie aus der Zeit der 30er Jahre herausgeschnitten, als hätte Jura Soyfer selbst Regie geführt: Auf der kleinen Bühne mussten und müssen damals wie heute griffiger Text und Musik fehlende finanzielle Mittel ersetzen. Genau dieses Manko macht den Charme der Aufführung aus. Nicht zu vergessen das Publikum. Man lachte, aber nie nicht an falschen Stellen, wußte die Anspielungen auf die Jetztzeit richtig zu deuten.
Zwei Schauspieler und mehrere Puppen führen in eine Zeit der Not und Arbeitslosigkeit in der Zwischenkriegszeit. Die Mischung von Schauspielern und Puppen ist äußerst reizvoll. In ihrer Ausweglosigkeit beginnen zwei Landstreicher (Angelo Konzett und Markus Peter Gössler) von einem Land zu träumen, wo alles „leiwand“ ist. Keine Arbeitslosen, freundliche Leut` rundum. Sie nennen es Astoria. Kraft ihrer Phantasie wird die bittere Wirklichkeit vom schönen Schein des immaginierten Landes Astoria verschluckt. Doch der schöne Schein entpuppt sich als Land der Korruption, der Maßlosigkeit und der Spekulanten, die an ihrer eigenen Gier zugrundegehen. Das Land zu lenken hilft der Landstreicher Kilian Hupka (Angelo Konzett gestaltet ihn mit Charme und der nötigen Hinterfotzigkeit). Der Witz dabei: Aus dem armen Hupka wird ganz schnell ein ziemlich perfider, kalt berechnender Schurke, der Astorias dümmlichen Scheinkönig nach Lust und Laune manipuliert. Ebenso die Aktionäre, denen er ein X für ein U vormacht und ihnen leere Luft verkauft.
Am Ende steht Astoria vor dem Ruin, aber der Scheinkönig -nun vom Baby zum Gekrönten gewandelt – hält eine flammende Rede auf den Untergang. Die Parallelen zu heute müssen nicht extra angeführt werden – sie sind glasklar.
Die Magie der Puppen – hochprofessionell bespielt von Markus Peter Gössler, der auch den zweiten Landstreicher spielt, und Annemarie Arzberger- schlägt wie immer das Publikum in den Bann: Scharfwitzig die Wandlung des kleinen, quengelnden Alten im Strampler zum arroganten König li oben).
Ihm treu ergeben die rätselhafte „Gräfin“ Foto oben, die ihrem dümmlichen Ehemann den Wunsch nach einem eigenen Staat partout erfüllen will. Hupka wird ihr Erfüllungsgehilfe. Warum sie für den alten Trottel eine derartige „Passion“ empfindet, weiß man nicht so genau. Spiegelt sie vielleicht das politische Verständinis der Frau damals wider? Wenn das so ist, dann hat Jura Soyfer dieses für gleich Null eingeschätzt.
Wie auch immer – mit dieser kulinarisch exzellent aufbereiteten Aufführung wäre Soyfer sicher sehr zufrieden gewesen. Aufführungen wie diese lassen hoffen, dass Theater noch immer bedeutet: Das Publikum in den Bann ziehen – und nicht, wie vielerorts geschieht, es mit politischer Performance langweilen. Eine Message – ob politisch oder sozialkritisch – kann durchaus auch vergnüglich sein, wie dieser Abend zeigt. Satire, Ironie und scharfer Witz sind allemal besser als langweiligs „Erziehungstheater“.
Fuhr man noch vor einigen Jahren nach Sopron nur zur Zahn- oder Kosmetikbehandlung und am selben Tag wieder retour, so lockt heute die Gegend zwischen Sopron und Bük zum Verweilen.
Fagushotel -Parkseite
Die Unternehmensgruppe „Adventor Hotels“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Hotels an strategisch gut gelegneen Plätzen, die in die Jahre gekommen waren, zu renovieren.Denn es gilt die Vergangenheit in neuem Gewand zu entdecken. Frisch hergeputzte und auf den letzten Stand gebrachte Hotels wie etwa das Fagus Hotel in Sopron (www.fagushotel.hu) machen den Aufenthalt zum erholsamen Urlaub. Es liegt eingebettet zwischen den bewaldeten Hügeln des Lövérek Erholungsgebietes. Der Park mit alten Bäumen geht in den Wald über.Die geräumigen, hellen und mit allem Komfort ausgestatteten Zimmer mit Balkon schauen auf den Park. Kinder turnen auf dem abseits gelegenen Spielplatz herum oder plantschen und schwimmen mit den Eltern im Spa-Bereich. Das Sportbecken hat angenehme 26°, das Warmwasserbecken mit Massagedüsen (kein Thermalwasser!) circa 34°. (Beide nur im Innenbereich). Da auch Tagesgäste zugelassen sind, kann es an Sonnentagen manchmal etwas eng werden.
Hotel Fagus Romantischer Teich im ParkStille Stunden am Teich
Sopron – eine Neuentdeckung
In den 1980er Jahren wurde das Zentrum Soprons aus den Trümmern und Resten, die ein neunmaliges Bombardement übergelassen hatte, wieder aufgebaut. Und siehe da- ein Schmuckstück kam zum Vorschein.
Spuren der RömerHauptplatz mit DreifaltigkeitssäuleSchmale Gassen
Wie könnte es anders sein – die Römer waren da und nannten die Stadt Scarbantia. Sie hinterließen eine mit starken Mauern befestigte Stadt, die im Mittelalter erweitert wurde. Magyaren und Juden siedelten sich an, die Türken konnten abgewehrt werden. Die Habsburger verpassten der Stadt einen neuen Look. Spaziert man durch die Gassen mit den barocken Bürgerhäusern, dem Hauptplatz mit Stadtturm und Dreifaltigkeitssäule, fühlt man sich wie in einer österreichischen Kleinstadt. Die österreichische Vergangenheit wird nicht ausradiert, sondern mit zweisprachigen Straßenschildern betont – eine Seltenheit in Ungarn!
Zwischen den mächtigen Resten der Stadtmauer schmiegen sich idyllische Cafés aus der Jahrhundertwende, wie etwa das Café Zwinger, kleine Gaststätten und mittelalterlich anmutende Wohnhäuser.
2009 siedelte sich die österreichische Schokoladenmanufaktur Harrer (http://www.feine-schokoladen.com) etwas außerhalb von Sopron an. Mit dem modern-kühnen Stil beeindruckt das Gebäude schon von außen. Im Inneren locken Schokoladen in allen Varianten: Mit Chilli, Gemüse wie Rote Rüben oder mit Blumen. In ganzen Tafeln, als Kugeln oder Bruch. Dazu feine Torten, Eis in allen Varianten und natürlich Kakao in verschiedensten Geschmacksrichtungen. Wer genau wissen will, wie und wo was produziert wird, kann eine Führung durch die Manufaktur buchen. Man erfährt detailliert den mühevollen Weg von der Kakaobohne bis zur Schokolade.
Verführung purVergiß die Kalorien, genieße!Auch so kann Schokolade aussehenAm WeinfestBaumkuchen sind begehrtWeinprobe
Das Land um Sopron ist natürlich auch bestes Weinbaugebiet (www.soproniborvidek.hu) Im Herbst wird überall gefeiert, gern auch in Sopron. In Zelten bieten diverse Anbieter Wein von verschiedenen Herstellern, Bier, Liköre, Süßigkeiten wie Baumkuchen, viel Fleisch und Wurst an- die Feststimmung ist gut, Groß und Klein feiert und genießt.
Schloss Esterházy in Fertöd
25 km von Sopron entfernt liegt das prunkvolle Schloss Esterházy – Fertöd (www.eszterhaza.hu). Vom kunstvoll geschmiedeten Eingangstor schaut man beeindruckt auf das weite Rundeau mit dem Teich, den Blumenrabatten und dem Brunnen. Der Haupttrakt mit den mächtigen Seitenflügel rahmt wie ein Riesenhufeisen das Parterre ein. Die Rokokoarchitektur spiegelt die Lebensfreude seines Erbauers Fürst Nikolaus I. (1740-1790) wider. Da er Prunk und Pracht liebte, baute er das schon bestehende becheidene Jagdschloss zu einem „petite Versaille“ um. Sein Motto: „Was der Kaiser kann, kann ich auch!“ Große Feste, Bälle, Jagden und Gelage waren an der Tagesordnung. Für die illustren Gäste wie Maria Theresia und ihrem „Franzl“ spielte natürlich Joseph Haydn auf.
Der Ballsaal
Das Schloss ist heute im staatlichen Besitz und wurde fachmännisch restauriert. Keine falschen Stilmöbel, die so ungefähr in die Zeit passen könnten, stören. Was vorhanden ist, reicht für einen bleibenden Eindruck. Wie etwa der große Ballsaal mit den Figuren der vier Jahreszeiten des Wiener Bildhauers Johann jossef Resler. Von der Decke strahlt der Gott des Lichtes, der Kunst: Apollo! Er ist der Herrscher des Raumes. Wenn das Sonnenlicht durch die hohen Bodenfenster fließt, dann herrscht Apollo und verleiht dem Raum eine eigene Magie.
Wo die heißen Quellen sprudeln
Bük war und ist das Mekka für viele „Warmbader“. Die heißen Quellen helfen bei kleinen Malaisen und ernsthaften Krankheiten. Dem Ort ist ein gewisser Wohlstand anzusehen. Die ehemals grau-braunen Einfamilienhäuser strahlen in hellem Weiß, in den Vorgärten blühen Rosen und Hortensien.
Wie in Sopron so hat auch hier die Unternehmensgruppe „Adventor Hotels“ ein in die Jahre gekommenes Großhotel zu einem eleganten Golf- und Spahotel umgebaut. Das Greenfieldhotel Golf & Spa ( www.greenfieldhotel.hu) erfüllt so ziemlich alle Wünsche eines anspruchsvollen Publikums. Die Zimmer sind groß und gut ausgestattet. Die Balkone sehen direkt über die Landschaft des 18-Loch Golfplatzes, dessen anspruchsvolle Architektur mit vielen Teichen und Hügeln das Können der Golfer herausfordert.
Die angestrengten Muskeln lockert man am Besten in der Therme oder lässt sich von dem gut ausgebildeten Fachpersonal kräftig durchwalken. Die Badelandschaft ist mit Innen- und Außenpools großzügig gestaltet. Obwohl das Thermalwasser schwefelhaltig ist, gibt es keine Geruchsbelästigung. Besonders angenehm ist das 25m lange Sportbecken mit 26°.( Da auch Tagesgäste Zutritt haben, wird es an Sonnentagen manchmal eng.) Vom Golfplatz ins Wasser, zum Masseur und Abends nach dem reichhaltigen Büffet mit ungarischer Livemusik vielleicht noch eine Runde Bowling.
