Shakespeare: Hamlet. Landestheater Niederösterreich

Inszenierung: Rikki Henry, Bühne: Max Lindner. Kostüme: Cedrik Mpaka. Musik: Nils Strunk. Licht: Günter Zaworka

Rikki Henry ist ein junger Regisseur aus London. Als er an das Münchner Landestheater kam, lernte er Martin Kusej und Ulrich Rasche kennen. Von letzterem stammt das geflügelte Wort: „Theater muss unangenehm sein!“. Henry hat diese These inhaliert.

An Hamlet glauben viele Regisseure, sich abarbeiten zu dürfen, ihn neu erfinden zu müssen. Denn was Shakespeare so geschrieben hat, sei klassisch-bieder, fad. Deshalb Hamlet neu. So auch am Landestheater.

Hamlet ist ein spätpubertierender Jungerwachsener, eher noch ein Jugendlicher. Er träumt davon, den Mord an seinem Vater zu rächen. Im Traum stellt er Szenen so um, wie er sie haben möchte: Da bricht er dem Onkel und seiner Mutter das Genick – man hört die Knochen knacken und knirschen. Er schickt die Ophelia ins Kloster, aber sie geht nicht, statt dessen beginnt sie von „Sein und Nichtsein“ zu delirieren. Wirklich wahnsinnig scheint sie nicht zu werden. Aber sehr wohl fühlt sie sich nicht in ihrer Rolle zwischen Ophelia aus Shakespeare und dem Handy, mit dem sie vielleicht mit Hamlet oder Gott oder mit niemandem kommuniziert. Ertrunken findet man sie in der Wasserschüssel. Darf gelacht werden? Einige finden ja. Es gibt auch wirklich witzige Einfälle, die ein wenig die Langeweile, die diese Inszenierung verbreitet, mit Staunen durchmischt: Der Königshof guckt mit 3D-Brillen dem Schauspiel zu, in dem der Mord an Hamlets Vater nachgespielt wird. Ganz lustig, Wieder hie und da ein Lacher. Man ist irgendwie auch wirklich dankbar für solche Szenen. Denn: Den Text, den die Schauspieler so zwischen Hochsprache und Gags von sich geben (da reimt sich peinlicher Weise „Mutter“ auf „kaputter“, dann meint Claudius: Wir müssen den Hamlet los werden, sonst sehen wir alt aus) ist streckenweise kaum zu verstehen. Muss ja nicht sein – meint wohl der Regisseur, denn er bedient ja das Publikum mit genug Gags.

Am Ende viel Applaus und einige brummen und brüllen. Sind jetzt Tierlaute statt Bravorufen die Form der Akklamation, die zum „neuen Theater“ passen?

Ehrlich: Mir ist ein klassischer Hamlet lieber, da lasse ich mich gerne gestrig oder bieder schimpfen.

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Peter Shaffer, Equus. Theater Scala.

Auch heute noch, fast fünfzig Jahre nach der Uraufführung am britischen Nationaltheater, schockiert das Stück. Nicht jeder Zuschauer kann den Nacktszenen, den homoerotischen und an Sodomie anspielenden Szenen gelassen zusehen. Doch im Gegensatz zu den 7oer Jahren des vorigen Jahrhunderts ist man nicht über die Tatsache geschockt, dass ein 17 – jähriger Junge ein Pferd wie einen Gott verehrt und sich in einem orgiastischen Ritt gleichsam mit ihm vereint, sondern man ist geschockt, wie der Junge so sehr in Einsamkeit und Verzweiflung getrieben werden konnte, dass er sich diesen Ersatz für fehlende Wärme und Gefühle sucht.

Alan Strang (mutig und mit intensivem, körperlichem Einsatz von Angelo Konzett gespielt) wird in die Jugendpsychiatrie eingeliefert, nachdem er drei Pferden die Augen ausgestochen hat. Unter der kundigen Führung des Psychiaters Martin Dysart (hervorragend: Anelm Lipgens) löst er sich aus der Schockstarre und beginnt sich zu erinnern, bis er die ganze unheilvolle Nacht offen ausagiert. Ist das ein Weg zur Heilung, fragt sich Dysart? Was heißt überhaupt geheilt? – Dem Menschen seine Fähigkeit zu leiden, zur Leidenschaft zu nehmen und ihn in eine öde Normalität führen, ihn zu einem braven Bürger zu machen, der nichts mehr empfinden kann? Der Autor führt die Figuren an die Grenzen der Psychiatrie, formuliert die Zweifel des Psychiaters und stellt damit die Grundsatzfrage: Was kann Psychiatrie leisten? Welchen Menschen soll/darf sie aus dem Kranken machen? Was heißt „gesund“ und „krank“? Fragen, die sich auch der schizophrene Schriftsteller Thomas Melle in seinem Buch „Die Welt im Rücken“ stellt. (Joachim Meyerhoff hat es genial auf der Bühne umgesetzt)

