(Foto: pathétique, GCusin, MKimoto, AVandervelde. ©Wiener Staatsballett/Aschley Taylor)
Drei unterschiedliche Choreographien an einem Abend
Mozart: „divertimento Nr.15- Choreographie: Balanchine.
Feldman: „summerspace“ -Choreographie: Cunningham.
Tschaikowski: pathétique- Choreographie: Schläpfer.
George Balanchine: divertimento nr.15 (Mozart). Dirigent: Christoph Altstaedt

George Balanchine (1904-1983) war ein großer Verehrer Mozarts. Trotzdem blieb es nur bei dieser einen Choreographie. Unter der feinfühligen musikalischen Leitung von Christoph Altstaedt zaubern fünf Solistinnen, drei Solisten und acht Tänzerinnen ein heiteres Fest des Tanzes. In ihren an Meissner Porzellanpupppen erinnernden Kostümen (Karinska) meint man, die Figuren seien aus einem „tableau vivant“ entstiegen, Die Choreographie basiert zwar auf dem klassischen Ballet, ist jedoch bar jeder rigorosen Strenge. Alles wirkt aufgelockert, duftig und leicht. Das ganze Ensemble hat sichtlich Freude an diesem Frühlingsgruß – das Publikum ebenfalls, was der lange Applaus bewies.
Merce Cunningham (1919 -2009): „summerspace“. Musik Ixion für zwei Klaviere von Morton Feldman. Am Klavier: Johannes Pirto und Milica Zakic

Der Kontrast, für manche Zuseher vielleicht auch der Schock, zum vorigen Stück war groß. Vor einer Wand mit verschwommenen Sommerfarben tanzt ein großartiges Ensemble in farblich mit dem Hintergrund abgestimmten Trikots. Bühne, Kostüm und Licht entwarf der amerikansiche Pop-Artkünstler und Superstar in der New Yorker Kunstszene Robert Rauschenberg. Nach der Musik von Morton Feldman, die an eine tröpfelnde Dusche erinnert, tanzt ein engagiertes Ensemble, eher gleichen die Bewegungen Übungen nach geheimen geometrischen Mustern. Die Freude, Rebecca Horner wieder tanzen zu sehen, war allseits groß. Mit ihrer katzenartigen Geschmeidigkeit formte sie die nüchtern wirkende Choreographie zu interessanten Körperminiaturen.
Martin Schläpfer: „pathéthique“ – Uraufführung. Symphonie Nr. 6 von Tschaikowski. Dirigent: Christoph Altstädt.

Martin Schläpfer verlässt nach fünfjähriger Tätigkeit als Ballettdirektor Wien und zieht sich in die Einsamkeit der Schweizer Berge zurück. Dieser Abend mit der Choreographie der Pathéthique sollte das Abschiedsgeschenk an sein Publikum sein. Schwere Kost, düster verpackt. Vor einem grauschwarz gestreiftem Hintergrund, dessen Muster sich am Boden fortsetzt (Bühne: Thomas Mika) entwickelt sich nur schemenhaft eine Grundidee. Wenn etwa Frauen in geballter Formation gegen die Geschlossenheit der Männer vorgehen, sie zu verführen trachten, scheitern, wenn Männer in diversen pas de deux diskret sich zu ihrer Zuneigung bekennen. Das alles bleiben Vermutungen, Rätsel, die spannend anzusehen sind, aber nicht aufgehen. Vielmehr bietet Schläpfer einen dichten Katalog an schwierigen Einzelchoreographien, Soli, pas de deux und pas de trois, gespickt mit Ideen, die schwer oder gar nicht einzuordnen sind, etwa, wenn Tänzer auf einer Art Schlitten hereingezogen werden. Die Tragik der Musik – ganz hervorragend dirigiert von Christoph Altstaedt – bleibt manchmal auf der Strecke, weil man zu sehr mit Deutungs- und Einordnungsversuchen beschäftigt ist. Man staunt über die Leistungen des Ensembles. Es wäre unfair, einzelne hervorzuheben, da sie alle die überaus fordernde Choreographie perfekt umsetzen. Mit dieser Abschiedschoreographie hat Martin Schläpfer seinen ganzen Einfallsreichtum über das Publikum ausgeschüttet. Und diese Fülle ergibt letztendlich doch nur eine Ereignisleere. Der Moment des Mitgenommenwerdens bleibt aus. Das ändert auch nicht das nachgereichte Lied von Friedrich Händel „Süße Stille“, gesungen von Florina Illie, begleitet von Luka Kusztritch (Violine), Stephen Hopkins (Cembalo).
Das Publikum dankte Martin Schläpfer mit langem Applaus und standing ovation nicht nur für diesen Abend, sondern besonders für viele wunderbare vorangegangene Ballettabende.