Das unbekannte Kleinod: Köszeg (Gürs)
Köszeg, klein und wenig bekannt, hat eine große Vergangenheit. Als der türkische Suleyman der Prächtige 1532 vor den Mauern der Burg lagerte, meinte er, in einigen Tagen ist Köszeg in seiner Hand, er werde noch plündern, was geht, und dann weiterzeihen. Doch er hat nicht die Rechnung mit Nicola Jurisics gemacht. Der hielt die Burg trotz der geringen Anzahl von Soldaten ganze 25 Tage, dann zog der Prächtige ab. Seither heißt die Burg „Castel Jurisics“. Im Burghof steht seine Statue und in der Ahnengalerie hängt sein Porträt unter allen anderen wichtigen Persönlichkeiten.
Den Wohlstand hat – wie oft auch anderswo – die Stadt Maria Theresia zu verdanken. Sie siedelte hier deutschsprachige Weinbauern an, deren Nachkommen bis heute Teile des Stadtbildes mit ihren geduckten Hauerhäusern prägen. Und wie in Grinzing künden die Kränze an: „ausgsteckt is“! Nur dass hier keine Touristenmassen zu finden sind! Auch sonst ist Köszeg ein anheimelndes Städtchen: Ein Brunnen spendet nicht nur Trinkwasser, sondern auch Musik zu jeder vollen Stunde. Viele Geschäfte gibt es ja nicht, dafür aber einen Herrenfriseur im kleinsten Haus der Stadt mir gerade einmal zwei Kundensesseln. Dass in Köszeg auch ein gewisser Emmerich (Imre) Graf Festetics (1764 – 1847) als erster Wissenschaftler noch vor Mendel die genetischen Gesetze der Vererbung erkannt und formuliert hat, ist nur eine der vielen interessanten Geschichten aus Köszeg!
Da muss der Autor wohl gerade ein Esoterikseminar oder einen Aufenthalt in einem indischen Ashram avsolviert haben. Denn anders als in seinen späteren Büchern voll ätzender und witziger Gesellschaftskritik, erzählt er uns in diesem um 2008 erschienenen Roman von einem Supermann namens Durante. Wo immer der ankommt, fliegen ihm die Herzen zu, besonders die der Frauen. Er besitzt nichts außer einem klapprigen Auto und einem wundervollen Pferd.
Eines Tage betritt Durante das Haus von Pietro und Astrid, die irgendwo in den Hügeln bei Trearchi (Kleinstadt in den Marchen) in einem alten, mit Geschmack renovierten Bauernhaus wohnen. Beide verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit Weben. Das erlaubt ihnen zwar ein relativ unabhängiges Leben, aber sie müssen ordentlich viel arbeiten, um davon leben zu können. Manchmal artet die Arbeit in eintönigem Stress aus. Also: Durante betritt das Haus der beiden Weber. Keiner weiß, woher er kommt. Er nimmt sich ungefragt einen Apfel aus der Schüssel und benimmt sich auch sonst so, als wäre er eingeladen worden. Astrid ist von Durante fasziniert, Pietro weiß sofort, dass er diesen Typ nicht mag. Bald spricht die ganze Umgebung von ihm – die meisten bewundernd. Er reitet wie ein Gott, verschenkt ein wertvolles Bild und – da triftet die Geschichte ins Komisch-Unglaubwürdige ab – weckt einen Mann aus dem Koma auf.
De Carlo erzählt die Geschichte in der Ichform, aus der Perspektive von Pietro. Der entwickelt sich zum antagonistschen Gegenspieler – Realist, Skeptiker und vor allem Durante-Verächter. Besonders hasst er ihn, weil er nicht nur seine Lebensgefährtin Astrid, sondern auch deren quirlige und für Pietro äußerst interessante Schwester Ingrid aus der Lebensbahn wirft. Bald herrscht im Tal und auf den Hügeln nur ein Gesprächsthema – Durante. Was er kann, wie er schaut, wie er redet …Selbst die Hunde sind von ihm begeistert, allen voran Pietros Hund Oskar.Und ganz langsam weichen sich gewohnte Lebensformen auf – vor allem Pietro beginnt über die Eintönigkeit ihrer beider Leben nachzudenken. Ist es geistige Trägheit, die Macht der Gewohnheit, in der Astrid und er verharren? Das Weben wird zum Symbol des Eingespanntseins. Astrid reist in ihre Heimatstadt Graz zu ihren Eltern. Er bleibt allein mit seinen quälenden Gedanken und Fragen zurück. Als er Haus und Werkstatt schließt, um nach Graz aufzubrechen, fährt Durante ungebeten mit. Aus der Fahrt nach Graz wird ein Roadmovie quer durch Italien und weiter in die Schweiz…Und ab da wird die Geschichte mühselig. Die Sympathie des Lesers für Duante sinkt mit der steigenden Seitenzahl. Er fährt seine diversen Familien ab, also seine Geliebten und Kinder, die er ihnen hinterlassen hat, hält moralische Vorträge über aus seiner Sicht sinnvolle Lebensformen – bessere Sonntagspredigten Schade, bis zur Mitte war die Geschichte durchaus amüsant und manche Grundsatzfragen gut angedacht und ausformuliert.
Untertitel: Meine Wurzeln, mein Volk und unser Kampf gegen die Zerstörung unserer Heimat
Aus dem amerikaneischen Englisch von Elisabeth Schmalen und Katherina Uhlig.
Nemonte Nenquimo wird in den Stamm der Waorani im Regenwald Ecuadors hineingeboren und lebt eine glückliche Kindheit inmitten ihrer Großfamilie und den Stammesältesten. Doch die Missionare haben bereits Fuß gefaßt, die ersten Flugzeuge landen – Vorboten und Wegbereiter der Ölgesellschaften, die rigoros den Boden der einzelnen Stämme plündern, die Wälder abholzen und die Indigenen total entrechten.
Schmerzhaft ist dieses Buch zu lesen, aber auch tröstlich. Nemonte verlässt in jungen Jahren ihren Stamm, zunächst geblendet vom Einfluss der Missionare. Bald erkennt sie jedoch, dass dieser Gott der Weißen nie ihrer sein wird und sie wendet sich von der so genannten Kultur der WEißen ab, Gemeinsam mit dem Weißen Mitch Anderson und ihrem Bruder Opi beginnt sie Widerstand gegen die Zerstörung des Regenwaldes und ihrer Kultur zu organisieren.Mit einigen anderen Stämmen gründen sie einen Verein, und mit Hilfe der Medien gewinnen sie Sponsoren, werden bekannt. Und es gelingt ihnen, die Rechte für die Indigenen vor Gericht zu erkämpfen. Nemonte führt heute mit ihrem Ehemann Mitch und den beiden Kindern ein friedliches Leben inmitten ihres Stammes . Und das ist tröstlich zu wissen.
Dieses Buch ist eines der wichtigsten, die im letzten Jahr erschienen sind. Denn wir erfahren aus authentischer Quelle viel über Rituale und Glauben der Stämme des Regenwaldes. Interessantes über ihr Verhältnis zur Natur, die sie respektvoll verehren und nie plündern oder zerstören. Auch über Träume und ihre Bedeutungen, über Schamanen und ihre Kräfte spricht Nemonte direkt und offen in diesem Buch. Und vor allem wird dem Leser schmerzvoll deutlich vor Augen geführt, was Ölkonzerne, Missionare und ganz allgemein die weiße Zivilisation im Regenwald anrichtet. Und letztlich und am wichtigsten: Es gibt Möglichkeiten, sich gegen Zerstörung und Plünderung zu wehren!!
Zitat (S 225): „Ich hatte den Wald vor vielen Jahren verlassen, weil ich an die Weißen glaubte. Ich hatte ihnen vertraut, gedacht, sie seien besser als wir…Aber inzwischen wusste ich, dass sie keine Grenzen kannten, dass sie alles wollten….unsere Geschichten verändern und unser Land stehlen. Die Bohranlagen kamen unaufhaltsam näher..“
„Die Trottas waren ein junges Geschlcecht..“ So beginnt Joseph Lorenz die Lesung. Schnell ändern sich Stimme, Klima und Gestik, denn, wie es eben nur Joseph Lorenz kann, zieht er das Publikum mitten ins Geschehen hinein. Die nüchterne Schilderung der Schlacht von Solferino, in der der Soldat Joseph Trotta dem Kaiser das Leben rettete, wird zum spannenden Geschehen – „während der Kaiser sich erhob, sank der Leutnant nieder.“ wir – das Publikum – sehen auf die Hand Lorenz‘, die sich senkt und hebt – er ist Kaiser, er ist Trotta. Von da an hießen die Trottas „von Sipolje“.
In der Folge fokusiert sich Joseph Lorenz auf die Beziehung zwischen dem Vater, Franz Freiherr von Trotta und Sipolje, und seinem Sohn Carl Joseph Trotta. Wir sitzen in der Stube, die Fliegen summen, Sommer ist.. aber noch nicht für den Sohn, der sich erst der strengen Prüfung des Vaters unterziehen muss. Der Vater – ein erzstocksteifer Beamter? – Nein, so ein Bild wäre viel zu simpel – für Roth und erst recht für Lorenz! Deshalb zieht er die feinen, subcutanen Linien des Mannes nach, die ihn als scheuen, liebevollen Vater und als scheuen, aber respektvollen Herren des alten Dieners Jacques zeichnen. Zu den intimsten und berührendsten Szenen gehört die Sterbestunde des Dieners – wir sitzen mit am Bett, spüren die Hand des Bezirkshauptmannes vorsichtig auf der Hand des Dieners liegen. Die Hand – sie sagt alles über den Vater aus. Wenn er sie zum Abschied zaghaft zum Gruß hebt, aber erst dann, als der Zug schon abfährt, der Zug, der den Sohn in die Garnison an der Ostgrenze der Monarchie bringt. Dort wird er ihn besuchen, wird erahnen mehr als erleben, dass die Monarchie, seine Welt untergehen wird. Er wird müde und fassungslos vom Tod seines Sohnes hören. Alt ist er geworden, erschreckend alt. Auch das kann Lorenz – aus dem im festen Beamtensystem sicher gestützten Bezirkshauptmann und Vater wird ein Mensch, der den Boden unter sich einstürzen fühlt. Und er weiß: Der Kaiser liegt im Sterben. Und beim Klang der Totenglocken stirbt auch er.
Lorenz hat uns in die Welt der Trottas geführt, die Monarchie im Klang seiner Stimme hören lassen, ihren Untergang und Totengesang erleben lassen. Das war keine „Lesung“, wie man sie vielerortens hören kann – gut heruntergelesen und dem Text die Seele ausgeblasen. Sondern das war das Leben und Sterben eines Mannes, der in und für die Monarchie, für einen Staat lebte, an den er geglaubt hat. Das war Schau-Spiel, Lebens-Spiel!
Simeon Goshev, ein junger bulgarischer Pianist, spielte dazwischen passende Musik von Schumann, Liszt, Janacek und Schostakowitsch. Toll, aber ehrlich – Lorenz allein mit Joseph Roth und Trotta hätte vollauf genügt.