Dem Regisseur Sam Madwar gelang eine dichte, beklemmende Inszenierung. Er stellte ein Holzpodium in die Mitte der Bühne, umgeben von Bänken, auf denen die Schauspieler auf ihren jeweiligen Einsatz warten. Einmal ist es der Behandlungsraum, dann der Stall mit den Pferden oder auch das Zuhause von Alan. Mit diesem nüchternen Bühnenbild nimmt Sam Madwar die Schwüle, die sich vielleicht einstellen könnte, vollkommen heraus. Nichts lenkt ab von dem intensiven Spiel der Darsteller, die alle großartig sind: Birgit Wolf als bigotte Mutter, die ihren Sohn in eine Art religiösen Wahn treibt. Christoph Prückner als Vater, der gegen den religiösen Fanatismus seiner Frau und seines Sohnes nicht ankommt. Großartig die drei Pferde, muskulöse Tänzer in schwarzen Strapsen, um das homoerotische Element zu betonen (Tom Wagenhammer, Eduard Martens, Bernardo Ribeiro). Den Mut, auf dem Mannpferd nackt zu reiten und den Orgasmus voll auszuagieren muss man an dem jungen Angelo Konzett voll bewundern. Ebenso auch Angela Ahlheim, die als junge Pferdenärrin Jill den schüchternen Alan zum Sex verführen will. Da er sich aber von den Pferden beobachtet fühlt, misslingt der Sex total. Aus Wut darüber sticht Alan den Pferden die Augen aus.

Am Ende bleiben ein erschöpfter und von Zweifeln an seiner Methode gequälter Psychiater und ein hilflos am Boden liegender, von allen Schutzhüllen entblößter Alan zurück. Und ein tief berührtes Publikum, das mit viel Applaus seine Bewunderung ausdrückt, aber auch die eigene Beklemmung wegklatscht.

Weitere Aufführungen bis zum 22.11. 2019 jeweils Di-Sa um 19.45h

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Wie versteckt man einen Elefanten? Kasino des Burgtheaters.

Von Joel Horwood nach dem Roman „The Great Elephant Chase“ von Gillian Cross.

Trotz strahlendem Spätsommerwetterwar das Kasino bis auf den letzten Platz ausverkauft. Mindestens ein Drittel des Publikums war zwischen vier und zehn Jahre alt.

Erwachsene wie Kinder hatten ihren Spaß! Erwachsene vielleicht noch mehr, da sie auch die feinen Anspielungen und den hintersinnigen Humor genießen konnten, der für de Kinder doch manchmal zu subtil war. Den Kindern war der Elefant Kush, der da in Lebensgröße über die Bühne stapfte und allerlei Unliebsames erlebte, ohnehin am wichtigsten! Hier gleich ein großes Lob an die vier Akteure, die dieses Pappmache-Tier über die Bühne bewegen mussten: Katharina Hallub, Daniel-Frantisek Kamen, Iris Schmid, Stephan Witzlinger. Bewegen allein war schon ein Kraftakt. Voller Einsatz war von ihnen verlangt, wenn es hieß, den Elefant in einem Waggon, in einer Scheune zu verstecken oder gar auf ein schwankendes Floß zu verfrachten. Verantwortlich für diese Elefantenakrobatik und den ganzen Bühnenzauber waren der Puppenmagier Mervyn Millar und der Regisseur Ingo Berk. Mit wenigen Mitteln und in Sekundenschnelle ließen sie Zeit, Ort- und Personen wechseln. Dafür brauchte es natürlich ein gut eingespieltes Ensemble, das mit körperlichem Höchsteinsatz und größter Konzentration diese schnellen Szenenwechsel bewerkstelligte.

Zu Beginn des Amerikanischen Bürgerkrieges, so etwa um 1860, zieht ein Magier (Markus Kiepe in einer seiner vier Rollen) mit seiner Tochter (Maresi Riegner) und einem Elefanten durch die Dörfer und Städte der Südstaaten. Trickreich luchst er den Bewohnern viel Geld ab, was wiederum die Gier eines Gaunerpärchens ( Gunter Eckes und Alexandra Henkel, beide in mehreren Rollen) hervorruft. Sie beschließen, den Elefanten zu kapern. Vater, Tochter und Elefant müssen fliehen, sich verstecken. Unfreiwillig mit auf der Flucht ist Tad – sympathisch und überzeugend gespielt von Leonard Dick-, der bisher wie ein Sklave von dem Gaunerpaar gehalten wurde und nun eine erste Ahnung bekommt, was Freiheit bedeutet. Wie das in einem Kinderstück so sein muss, werden die Bösen bestraft. Das Gaunerpärchen muss ins Gefängnis. Die beiden Jugendlichen und der Elefant landen glücklich bei der guten Tante Ketty. In dieser und mehreren anderen Rollen wieder einmal Elisabeth Augustin erleben zu dürfen, war reine Freude. Wie das ganze Stück den Alten und sehr Jungen reine Freude bereitete.