Ein Sommernachmittag am Semmering, wie bestellt – von der Wiese weht ein zart-bitterer Kräuterduft, die Sicht ist klar. Man trinkt, tratscht und nichts deutet darauf hin, dass ein Großereignis bevorsteht. Nein -kein Gewitter, aber Blitze dennoch. Die schleudert Joseph Lorenz in verschiedenster Dichte aufs verdutzte Publikum herab . Gerade aufs Podium gesprungen, dreht er sich um, als suchte er einen Kollegen…- ist er da oder ist die Luft rein? Dreht er sich um und schon ist er der Zauberlehrling, der feststellt, dass der Meister nicht da ist, dass er frei Haus hat. Der Lehrling jubiliert, befiehlt dem Besen, bis ihn die schiere Verzweiflung überkommt und er den verflixten Besen mit einer Axt entzwei haut, ja haut, mit Wucht. In der Sekunde ist er der Meister, der mit genialer Geste die Materie beruhigt.
Das ist Lorenz – jede Figur lebt, nix da mit Herunterlesen. Er sprüht vor Wut, er zischt vor Eifer und Sucht, er turtelt wie ein Täuberich, er schleicht wie die Schnecke, er fiepst wie Mäuse, er knurrt, krächzt wie der Rabe, er grinst als Bösewicht, er triumphiert als siegreicher Held und wirft der Dame den Handschuh vor die Füße, er ist der greise Sänger, der den herzharten König und sein Schloss verflucht, er ist der betrunkene Phäake, der alles in sich hineinfrißt, er ist Francois Villon, der angespien und verehrt wird, er ist die Flamme, die endlich, endlich frei ist und mit Feuereifer alles zerstört.
Sie fragen sich gerade, was das war – Theater, Zirkus mit Tierakrobatik? Ja auch, aber dennoch immer und immer Balladen -quasi kleine Miniskatches, Mindramen, wo eine Person alle Mitwirkenden spielt. Ja spielt, nicht liest. Einige Balladen sind bekannt, wie „Der Zauberlehrling“, „Der Erlkönig“ oder „Die Bürgschaft“. Neu und vollkommen anders aber Balladen, in denen Tiere die Hauptakteure sind – etwa von Christian Morgenstern, „Gespräch einer Hausschnecke“ – haben Sie schon einmal erlebt, wie sich ein Mensch – ein Schauspieler – in eine Schnecke verwandelt? Eine, die überlegt, ob sie ihr Haus verlassen soll oder nicht? Haben Sie schon einmal erlebt, wie ein Schauspieler zum drohenden Raben wird (Edgar Allan Poe, Der Rabe) oder zum gurrenden Täuberich (Goethe, Adler und Taube)? Oder wie sich ein Schauspieler in eine Flamme verwandelt, die mit verheerender Lust alles in Brand setzt? (Christian Morgenstern, Traum einer Kerzenflamme im Schlafzimmer). Klar, dass das Publikum nach einer Zugabe rief. – Sie war kurz und wirksam: Ernst Jandl, Chanson. Ein Wortkunstkauderwelsch!!
Loriot zieht immer, Senta Berger zieht immer, Friedrich von Thun zieht immer. Da kann eigentlich nichts schiefgehen. Ein wenig schon. Gelesen haben die beiden blitzgescheit und amüsant, aber nach jeder, auch nur kurzen Szene, spielte Maria Reiter auf dem Akkordeon eine eben so lange, wenn auch heiter-witzige Melodie. Manches davon kannte man, vieles nicht. Aber man wartete ungeduldig, dass wieder die beiden Interpreten ans Wort kamen. Weniger Musik wäre mehr gewesen.
Das Programm wurde eigens für dieses Festival zusammengestellt. Die Mischung zwischen bekannten Eheszenen – „Das Ei ist hart“ – und Seitenhieben auf deutsche Politik und Medien war perfekt. Besonders die Eheszenen erinnerten so manche Zuhörer an eigene eingefahrene Rituale, die nerven. Etwa, wenn die Hausfrau es nicht aushält, den Ehemann untätig im Fauteuil sitzen zu sehen, während sie hysterisch putzt oder so tut als ob. Gewohnheiten sind gut und erleichtern den Alltag, aber sie können zur Plage werden, wie etwa die Fixierung auf das Fernsehen. Auch wenn das Kastel gerade stumm und kaputt ist, sehen die beiden unentwegt hin. Abhängigkeiten…. „Wieso ist das Ei hart?“ klagt der Ehemann, und schon reagiert sie beleidigt: „Ich bin kein Huhn!“ Überhaupt ist „Sie“ bei Loriot eine richtige Zicke, was Senta Berger ladylike hinüberbringt. Thun schmunzelt in sich hinein und amüsiert sich in der Rolle als geduldiger, aber knapp vor dem Überkochen seiender Ehemann. Oder als verblödeter Hasenbrüter., der sich brüstet, die Ostereier „handgebrütet“ zu produzieren. Aberwitz über Aberwitz, wenn Frau Dr. Lindemann im Fernsehen darüber spricht, ob und wie Hunde fernsehen sollen. Da dreht Senta Berger kräftig auf! Als Abpfiff gabs Kunstpfeifen im Duett!
Die Puppenspieler: Soffi Povo, Markus Peter Gössler, Manuela Linshalm. Regie: Simon Meusburger. Musik: Markus – Peter Gössler. Puppen: Soffi Povo. Kostüm: Lisa Zingerle
Unter dem Motto „Tu felix Austria spaziere!“ hat sich das Schuberttheaterensemble den Habsburgern verschrieben. „“Die Familie“ ist zurück und hält unseren Geist gefangen -überall sehen wir nur noch Habsburger!“ heiißt es auf dem Programmzettel. Dass dieser besagte Geist noch lange herumgeistern möge, wünscht sich das Publikum. Denn diese Spaziergänge – wie überhaupt die ganze Habsburg-Trilogie – sind einfach ein Hit. Man möchte diese verqueren Habsburger noch öfter sehen. Hoffentlich gibt es im Herbst weitere Habsburg-Geschichten.
Start ist im Hof des Theaters. Der Haushofmeister der „Kaiserein“ Maria Theresia übt mit dem Publikum das richtige Benehmen für die Audienz. Funktioniert ganz gut, die Männer verbeugen sich, die Damen versuchen einen kratzfüßigen Hofknicks. Doch Ihre Majestät ist grantig und hungrig und gibt keine Audienz. Sie bestellt ein Riesenfrühstück, vor allem stehen ihr Sinn und Magen nach Fleich. Also auf zum nächsten Würstelstand. Dort wartet schon Rosa, die berühmte Würstelfrau mit Herz und Verstand. Sie parliert angeregt mit dem Haushofmeister über die Qualität ihrer Kaiserkrainer, bis ihr ein ziemlich toter Kronprinz Rudolf in die Quere kommt und über die Verderbtheit des Adels herzieht.
Die Karawane zieht weiter in den Wald, wo das Pubikum die tragische Liebesgeschichte zwischen dem Kronprinz und Mary Vetsera erfährt. Sie ist schwer verliebt in ihn und singt frei heraus: „Die Gonorrhoe ist mir wurscht“. Doch statt Liebe lauert der Tod: Rudolf schleicht sich von hinten mit der Pistole an – aber der allgegenwärtige Haushofmeister verjagt ihn: „Bitte nicht hier, ganz Wien ist eine Waffenverbotszone!“
Die Karawane zieht weiter – bis zur 1. Psychiatrischen Klinik, wo Sissi oder Sisi und Kaiser Franz Josef streiten, wer jetzt an dem Selbstmord Rudolfs Schuld hat. Da stehen nun Ihre Majestäten, sie ein Schnabeltier, er ein Hirsch von Gottes Gnaden. Trauer fühlen sie nicht. Verständnis für Rudolf hatten beide nicht – weder die immer abwesende Mutter noch der ablehnende Vater! Kritik an den ganzen Habsburgern und ihrem ziemlich vermurksten Regierungsstil übt am Schluss der Geist des Kaisers Maximilian I. – er erscheint als Vampir und singt den Abgesang auf die Monarchie: „Wer braucht die Monarchie?“ und noch kräftiger: „I scheiß auf die Monarchie!“
Ein pures Vergnügen! Wer unbedingt einen ernsten Hintergrund dahinter finden will – dann vielleicht in der „Sozialkritik“, die hin und wieder durchblitzt. Aber grad soviel, dass der arme Moralist „a Ruh hat“.
Regie: Claus Peymann, Bühnenbild: Paul Perchbaumer, Kostüme: Su Bühler
Muss man aus purer Ehrfurcht vor dem Ruhm, der diesem Stück als „Ikone“ des absurden Theaters anhaftet, die Vorstellung gut finden? – Nein, denn das Stück selbst ist keine Ikone mehr, es hat Rost angesetzt. Und den können auch ein Peymann und die engagiertesten Schauspieler nicht wegkratzen.
Alle bemühen sich, dem Stück Schwung zu geben. Aber wir alle wissen, dass dieser Godot nicht kommen wird – damit ist schon der Saft weg. Und die diversen Interpretationen, wer nun Godot sein könnte, bleibt ja bekanntlich jedem überlassen. Nur – es ist nicht der Mühe wert, diesen Godot hochzustilisieren. Er kann der Nachbar, der deus ex machina oder Gott sein, der Wladimir und Estragon aus der Lebenspatsche helfen soll ….Die beiden Figuren stehen sich selbst im Weg – denn Warten allein ist keine Lebenslösung. Die Lebenszügel in die Hand zu nehmen und Godot Godot sein zu lassen, dazu haben sie keine Kraft.
Pasend zur Hoffnungslosigkeit der Figuren schuf Paul Lerchbaumer das Bühnenbild: Die Welt ist eine öde Straße, ein kahler Ast zwängt sich durch die Ritzen. Am Ende der Straße droht der Abgrund.
Peymann setzt auf den Witz der Wiederholung. Nur der stumpft sich ab, und der Abend droht in Langeweile abzugleiten, auch wenn die Schauspieler, wie immer, ihr Bestes geben: Bernhard Schir im Clownkostüm eines Charly Chaplin ist ein Zauderer und Melancholiker, Marcus Bluhm ein Landstreicher, dem die Warterei auf die Nerven geht. Beide können miteinander nicht mehr auskommen, aber allein durchs Leben zu vagabundieren, dazu haben sie nicht den Mut. Als die Langeweile des Wartens (auf der Bühne und im Publikum) sich breit macht, treten Pozzo und Lucky auf. Nico Dorigatti als armes, geknechtetes Schwein liefert als Wortmaschine, in der die Buchstaben und Beduetungen durcheinander geraten sind, eine Glanzleistung ab. Stefan Jürgens präsentiert gekonnt das Gehabe eines perfiden Machtmenschen.
Der Applaus galt vor allem der großartigen Leistung der Schauspieler.
Tonkünstler-Orchester. Dirigent Hugh Wolff. Am Klavier: Andrei Korobeinikov
Gabriela Lena Frank: „Escaramuza“ für Streicher, Schlagwerk, Harfe und Klavier
Escaramuza bedeutet Scharmützel. Die in Kalifornien 1972 geborene Komponistin spürt in dieser Musik ihren südamerikanischen Wurzeln nach. Quelle ist die Kachampa-Musik aus den peruanischen Anden aus der Zeit vor der spanischen Eroberung. Traditionelle Krieger bringen sich unter den präzisen und stark affektiven Rhythmen in Kampfstellung. In freudiger, tänzerischer Stimmung wärmen sie sich nach einem eindrucksvollen Basstrommel-Solo auf und der Kampf kann beginnen. Ein aufregend-spannendes Stück. Hugh Wolff dirigiert „auf Schlag“, stark akzentuiert und das Orchester übernimmt die Kampfrituale eins zu eins. Franks Musik ist weit mehr als eine „Vorspiel“. Sie kann dem stark emotionalen Klavierkonzert Prokofjews durchaus Parole bieten.
Sergej Prokofjew: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2
Prokofjew ´komponierte dieses Konzert 1912, da war er gerade einmal 21 Jahre jung. Schon das Konzert Nr. 1 war ein riesiger Erfolg, allerdings gingen die Meinungen darüber auseinander. Das zweite sollte ein Riesenskandal, ähnlich der Aufführung von Strawinskys „Sacre du printemps“ werden. Die Menschen verließen scharenweise den Saal. Porkofjwe soll diesen Skandal genossen haben, so erzählt man. Viele meinten:“ Der muss komplett irre sein!“, andere sahen in ihm den Retter aus den „blutarmen und verzärtelten Kompositionen“ ( so der Komponist Nikoai Mjaskovski -zitiert aus dem Programmheft), wie sie die Musiksäle in dieser Zeit überschwemmten.
Bis heute zählt dieses Klavierkonzert zu den großen Herausforderungen für Orchester, Dirigent und vor allem den Pianisten. Der in Russland geborene Andrei Korobeinikov nahm diese Herausforderung mühelos an und raste gemeinsam mit dem Orchester mit geballter Energie durch die Sätze. Hugh Wolff führte souverän durch diese Emotionsbombe, ohne je den Überblick zu verlieren. Vom Pianisten wurden geradezu animalische Kräfte verlangt, die Korobeinikov im Übermaß hatte, musster er nur mit einer Minipause in allen vier Sätzen präsent sein. Er verlangte dem Klavier ein Maximum ab, und es gab Momente, in dem man das Gefühl hatte, Orchester und Klavier rasen in einen Wirbelsturm hinein, aus dem sie nicht mehr herauskommen. Bei all diesem Kraftaufwand wurde die Musik nie zu „Lärm“, vor dem man davonlaufen oder die Ohren verstopfen wollte, sondern war ein gebündelter, präszis geführter Anschlag auf Herz und Hirn. Die Begeisterung des Publikums honorierte diese Extremleistungen mit viel Applaus.
Sergej Rachmaninow: Symphonische Tänze op.45
Eine Fassung ohne Klavier. Die berühmten „russischen“ Glocken vermisste man auch.
Eine emotionale Steigerung zum vorher Gehörten war unmöglich. Daher wählte man klug eine „Softvariante“ aus. Rachmaninovs Musik klingt zu Beginn verführerisch, man meint sich in Walzerklängen wiegen zu können. Doch von einer Walzerseligkeit ist Rachmaninov weit entfernt, die Musik bleibt „walzerisch“, gerät aber immer wieder durch den häufigen Rhythmus- und Tempowechsel auf Abwege. Die Streicher sind schwer gefordert, die Blechbläser führen das „Dies irae“-Motiv glanzvoll an. Tam-Tam-Schläge lassen die Musik leise „verenden“.
Man darf sich auf eine weitere Zusammenarbeit zwischen Hug Wolff und den Tonkünstlern freuen!
Musik: Frédéric Chopin. Choreographie: Michel Fokine. Bühne und Kostüm: Darko Petrovic
„Im Ballett entdecken wir den Flug der Träume wieder, die seltsame Leichtigkeit , die uns im Schlaf geschenkt wird“, interpretierte Michel Fokine (1880-1942) seine Choreographie zu dem Ballett (zitiert aus dem Programm). Er legte mit diesem romantischen „Ballet Blanc“ den Grundstein für das symphonische, romantische Ballett des 20. Jahrhunderts.
Man ist sofort vom Bühnenbild verzaubert: Die elfenartigen Wesen ganz in Weiß schweben in spiegelgleichen Formationen durch einen blauen Wald, leicht wie Blumen, die der Wind zu Bouquets zusammen- und wieder auseinandertreibt. Es ist eine rein weibliche Welt, die von einem jungen Mann (Massayu Kimoto) in tiefer Verzauberung erforscht wird. So tanzt er abwechselnd mit Elena Bottaro, Olga Esina. Ionna Avraam, Sveva Gargiulo, Sinthia Liz, alle von schwebener Leichtigkeit, in die der Zuseher gerne eintaucht. Hervorzuheben ist auch das Corps de Balletts, das gleichsam mit Gruppenbildern, die aud dem Rokoko stammen könnten, dem Ganzen malerisch-verspielten Charme verleiht. Die zärtlich-leichte Musik von Chopin tut ihr Übriges, um den Zuseher voll und ganz mitzunehmen.
eden Uraufführung.
Choreographie: Adi Hanan, Bühne Michael Seibert, Kostüme: Maya Bash.
Musik: Franz Schubert: 1. und 2. Satz „Der Tod und das Mädchen“ und „Spiegel im Spiegel“ für Violine ( Anne Harvey Nagl) und Klavier (Chie Ishimoto) von Arvo Pärt
Vier Frauen, vier Männer suchen jeweils das andere Geschlecht mit geschlechtertypischen Bewegungen anzulocken, zu überzeugen. Frauen locken mit typisch weiblichen Mitteln, wackeln mit den Hüften, heben ihre Röcke und zeigen provokant ihr Hiterteil. Es wirkt! Die Männer mit provokantem, Muskel zeigendem Gehabe fallen auf die Frauen herein und „nehmen“ sie. Heftig! Und das sinnig zu Schuberts „Der Tod und das Mädchen“. Geschlechterkampf tödlich? Ada Hanan ist aktive Tänzerin im Staatsballett und präsentiert mit „eden“ ihre erste Choreographie. Ihr Thema – die Vertreibung aus dem Paradies und der Verlust der Unschuld.
Während sich die vier Paare an dem Thema der Sexualität und gechlechterspezifischen Bewegungforman abtanzen, befreit sich im Hintergrund das Paar Adam und Eva wie aus einer Eischale. Sie (Claudine Schoch) und Er (Marcos Menha) tanzen einen nicht endenden pas de deux, der alles von ihnen abverlangt: Kraft, Energie und Akrobatik. Zur atemberaubenden, sich ewig wie im Kreis wiederholenden Musik von Arvo Pärt – Klavier und Violine zaubern einen eigenwilligen, fremd klingenden Raum – ertanzen sie ihre Möglichkeiten nach der Vertreibung aus dem Paradies. Beide mit fast schäbig wirkenden beigen Shorts und weißerm Shirt sind Alltagsmenschen, Eva und Adam und das Paradies haben sie hinter sich gelassen und müssen sich mit der Welt, wie ist, auseinandersetzen. Großartig getanzt! Und der Geigerin Anne Harvey -Nagl und der Pianistin Chie Ishimoto gebührte der Extraapplaus!!
jeunehomme
Choreographie Uwe Scholz. Musik: Mozart, Konzert für Klavier und Orchester Nr.9, „Jenamy“. Klavier: Johannes Piirto
Für Verwirrung sorgt der Titel: Jeunehomme – junger Mann? Das Rätsel löste sich erst nach der Lektüre verschiedener Briefe Mozarts, die er mal an „Madmoiselle Jeunehomme“, dann wieder an „jenamy, oder jenomy“ addressierte. Es war wohl Louse Victoire Jenamy gemeint.
Uwe Scholz wusste zur Zeit der Kreation des Balletts 1986 noch nichts von dieser Erklärung. Als Karl Lagerfeld Bühne und Kostüme entwarf, mag wohl eine Anspielung an einen jungen Mann eine Rolle spielen. Er schuf als Bühnenhintergrund den Scherenschnitt einer Pianistin, die Oberteile der Kostüme sind wie Klaviertasten gemustert. Musik und der junge Mann – in dem Fall Davide Dato, der mit seinem Solo aus einer Reihe seiner berühmten Sprünge begeistert – machen den Anfang. Nach dem Allegro tanzen Ioanna Avraam und Marcos Menha ein bezauberndes Andantino und Kiyoka Hashmoto mit Alexej Popov das Rondo und Menuett aus dem 3. Satz. Das Enssemble glänzt durch exakte Schrittkombinationen und elegante Hebefiguren. Der Pianist Johannes Piirto sorgte für den typischen „Mozartsound“.
Eine interessante Mischung quer durch die Ballettgeschichte des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Abwechslungsreich in der Musik- und Themenwahl, interessant und spannend durch die homogene Leistung des ganzen Ensembles.
Regie: Herbert Föttinger, Bühnenbild: Die Schichtarbeiter, Kostüme: Birgit Hutter, Komposition und Live-Musik: Matthias Jakisic
Ein Theaterabend, der aufwühlt und in Erinnerung bleibt. Ein Theaterabend, an dem alles stimmt: Eine resolute, schnell arbeitende Regie (Herbert Föttinger), die keine Langeweile aufkommen lässt und das schwierige Politstück einigermaßen transparent macht. Wenn auch hie und da der Tumult so groß wird, dass man nicht mehr unterscheiden kann, wer auf wen schießt.
Thema: Wien zur Zeit 1927 bis 1933. Eine politisch noch nicht wirklich gut aufgearbeitete Zeit, doch der Autor Thomas Arzt versucht, an einigen privaten Schickalen das Geschehen transparent zu machen.
Das Bühnenbild von den Schichtarbeitern: Eine graue Landschadt, die Land und Stadt sein kann. Zwei schwarze Lichtmasten ragen wie Mahnmale in den Himmel. Einfach und stimmig.
Eine große Leistung liefert der Chor ab, der in Windeseile Kostüme wechseln muss – einmal Landbevölkerung, dann Volkstanz der „Hahnenschwänzler“, dann Stadtmenschen, die hektisch durch die Straßen rennen, dann Arbeiter, die zum Aufstand sich zusammenrotten. Dann ein Chor, der wie in der Antike das Geschehen kommentiert, getragen von der intensiven Musik von Matthias Jakisic.
Die ebensogroße Leistung des ganzen Ensembles macht den Abend zu einem spannenden Schau-Spiel. Allen voran Katharina Klar als Fanni. An ihrem Schicksal lässt sich die Skala der Ereignisse ablesen: Auf dem Lande vom Großbauern und der Bäuerin ausgebeutet, vom Bauernsohn geschwängert, stellt sie sich auf eigene Füße, sucht in der Stadt Wien festen Fuß zu fassen, zunächst unpolitisch, dann aber immer dichter am Geschehen. Mit ihr erlebt man den Kampf der Klassen gegeneinander – die Heimwehr gegen die Schutzbündler, die hilflosen Versuche „die Demokratie zu retten“, wo nichts mehr zu retten war. Eine starke Figur ist die selbstbewusste Schutzbündlerin Sara ( sehr gut: Johanna Mahaffy). , die von der Freiheit der Frauen träumt, aber im Kampf erschossen wird. Lore Stefanek ist in ihrer Rolle als grausame alte Bäuerin ganz großartig. Bis zu den kleinsten Rollen – etwa Joseph Lorenz als Inspektor Inninger – sind alle prominent und stimmig besetzt. Wieder einmal zeigt sich, wie klug Herbert Föttinger sein Ensemble aufgebaut hat, mit dem er eine so riesig angelegte Politshow problemlos über die Bühne bringt.
Ein Rat für Zuseher, die historisch nicht ausreichend über diese Zeit informiert sind: Im Programm ist eine gute und hilfreiche Übersicht zu finden.
Wenn John Neumeier eine neues Stück präsentiert, dann ist die Ballettwelt elektrisiert. Bei der Matinee am 18. März durfte das Publikum staunend und total gebannt miterleben, wie John Neumeier eine Schlüsselszene aus der „Kameliendame“ erarbeitet. Als Marguerite traten Olga Esina und als Armand Brendan Saye auf. Ihnen war nur wenig Platz vergönnt, gerade nur ein schmaler Streifen vor dem Vorhang, was die Probe erschwerte.
Olga Esina und Brendan Saye sind nicht nur Publikumslieblinge, wie man so leicht dahinschreibt, sondern beide Spitzentänzer der ersten Liga. Sie schaffen das umzusetzen, was John Neumeier mit den Worten „aus dem Herzen heraus muss die Bewegung kommen“ meint. Geprobt wurde die Szene im Schalfzimmer Margueritas. Sie hat sich zurückgezogen von der lärmenden Gesellschaft, fühlt sich schwach, hustet etwas. Armand dringt unaufgefordert in ihr Zimmer ein, überrascht sie. Zunächst weist sie ihn brüsk ab. Neumeier führt die beiden Tänzer sensibel und zugleich intensiv durch diese Szene, bis sie authentisch und packend wirkt.
Es war einer der ganz großen Momente, die Ballettbegeisterte an diesem Vormittag erleben durften: Wie intensiv John Neumeier an der kleinsten Geste arbeitet, sie verbal erklärt und so lange probt, bis aus Esina und Bryan Marguerite und Armand wurden, die gerade ihre Liebe zueinander entdecken. Das Publikum war atemlos und brach in begeisteren Applaus aus. Leider werden Olga Esina und Brendan Saye nicht die Premiere tanzen. Aber am 26. März (leider schon total ausverkauft), am 17. und am 22. April wird dieses Traumpaar wieder zu erleben sein.
Untertitel: Wie wir noch mehr Natur in unser Leben bringen
Christo Förster ist ein absoluter Freiluftfreak. Er wandert quer durch Europa nur mit Schlafsack und Rucksack und übernachtet so gut wie immer im Freien. Er geht in Japan Eisbaden und macht auch sonst noch so einige Verrücktheiten. So mancher mittelsportlich engagierter Normalbürger mag das alles ein wenig übertrieben finden und er fragt sich, wozu er dieses Buch lesen soll. Natürlich hat Förster auch für uns Normalos ein paar Tipps, wie etwa das Morgenlicht und die Sonne – so sie scheint – etwa 20 Minuten einatmen und genießen. Für Morgenmuffel ein Nogo. Doch auch die Abendmenschen schickt er hinaus, um den Abendhimmel für 20 Minuten zu betrachten. Dabei geht es ihm um medidatives Betrachten, das zur inneren Ruhe führt. – Ehrlich, auch das will gelernt sein, gibt Förster zu. Man müsse dafür nicht gleich Seminare belegen. Mit der Zeit ergibt sich der Effekt, um man kommt zur Ruhe.
Jeden Tag empfiehlt er zwei Stunden irgendwo im Freien zu verbringen. Geht nicht -gibts nicht! Dann halt mit Leptop und in Balkonien!!
All seine Tipps faßt er überschaulich am Ende jedes Kapitels zusammen. Zu manchen Ratschlägen liefert er auch Studien und/ oder Gespräche mit Experten. Keine Angst, wissenschaftlich langweilig wird es nie. Förster erzählt das alles leicht, locker, mit Humor!
Gute Unterhaltung! wünscht man dem, der ins Theater geht. Doch was ist „gute“ Unterhaltung? -Schenkelklopfendes Kabarett? Horrorszenarien auf der Burg? Gähenende Langeweile in der Akademie? Politshow im Volkstheater? – All das wohl nicht. Im wahrsten Sinn des Wunsches lieferten das Duo Maurer – Köstlinger einen Abend mit wirklich „guter Unterhaltung“. Scherze über die Liebe und was sich halt so Liebe nennt, kurzweilig begleitet von dem Geigenduo Suonare (Kathrin Lenzenweger und Peter Gillmmayr). Man lachte, weil man sich selbst auf die Schaufel genommen fühlte, weil der Partner punktgenau gerade in den berühmten Kakao gezogen wurde. Ironie und ihre tiefere Bedeutung, auch Flachwitze – gestaltet von den beiden in feinster Schauspielermanier- amüsierten das Publikum.
Es begann mit Erich Frieds bekanntem Gedicht „Es ist was es ist, sagte die Liebe“ – Liebe ist also nicht fassbar, daher hat jeder seine eigene Erfahrung und Definition. Die beiden Interpreten hatten sichtlich Spaß daran, das Publikum quer durch den Gemüsegarten der Liebesvorstellungen zu jagen. Dass schon Goethe die Männer für Chamäleon in Sachen Liebe hält, ist kein Wunder. Ist ein Mädl weg, haucht schon die nächste ihm einen Kuss auf die Wange. Zeitensprung zu Fritz Grünbaum. Der rät dringend von jeglicher Verlobung als das größte Ärgernis ab. Bald wird die Luft um die Liebe dicker – Frauen werden als lästige ZIcken, Männer als wehliedige Feiglinge durch den Wolf gedreht. Die Skala der Heiterkeit steigt, weil jeder und jede mit auf der Bühne zitierten Erkenntnissen seine Erfahrung gemacht hat. Ob es die Frau ist, die den Mann anjammert, sie habe nichts anzuziehen, oder der Mann, der von der Frau gelöchert wird: Liebst du mich wirklich? Wirkliche Liebe – gibts die? fragen die beiden Interpreten auf der Bühne lachend und verbeugen sich vor dem Publikum mit Augenzwinkern. „Gute Unterhaltung!“ – ja, das bot der Abend zu hundert Prozent. Theater ohne Trauerrand, ohne Mahnungen, ohne Gefasel von Augenhöue und Respekt. Man durfte einfach genießen!
Regie: Stephanie Mohr, Bühnenbild und Kostüme: Miriam Busch. Musikalische Leitung und Komposition: Wolfgang Schlögl
VOLLTREFFER! Ein Abend, der rundherum überzeugt! Wo Stephanie Mohr draufsteht, ist gut gemachtes, ehrliches Theater ohne Mätzchen drinnen. Die international viel gefragte Regisseurin ist am Theater in der Josefstadt fast zu Hause. Unter den zahlreichen Inszenierungen seien nur an einige erinnert, wie „Der Boxer“ (Felix Mitterer), „Glaube und Heimat“ von Karl Schönherr, „Der Sohn“ von Florian Zeller und zahlreiche Turrini-Inszenierungen. Das Duo Turrini-Mohr verspricht von vornherein gutes Theater. Dazu noch ein Ensemble, das besser nicht sein könnte – all das zusammen ergibt einen Theaterabend, wie man ihn in Wien nur mehr selten erlebt.
Alles dreht sich um die 1848er Revolution in Wien. Es wird geschossen, Anführer werden „füsiliert“, Kaiser Ferdinand „der Gütige“ flieht zweimal aus Wien. Arbeiter kämpfen und werden getötet. Tote Kinder liegen im Volksgarten, nicht weit vom Burgtheater, das „wegen Aufruhr“ geschlossen ist. In unmittelbarer Nähe probt eine Laientheatergruppe Ferdinand Raimunds „Bauer als Millionär“. Starker Auftritt von Günter Franzmeier als Adam Holzapfel. Pro füsiliertem Rebell verdient er einen Gulden. Ohne zu zögern erschießt er den Gefangenen im Hintergrund, um gleich darauf als Hausmeister mit Besen und Kübel die Bühne des Laientheaters zu reinigen. Er wird immer wieder das Geschehen referieren und -je nach politischer Lage – kommentieren. Auf der Bühne geht die Probe zu Raimunds Stück nur mit vielen Hindernissen vonstatten. Immer wieder stört Gefechtslärm. Der Regisseur Ferdinand, Thomas Frank als gelungene Parodie auf die überhektischen Regisseure von heute, will um jeden Preis proben, auch wenn draußen die Revolution tobt. Die Probenszenen sind von umwerfender Komik, wenn etwa Susanna Wiegand als Katharina Glück das Lied der Fortuna singt – eine Glanzleistung! Berührend spielt Johanna Mahaffy die Zäzilie Wagner, die sich als Jugend vom alten Bauer (Michael Dangl) verabschiedet. Der wiederum hat nur eines im Sinn: Am Burgtheater endlich spielen zu dürfen (ein unerfüllter Wunsch Ferdinand Raimunds). Immer lauter wird der Kampflärm von draußen – bis schließlich die Gruppe sich nicht mehr unberührt von dem Geschehen zeigt: Ein Kleiderbündel wird an Stelle des Kaisers aufgehängt, und die Truppe tanzt im Freiheitsrausch! Bis der Regisseur Ferdinand als Leiche hereingebracht wird – er hat sich ins Kampfgetümmel unter die Arbeiter gemischt und wurde erschossen. -Aus mit lustig, aus mit Theater! Die Wirklichkeit holt auch das Liebespaar Zäzilie und Karl, den Jusstudent aus gutbürgerlichem Haus, ein. Karl, mit Julian Valerian Rehrl als zunächst scheuer Einspringer, später als schwer Verliebter ist die ideale Besetzung. Die Kussszenen zwischen Zäzilie und Karl gelingen dank der Unbekümmertheit beider erfrischend witzig.
Worum es Turrini in diesem Stück ging, eröffnet sich gegen Ende: Die Revolution ist niedergeschlagen, die Aufrührer erschossen, die Bürger müssen eine Treueerklärung unterschreiben. Die Freiheit ist Schall und Rauch. Im Theater ist es leer geworden: Das Liebespaar ist im Gefängnis. Aber der Papa von Karl, der reiche Tuchhändler, kann seinen Sohn durch Beamtenbestechung freikaufen – er geht, küsst seine Geliebte und verspricht, sie bald herauszuholen. Aber – er kommt nicht wieder. Als Zäzilie allein an den Pfahl gebunden zurückbleibt und das „Brüderlein“ anstimmt und immer leiser werdend „es muss geschieden sein“ singt – da wird die Theaterpranke Turrinis spürbar!!! Er weiß, wie man starke Szenen schreibt. Und sie noch steigert: Aus dem Hausmeister Holzapfel ist wieder ein Kaiserlicher geworden. Im Namen des Kaisers soll er Zäzilie erschießen. Doch man bekommt pro „Abschuss“ kaum ein paar Groschen. Er zielt, setzt an – nein, das kann er nicht, er wirft das Gewehr weg. Sein Resümee: Die Bürger haben es sich wieder gerichtet, die Beamten sind wieder brav kaisertreu. Die Armen sind noch ärmer. Das Theater – am Ende. Tot oder irgendwo verweht sind die Theaterleute – sie haben ehrlich gekämpft, gebangt. Turrini: „Im Theater gibt es trotz der Schminke das wirklich Ungeschminkte.“ (Zitat aus Programmheft)
Drei Choreographien: „Concertante“ – Hans van Manen. „In the Middle. Somewhat Elevated“ – Wiliam Forsythe. „Brahms-Schoenberg Quartet “ -George Balanchine
„Shiftng symmetries“- „Verschobene Symmetrien“ wurde als Überbegriff für die drei Ballettchoreografien gewählt. Van Manen, Forsythe und Balanchine sind drei Choreographen, die die Entwicklung des Balletts im 20. Jahrhundert wesentlich prägten.
„Concertante“ – Musik von Frank Martin, zeigt die Choreographie van Manens in konzentrierter Form. Vor schwarzem Bühnenhintergrund bewegen sich die Tänzer zum starken Rhythmus von Frank Martin in großen, raumgreifenden Bewegungen, immer im Blickkontakt zueinaner. aber in Konfrontation der Geschlechter. Vier Paare, die einander in verschiedenen Stadien von Zu- und Abneigung begegnen. Auffallend sind die fordernden Figuren der jeweiligen Pas de deux – Paare zu der starken Musik!! Die interessanten Kostüme (Keso Dekker) erwecken den Eindruck, die Tänzer treten nur in Körperbemalung auf.
„In the middle, somewhat elevated“. Elektronische Musik von Tom Willems. William Forsythe zeichnet für Choreographie, Bühne, Licht, Kostüme. Mit dieser Choreographie hat Forsythe gewaltig die Welt des Tanzes verändert.
Die vergoldeten Kirschen, die kaum als solche erkennbar von der Decke hängen, haben keine symbolische Bedeutung – sie waren eine Verlegenheitslösung. Gleichsam die Ironie pur auf jegliches Bühnenbild. Denn nichts sollte vom Tanz ablenken. Es beginnt in völliger Finsternis, plötzlich heftige Donnerschläge, ein Blitz erleuchtet die in grüne, körpernahe Kostüme gekleideten Tänzer und Tänzerinnen. Mit Wucht schlägt die Musik auf Tänzer und Publikum ein – der Boden unter den Füßen erbebt bei jedem Schlag. Da drehen sich keine zarten Elfen und Geister, sondern wuchtige Maschinenmenschen. kraftgesteuert durch die Hammerschläge der Musik. Zwei bis drei Grundbewegungen bestimmen im ersten Drittel das Geschehen. Dann explodieren Paare in spannungsgeladenen Figuren, auffallend anders Davide Dato, den man bisher eher klassisch kannte. Atemlos – das ist wohl der treffende Ausdruck – sieht das Publikum die geballte Gewalt des Tanzes.
„Brahms-Schoenberg Quartet“ (Arnnold Schönberg bearbeitete das Klavierquartett Nr.1 von Johannes Brahms für Orchester)
Einen größeren Gegensatz zu Forsythe gibt es kaum. Man kann es nicht fassen! Da tanzen Ballerinen im eleganten, weißen Tüllröckchen und die Prinzen dazu natürlich im silbrig weißen Wams. Auffallend sexy ist übrigens das Kostüm von Davide Dato, der die Hauptpartie tanzt (Kostüme: Vera Richter). Die Szenerie spielt, wie es sich für ein romantisches Ballett à la Russe gehört, vor einer Schlosskulisse. Allerdings ähnelt es einem Gruselschloss: Schwarze, leere Fensterhöhlen, die Mauern grau-schwarz. Aber dennoch glaubt man sich im „Nussknacker“ oder „Schwanensee“. Man sieht alle beliebten Ballettfiguren, Sprünge, Hebefiguren – halt das ganze klassische Repertoire. Ein Teil des Publikums scheint ganz verzückt danach gewesen zu sein und dankt mit standing ovations. Ein anderer Teil war ein wenig verwirrt – nach Forsythe diese Tüll- und Romantikchoreographie!? Natürlich war es die Absicht Martin Schläpfers, den Bogen von der russischen Klassik bis in die krasse Moderne zu zeigen. Aber nach Forsythe Balanchine – mir erschien das ein wenig unfair. Es war auf jeden Fall ein Abend, an dem der Ballettdirektor die großartige leistung des Wiener Ballettensembles demonstrieren konnte. Das Publikum dankte ihm sehr dafür. Sonderapplaus bekam auch der Dirigient Mattew Rowe, der sehr einfühlend die Tänzer durch die Musik von Martin und Brahms lenkte.
„Die Ausstellung Herbert Boeckl – Oskar Kokoschka. Eine Rivalität zeigt zwei der bedeutendsten österreichischen Künstler des Expressionismus. Präsentiert werden mehr als 100 herausragende Arbeiten auf Papier, eine Auswahl aus den reichen Beständen der ALBERTINA.“ (Zitat aus Ausstellungstext)
Der Zusatztitel ist nicht ganz einsichtig. Rivalen waren die beiden Künstler nie, höchstens hatten ihre Werke manchmal zeitbedingte Ähnlichkeiten, aber nicht mehr. Beide sind in ihrer künstlerischen Veranlagung nur auf den ersten Blick ähnlich – und daher, wenn man so will Rivalen. Aber schon die Fotos beider und ihre Biografie machen deutlich, wie sehr ihre Entwicklung auseinandertriftet.
Kokoschka – ein Wilder, Unangepasster, einer dessen Bilder von den Nazis als entartete Kunst verboten wurden. Er emigriert und kehrt erst nach Ende des Zweiten WEltkriegs zurück. Böckl bleibt, er hat ja eine große Familie, tritt der NSDAP bei, verschweigt es, verliert kurzfristig seinen Posten an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wird aber in den späteren Jahren ebenda Lehrer und Direktor. Als Lehrer war er – so die Erzählung meines Vaters, der in seiner Klasse war- unerbittlich. Eigenwilligkeit war nicht gefragt. Und so sehe ich in der Ausstellung Böckls Spuren in den Bildern meines (verstorbenen) Vaters.
Die Unterschiede zwischen Kokoschka könnten nicht größér sein.
Die Augen der beiden Porträts sagen viel über den Maler aus: Kokoschka zeichnet tiefliegende Augen, voller Verzweiflung oder zumindest Zweifel Böckl malt sich selbst als einen Glücklichen. Die Pinselstriche sind gelassen, unaufgeregt – ich habe im Atelier meines Vaters viele ähnlich ausgeführte Porträts gesehen: Ein ruhiger Hintergrund, oft im ähnlichen Braun, das Gesicht fest und klar.
Untertitel: „Wie sie denken, spielen, sprechen und ihre Kinder erziehen. Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel.
Illustrationen von John Burgoyne
Jennifer Ackerman ist eine weltweit anerkannte Ornithologin. Sie erforscht die Welt der Vögel, ohne sie zu vermenschlichen oder zu verniedlichen. Ihre Forschungsergebnisse hat sie in mehreren Büchern veröffentlicht. In ihrem letzten Werk schreibt sie zwar darüber, wie „Vögel denken, spielen oder sprechen“, aber es folgen keine „lieben“ Geschichten, die man den Kindern am Abend vorliest, sondern faktenbasierte ERgebnisse langer und ausführlicher Beobachtungen. Bei jedem einzelnen Thema, zum Beispiel „Mobbing“ oder „Alarm“, bescheibt sie die für diese Aktion in Frage kommenden Vogelarten. So greifen zum Beispiel Krähen von oben an, Möwen sind besonders fies: sie bekoten ihren Gegner, bis dieser sich nicht mehr rühren kann. Alle Beobachtungen werden in wissenschaftlicher Sprache abgehandelt, aber immrt wieder mal durch witzige Neuigkeiten aus der Vogelwelt aufgelockert. Der Laie wird sich über diese Passagen freuen, der Kenner die wissenschaftlichen Informationen aufsaugen.
Eine ausführliche Literaturliste und ein abundantes Register sind bei der Suche nach spezifischen Themen sehr hilfreich.
Text: Michael Meschke und György Ligeti nach Michel de Ghelderode
Musikalische Leitung Pablo Heras-Casado, Inszenierung und Bühne Jan Lauwers, Kostüme Lot Lemm, Choreographie Paul Blackman und Jan Lawers
Es passte alles zusammen: Direktor Bogdan Roscic hatte sich vertraglich verpflichtet, auch Klassiker des 20. Jahrhunderts zu spielen. Der 100. Geburtstag des Komponisten G. Ligeti war ein geeigneter Anlass, diese Pflicht zu erfüllen.. Mit „Le Grand Macabre“ hätte man keinen besseren Griff machen können. Ebenso wenig mit dem Winningteam Heras-Casado, Jan Lauwers, Lot Lemm und dem Choreographen Blackman gemeinsam mit Lawers. Allesamt erfahrene Theatermacher. Und so kam es, dass eine Oper des 20. Jahrhunderts ein Riesenerfolg wurde. Publikum und Kritiker waren begeistert – ein seltener Fall von Einmütigkeit.
Autohupen eröffnen den Abend und stimmen das Publikum auf Unerhörtes, noch nie Gehörtes und noch nie Gesehenes ein. Mit einem Bühenbild – Ausschnitte aus dem „Breughelland“ -, Tänzern in „Nacktkostümen“ hat man genug zu tun, alles zu erfassen – da wird gehüpft, gevögelt, geschlemmt, was das Zeug hält – alles aufgelöst in choreografische Kleinszenen, die nie auch nur die Spur von Ordinärem haben. Ein Kunststück sondergleichen. Wir sind in einem Schlaraffenland, wo alles erlaubt ist. Die Musik karikiert das Geschehen, nimmt dem Obszönen das Geile und formt es zu einer „Commedia dell`Arte“ um. Unterhaltsam wie die Musik sind die Einzelszenen: Da wird nicht angeklagt, nicht angespielt auf Aktuelles, sondern nur einfach das Leben in allen Facetten genossen – wie der Säufer Piet vom Fass ( sehr überzeugend Gerhard Siegel) verkündet. Wer nicht als Mann spurt – dem droht die Peitsche: Marina Prudenskaya ist eine urkomische Mescalina, fordert von ihrem Gespons Astradamus mehr sexuellen Einsatz – Wolfgang Bankl darf gehörig unter ihr leiden. Überhaupt ist Venus gefragt (toll in der Doppelrolle als Venus und Chef der Gepopo: Sarah Aristidou). Mitten in diesem heftigem Treiben taucht der allen unbekannte Nekrotzar auf – eine gesangliche und darstellerische Sonderleistung von Georg Nigl. Er stellt sich vor als der Tod! Durch den Sturz des Kometen sollen Erde und Menschen vernichtet werden – das hat schon bei Nestroy nicht geklappt, und heute noch weniger: Alle fürchten sich, jammern, aber – kein Tod, kein Komet, denn Nekrotzar hat sich zu Tode gesoffen – „consummatum.est“ – heißt es, als er verendet. Dass die Wiener den Tod durch Gesang und Wein vertreiben, das ist Standard. Was Ligeti daraus macht – ist einfach die Parodie auf die Parodie mal drei!! Eine ganz zwielichtige Rolle spielt der Pseudofürst Go-Go (eindrucksvoll der Countertenor Andrew Watts). Seine Herrschaft steht auf wackligen Papierbeinen, wie seine Krone auch.
Ein Wirrwarrbild, das sich immer wieder auflöst, neu bildet – das Publikum ist vollauf beschäftigt. Langeweile – keine Sekunde. Höchstens ein ganz kleines Bisschen nach dem Tod des Todes. Das wäre ein passender Schluss, doch es geht noch weiter. Denn man will ja zeigen, das man den Tod nicht fürchtet. Das allerdings hat das Publikum schon begiffen. Das altbekannte Wiener Motto leitet den Schluss ein: „Fürchtet den Tod nicht, irgendwann kommt er, doch nicht heut.“ und „Wir haben Durst, also leben wir“ singt Piet vom Fass. Wie zur Bestätigung, dass auch Sex und Erotik nicht vertrocknen, singen die beiden Verliebten Amanda und Amando (Maria Nazarowa und Isabel Signoret) von ihrem Liebesglück. Unter heftigem Geschmuse und einer furiosen musikalischen Feier des Lebens geht ein machtvoller Abend mit hintergründiger Musik und vielen ebensolchen Anspielungen zu Ende. Ein Extraapplaus galt dem Dirigenten Heras-Casado, der mit den Sängern mitatmete, die Musik nie über die Sänger triumphieren ließ.
Aus dem Spanischen von Christian Hansen. Verlag Antje Kunstmann
Enrique ist ein politischer Naivling. In Madrid zieht er gegen alle und alles, politisch links oder rechts los. Aber irgendwann hat er von all dem Gerede die Nase voll und zieht aufs Land, ins Dorf Canada in der Provinz Teruel. Er will, weil er brav das Buch von Molino, Das leere Spanien studiert hat, das Dorf wieder beleben. Der Hahn kräht, Kirchenglocken,Traktor und Motorpflug sind für ihn Musik der ländlichen Idylle. Seine Tante, die ihn wegen seiner für sie meist unverständlichen Rhetorik bewundert, melkt für das verwöhnte Stadtbubi, der natürlich kein Fleisch isst, täglich das Schaf. Denn Enrique trinkt nur Schafsmilch. Er fühlt sich rundum wohl und beschließt bald, den hinterwäldlerischen Bewohnern auf die Sprünge in die moderne Welt zu helfen. So gründet er unter anderem einen Workshop zur neuen Männlichkeit, zu dem allerdings alle Männer fernbleiben. Nur seine Tante und deren Freundin sind anwesend. Ein glatter Erfolg für Enrique! Ohne dass er es merkt, hebeln die Dorfbewohner ohne Bosheit , einfach, weil es sich so ergibt, all seine Bemühungen aus. Ja, mehr noch, er wird bald einer von Ihnen. Die Rettung des leeren Spaniens wird auf später verschoben. Als er dann noch zum Bürgermeister gewählt wird, ändert er zwar nichts im Dorf, seine hochfliegenden Pläne formuliert er weiterhin in der absurden Sprache der verdrehten Welt. Dennoch geht im Dorf was weiter, – ein Filmcrew meldet sich an. Bald geht es drunter und drüber und man weiß als Leser nicht mehr so recht, wer außer Enrique noch Don Quijote ist. Es scheint, dass der Don-Quijotismus per se erfolgreich ist.
Ein Schelmenroman, in dem alle Ideen unserer Gegenwart, wie Nachhaltigkeit, Klimawandel, Feminismus und vieles mehr, mit viel Humor und geistreicher Ironie ad absurdum geführt werden.
Als ich den Roman endlich zu Ende gelesen hatte, brauchte ich ein flüssiges Buch, das mich ins literarische „Equilibrium“ wieder zurückstimmt. Equilibrium ist eines der vielen gestelzten Ausdrücke, die die Autorin gerne verwendet. Überhaupt lässt sie den Leser gerne ratlos zurück, ratlos, weil er nicht so recht weiß, was das Buch soll. Anspielungen an literarische Vorbilder gibt es genug, und jeder wird sie leicht orten: Homer, Odyssee: Die Protagonistin Ruth Schwarz irrt in Österreich umher, vom Wecheselgebirge ins Kamptal und zurück. Sie kommt einfach nicht an, wie einst Odysseues. Und als sie endlich ankommt, ist alles nicht so , wie es sein soll. Da beginnen die nächsten Literaturschnitzelvorbilder durchzuschimmern: Eva Menassse, Dunkelblum und Elfriede Jelinek: Rechnitz. Es gibt ein Loch, wo einst im 2. Weltkrieg Zwangsarbeiter/Juden verhineingeworfen wurden. Das Dorf hat ein Schloss – Kafka lässt grüßen! Dort throhnt eine Gräfin, die alles in der Hand hat. Doch sie ist keine echte Gräfin, eigentlich sind alle nicht wirklich, nicht das, was sie vorgeben. Somit haben wir es also auch mit der in der jüngsten Literatur schon ein wenig abgenützten Frage nach der Identität zu tun. Dass alle Bewohner das Loch verschweigen, es nicht wahrnehmen wollen, nach dem Motto, was ich verschweige, das gibt es nicht, ist auch schon ewig den Österreichern nachgesagt worden. Warum eigentlich nur den Östereichern.? „Lustig, witzig, unterhaltsam“ soll das Buch sein – es hat ja auch Preise bekommen, die bekommt niemand von nix – , aber ich möchte gerne wissen, wer bei der Lektüre gelacht oder auch nur geschnmunzelt hat.
Bitte ein „Equilibrium-Buch“!!! Wer kann mir eines empfehlen? Ich glaube, ich habe schon eines gefunden. WElches das ist, verrate ich in meinem nächsten Beitrag.
Mike Markart wohnt in Venedig, schreibt und spaziert durch Venedig, macht ungeschönte, interessante Schwarzweiß-Fotos, trinkt gerne eine Ombra oder auch einen guten Wein. Seine „Erzählungen“ sind Impressionen, die er am Weg mitnimmt – also kein „Reiseführer“. Wohl kann man den ein oder anderen Tipp finden, z.B. über die Gondelwerft „Tramontin“ , die am Ponte Sartorio liegt. Oder den „Campo Santa Marherita“, den von der Jugend bevölkerten Platz.
Allerdings: Die Angaben sind wahrscheinlich absichtlich vage gehalten, damit eben nicht allzu viele Touristen den Hinweisen nachgehen. Denn Markart ist ein Eigenbrötler, der sich nicht gerne unter die Menge mischt, wie alle, die noch in Venedig sesshaft sind. Das werden immer weniger. Hoffentlich bleibt der Autor und schreibt weiter über den Zauber der Stadt.
Die „Veneziaischen Spaziergänge“ lesen sich wie ein Skizzenbuch – man glaubt manche Orte zu erkennen, aber die Linien bleiben verschwommen, nur leicht hingehaucht. Sie versetzen den Leser in eine träumerische Stimmung, wie Venedig im Nebel, so sind die Erzählungen: Über allen liegt ein leichter Schleier des Unscharfen.
Genau 80 Tipps mit hübschen Fotos und einem sehr persönlichen Text. Man merkt, die Autorin kennt und liebt ihre Stadt. In der großen Auswahl findet jeder einige Tipps für sich. Mir persönlich gefielen folgende Tipps: 33, Der Kulturpalast. Von außen – Architektur aus der Vorzeit, also nicht sehr ansprechend. Aber innen – tolle Akustik, super Musikprogramm. 27 – Die Brühlsche Terrasse – die findet man zwar in jedem Reiseführer, aber dennoch: Das Café lockt mit herrlicher Aussicht, Kuchen und Kaffee vom Feinsten und vor allem mit einem äußerst freundlichen Personal! 67 – Die Parkeisenbahndurch den „Großen Garten“- ich stieg gleich bei der ersten Station aus, um im zauberhaften Café mit Blick auf den Park den Abend ausklingen zu lassen. Ganz besonders gefiel es mir in der Kunsthofpassage in der Neustadt (Tipp 72) – jung, verrückt und super !!! Ein großes Lob auch den diversen Fotografen!
“ Der kanns halt“, meint die Bibliothekarin, mit der ich gerne einen Plausch über Neuerscheinungen abhalte. Und macht dazu eine Handbewegung, die so zwischen Bewunderung und „wissen wir eh“ wedelt.
Ja, Martin Suter kanns wirklich, auch wenn er immer wieder aus demselben Personentopf schöpft: Da ist ein immens Reicher, alt, aber noch klar im Kopf. Da ist viel Geld, viel Korruption – ach, dazu sagt man eleganter „Einflussnahme“. Da ist ein armer, brotloser Jungjurist und da ist eine schöne, geheimnisvolle Frau. Und eine Superköchin darf nicht fehlen, die die feinsten italienischen Gerichte serviert. Man meint, das kennt man doch schon alles, dann aber doch nicht ganz, denn Suter lässt sich nicht so leicht in die Karten schauen.
Der Plot entwickelt sich wie die russische Puppe: Die Außenpuppe: Der reiche Nationalrat in Ruhestand. Dr. Stotz stellt den jungen Tom Elmer an, der seinen Nachlass ordnen soll. Zweite Puppe: Eine geheimnisvolle Schöne. Sie ist lange schon tot oder verschwunden, war die Braut von Dr. Stotz. Dritte Puppe: Elmer und die Nichte von Dr. Stotz schälen ein Geheimnis nach dem anderen heraus. – Rauskommt: Die vierte und fünfte und sechste Puppe – immer Dr. Stotz, der nicht der ist, als der er in der Gesellschaft gilt. Die Doppelgesichtigkeit, die Doppelperson – ein häufiges Thema in der Literatur, besonders in der Schweiz – Max Frisch, auch Dürrenmatt. Bei Suter ist es die Freude am Vexierspiel, die Freude, den Leser auf Spannung zu halten. Was ihm ja immer wieder gelingt. Und die Freude an der Kritik der superreichen und supersatten Gesellschaft, der Politiker und derer , die sichs richten. Auch in diesem Roman. Mehr sei hier nicht verraten.
Wo Goerden draufsteht, da ist Klamauk – einige sagen: intellektueller Klamauk – drinnen. In seiner Bearbeitung der „Sommergäste“ hat er sich als „maître de plaisir“ ausgezeichnet. Das Premierenpublikum gröhlte vor Begeisterung – so liest man in einigen Kritiken. In der Aufführung am 25. April blieb die Hälfte des Parketts nach der Pause leer.
Aber jetzt ernstlich: Es ist ja wirklich lustig, wenn man fast das ganze Josefstadtensemble in Badehosen, Bikini oder Ganzkörperbadeanzug herumhopsen sieht, wenn sie in Mordlust oder Sexlust übereinander herfallen. Da wird gekreischt, gestritten, geflucht, gekichert, gefickt, geküsst – ganz pikant mti rotem Tischtennisball, den man sich gegenseitig in die Mundhöhle schiebt. Einige Tanzeinlagen sind gar nicht so schlecht, da schrammt Goerden knapp am Musical vorbei. Ja, und Sinn hat das natürlich auch. Denn schließlich hat Gorki sich dabei was gedacht: Es zeigt, wie selbstverliebt und verkommen die gehobene Mittelschicht war (gemeint 1904 und heute) und ist, sozusagen ein Totentanz auf Klamaukniveau. Das versteht ja jeder. A propos verstehen: In dem ganzen Gekreische und Durcheinander versteht man ja nicht allzu viel, aber wenn die Menschen auf der Bühne dann in den Hintergrund hineinreden oder sich gegenseitig irgendetwas zuflüstern, versteht man gar nichts. Muss man vielleicht auch nicht, oder?
Goerden kann aus dem Vollen schöpfen – das Ensemble macht alles mit, sogar bravourös. Michael Dangl genießt sichtlich seine Rolle als fieser Ehemann und noch fieserer Rechtsanwalt. Seine Frau Warwara (Alexandra Krismer) leidet geheimnisvoll und in Schönheit vor sich hin, woran erfährt man nicht. Köstlich ist Michaela Klamminger als düstere Gothic-Schreiberin. Ihre Parodie auf die Sentimentlyrik hätte sogar Ernst Jandl gefallen. Claudius Stolzmann als Wlas muss sich wie ein Kindergartenkind aufführen und sich dauernd verkleiden – warum, weiß man nicht so genau. Vielleicht, um mehr oder überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen. Silvia Meisterle gibt eine hysterische Funzen ab, ihr Mänadentanz ist eindrucksvoll. Susa Meyer als überforderte Mutter vierer „Gfraster“ streitet mit ihrem Ehemann auf Biegen und Brechen, um gleich danach einen lautstarken Orgasmus zu zelebrieren. Martina Stilp ist die lästige Besserwisserin, die allen Gästen mir ihren Mahnungen und Zurechtweisungen auf die Nerven geht, vor der eignen Tochter (pardon, seit kruzem Sohn) kapituliert. Das ist alles sehr zeitgeistig, manchmal witzig oder mäßig lustig.
Aber – was ist Gordon bei der Rolle Joseph Lorenz´eingefallen? Einen so hervorragenden Schauspieler zum stummen Geist zu degradieren? Er muss immer wieder pudelnass auf der Bühne „erscheinen“, nähert sich spuckend und erbrechend den Sommergästen und verschwindet. Soll das der Leibeigene, der Tod oder die personifiezierte Mahnung an die verlotterte Gesellschaft sein? Dass Lorenz auch diese Rolle mit Eleganz und Bravour meistert, ist eine Sache. Dass aber ein so exzellenter Darsteller solch eine Rolle spielen muss(?), ist Verschwendung von Talent. Das soll auch einmal deutlich gesagt sein!
Freundlicher Applaus mit dem üblichen Standardgekreisch.
Ein unentbehrlicher Führer durch Niederösterreich. Gunnar Strunz hat genau recherchiert, weist auch auf Unbekanntes hin, etwa auf das Schloss Thürnthal am Wagram – leider nicht zugänglich – oder auf wenig besuchte Dörfer wie zum Beispiel Kirchberg am Walde in der Region Thaya. Zu jeder Region gibt es praktische Informationen wie Unterkünfte, Restaurants, Museen etc und eine Detailkarte. Außerdem Tipps für Wanderungen, ohne Längenangabe und Schwierigkeitsgrad. Manchesmal wird ein Ort etwas stiefmütterlich beschrieben, zum Beispiel Stein. Dieses „ungeliebte“ Anhängsel von Krems verdient eine ausführliche Beschreibung und Hinweise auf die vielen alten Bauten und die kleinen Plätze. Denn irgendwie scheint der Bürgermeister von Krems dieses „Anhängsel“ nicht sonderlich zu unterstützen. -Das nur ein kleiner Hinweis. Vielleicht könnte der Autor in der nächsten Ausgabe dieses Kleinod ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.
Interessant und aufschlussreich sind besonders die historischen Hinweise – zum Beispiel auf das Holzkreuz in der Kirche von Hardegg. Es wurde aus dem Holz des Schiffes geschnitzt, das den Leichnam des Herzogs Maximilian, späteren Kaisers von Mexiko nach seiner ERmordung nach Wien überführte. Dazu bringt Strunz eine ausführliche Biografie dieses unglücklichen Bruders von Kaiser Franz Joseph.
Für alle, die sich für die bekannten und vor allem weniger bekannten Kleinodien Niederösterreichs interessieren, ist dieser Band ein wahre Fundgrube!
Puccini war zu Beginn seiner Komponistenkarriere ein begeisterter Anhänger Richard Wagners., wie man aus diesem kurzen Musikstück deutlich heraushören konnte. Weich, schwärmerisch hört es sich an, nichts noch von „Tosca“ oder „La Bohème“. Als Jugendwerk dafür um so interessanter, weil man sich wundert, wie schnell sich Puccini von Wagner verabschiedet und in seinen Opern eine ihm ganz eigene Tonsprache gefunden hat. Der junge italienische Dirigent Vincenzo Militarì hebt den schwärmerischen Tonus des Preludiums elegant hervor, lässt das Publikum so richtig „romantisch“ träumen. Um dann umso schärfer, in fast aggressivem Ton das nächste Stück zu dirigieren:
Felix Mendelssohn Bartholdy: Konzert für Violine und Orchester e-Moll op.64
Militarì muss sich wohl an die virtuose Rasanz seines Solisten, des Geigers Benny Tseng, anpassen. Tseng stammt aus Taiwan und achtet wie viele Solisten aus dem asiatischen Raum in erster Linie auf klares, virtuoses Spiel. Schnelligkeit ist kein Bonus, sondern Voraussetzung. Ebenso Virtuosität. Dass dabei in manchen Passagen der Schmelz, die Weichheit, wofür das Konzert ja bekannt ist, ein wenig zu kurz kommt, nimmt Tseng in Kauf. Gleich zu Beginn brilliert er mit dem Hauptthema und verleitet Orchester und Dirigent zu einem fast atemlosen Spiel. Im Andante des 2. Satzes lässt er sich dann doch auf die fließende Melodie der Kantilenen ein und kommt zu einer gewissen Ruhe, um im 3. Satz, im Allegro molto vivace, dann vollends mit seinen griffsicheren Fingern zu brillieren.
Carl Nielsen: Symphonie Nr.2 op.16 – „Die vier Temperamente“
Der in Dänemark 1865 geborene Carl Nielsen ist trotz seiner Erfolge zu Lebzeiten bei uns weniger bekannt. Um so spannender ist seine Komposition „Die vier Temperamente“ – inspiriert von der Typenlehre des Hippokrates. Militari und das Orchester waren sich einig: keine Übertreibungen, sondern klare Aussagen: Im ersten Satz „Allegro collerico“ hört man bestens das cholerische Temperament: leise brodelt die Melodie, um sich dann in Grimmigkeit zu steigern, ohne überlaut zu werden – das wäre zu sehr Klischee. In dem dem Phlegmatiker gewidmeten Satz weiß Nielsen gekonnt den Humor einzusetzen: Man hört förmlich die Frage des Phlegmatikers: Soll ich, soll ich nicht? Eher nicht. Die Töne ruckeln und zuckeln, zögern, ein Stück vor, zwei zurück. Das „Andante malincolico“ klingt ganz nach Mahler, obwohl, so heißt es in der Literatur, Nielsen sich nicht viel aus seinem berühmten Zeitgenossen machte. Militarì führt das Orchester mit feiner Behutsamkeit, lässt das Publikum in genüsslicher Traurigkeit schwelgen. Wenig überraschend sprudelt der Sanguiniker über vor Geschäftigkeit, Aber dann- ein zarter, fein komponierter Schluss, der alle vier Temperament tröstlich einschließt.
Inszenierung: Felix Metzner, Bühne und Videos: Marcus Ganser
Charlie Babbitt ist ein Getriebener, seine Firma ist von der Insolvenz bedroht. Da erfährt er, dass sein ungeliebter Vater gestorben ist, und er hofft auf ein fettes Erbe. Daraus wird nichts – alles erbt sein Bruder Raymond. Charlie wußte erstens nicht, daß er einen Bruder hat und schon gar nicht, dass der in einer Klinik für Autisten lebt. Er „entführt“ ihn und hofft durch Erpressung wenigstens die Hälfte des Erbes zu bekommen. Zu Beginn dieser Entführung geht ihm dieser Bruder schwer auf die Nerven, doch mit der Zeit lernt er ihn näher kennen, erkennt am Schluss, dass er ihn nicht mehr als Geldquelle, sieht, sondern als Bruder, zu dem er eine liebevolle Beziehung aufgebaut hat.
Marcus Ganser hat auf der kleinen Guckkastenbühne ein Maximum an Atmosphäre herausgeholt: Den Hintergrund bilden Videos, die sich zur jeweiligen Situation passend ändern: Einmal begleiten Zahlen, dann Computereingeweide oder Andeutungen einer amerikanische Stadtsilhouette das Bühnengeschehen.. Auf einer Drehbühne werden nur die nötigsten Requisiten, wie Sessel, Bank, Bett herein- und ebenso rasch hinausgedreht. Dadurch bleibt das Geschehen im Fluss, fast wie im Film.
Großartige Schauspieler lassen den Film vergessen!Philipp Stix als Charlie Babbitt dreht sich vor Verzweiflung und Aussichtslosigkeit um die eigene Axe, vergeigt sogar die Beziehung zu seiner Freundin Susan (feinfühlig SelinaStröbele). Ohne Übertreibung, ganz unmerklich ändert Charlie den Rhythmus seines Charakters, lernt seinen Bruder kennen und dabei auch sich selbst. Großartig ist Leopold Selinger als autistischer Bruder Raymond! Er hält die für Autisten so typischen Bewegungen, den starren Blick und die zögerlichen Schritte, die immer gleichen Handhaltungen das ganze Stück durch. Man ist irgendwie erleichtert, als er am Ende des Stückes als Leopold Selinger den tosenden Applaus mit feinem Lächeln entgegennimmt und man festsellt, was für ein „fescher Mann“ er eigentlich ist. Auch alle Nebenrollen sind perfekt besetzt: Sibylle Kos als Lucy, Bedienung und Barfrau, Ildiko Babos als Nutte, Rechtsanwältin und Psychiaterin, Hendrik Winkler als Polizist, Pfleger und Sachverständiger und Christoph Prückner als Dr. Bruner.
Die Mischung aus Komik, verhaltener,leicht melacholischer Tragik zieht durch das ganze Stück. Berührend sind die Szenen, in denen Charlie seinen Bruder tanzen lehrt und dieser dann scheu mit Susan tanzt, von Schritt zu Schritt mehr menschliche Nähe zulässt. Heiter-komisch Szenen, in denen Raymond all die Abstürze diverser Airlines aufzählt oder sich auch als waghalsiger Chauffeur des kostbaren alten Autos erweist. Es gab viel zu lachen und vieles, das tief berührt!