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„Der Vorname“ Französische Hitkomödie in den Kammerspielen.

„Unser Sohn wird Adolphe heißen“ – mit dieser Ankündigung schockt Vincent Larchet seine Freunde, die zu einem Abendessen bei Elisabeth und Pierre Garaut zusammentreffen. Darf man seinen Sohn so nennen? – Mit dieser Frage entzünden die Autoren Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière ein komödiantisches Feuerwerk der Sonderklasse. Mach- und Gangart der Komödie erinnert stark an Jasmine Rezas Stück „Der Gott des Gemetzels“: Man führt zu Beginn höfliche, in unserem Fall freundschaftliche Konversation. Alle Beteiligten haben beste Manieren und sind einigermaßen gebildet. Doch die Hülle fällt bald. Darunter schießt Schadenfreude an der Blamage des anderen hervor. Alle und alles wird aufgedeckt, ohne Rücksicht darauf, wie sehr man einander verletzt. Höhepunkt der „Aufklärungs- und Wahrheitscampagne“: Der schüchterne Claude gesteht seine Liebe zu der (auf der Bühne nicht anwesenden) Francoise, Mutter von Vincent und der Gastgeberin Elisabeth. Mehr als zwanzig Jahre Altersunterschied – der Gedanke ist für Vincent unerträglich. Seine Mutter hat ein Verhältnis mit seinem gleichaltrigen Freund! Wütend fällt er über ihn her.(Es ist anzunehmen, dass die bekannte Liebesgeschichte zwischen Macron und seiner Lehrerin zu dieser Wendung in der Komödie Pate stand)

Gegen Ende muss sich die Szene so weit abkühlen, dass das bürgerliche Wohlverhaltenbild wieder hergestellt ist. Doch die Wunden, die geschlagen und empfangen wurden, werden nicht so rasch verheilen. Aber gut erzogene Erwachsene werden sicher zur Tagesordnung übergehen, als wäre nichts gewesen.

Eine gut geschriebene komödiantische Satire auf die bürgerliche Gesellschaft.. Exzellent gespielt: Michael Dangl als Vincent Larchet spielt den verwöhnten, von allen Mädchen, später Frauen bewunderten Sonnyboy, der mit viel Hinterfotzigkeit die Freunde und Eheleute gegeneinander ausspielt, bis er selbst seinen Teil abbekommt. Susa Meyer ist die gestresste Hausfrau, die ihrem Ehemann endlich all ihren Frust entgegenschleudern darf. Herrlich ihr Abgang mit der Weinflasche in der Hand und dem Götzzitat im Mund! Ihr Ehemann (Markus Bluhm) bekommt von alles Seiten sein Fett ab, wird als Geizhals und lästiger Besserwisser abgestempelt. Schön langsam wird aus dem gebildeten Literaturprofessor eine ziemlich verunsicherte Existenz. Der fast bis zum Schluss schweigende Musiker und Freund aller Anwesenden (Oliver Rosskopf) bekommt gegen Ende des Stückes seinen Auftritt, als er von seiner Liebe zu der um Jahrzehnte älteren Francoise, Mutter von Vincent und Elisabeth, erzählt. Damit Vincent nicht all zu sehr der Kamm schwillt, dafür sorgt seine Freundin Anna (Michaela Klamminger) bravourös.

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Familie Flöz: Teatro Delusio im Theater Akzent

Si waren wieder da! Die genialen Masken der Familie Flöz. Voriges Jahr begeisterten sie das Publikum mit „Hotel Paradiso“, nun also mit der Produktion „Teatro Delusio“.

Die Familie Flöz ist eine internationale Theatercompagnie mit Sitz in Berlin. Sie spielen mit Gesichtsmasken, die obwohl starr, doch immer wieder Gefühle zeigen. Die kommen von den Spielern hinter den Masken. Es genügen kleinste Gesten, ein zartes Rucken mit dem Kopf – und schon versteht man: Diese Figur ist traurig, traurig über ihr Versagen. Dazu die Statements der Familie Flöz:

„Wir glauben, dass Masken eine ebenso universale wie geniale Erfindung des Menschen und untrennbar mit dem Theater und uns selbst verbunden sind. Wir glauben, dass das Scheitern im Leben die heimliche Hauptrolle spielt. Deshalb versuchen wir, dem Scheitern in unserer Arbeit einen wichtigen Platz einzuräumen.“

„Teatro Delusio spielt hinter der Bühne. Unsichtbar, hinter einer Bretterwand, hört man Musik aus diversen Opern und Applaus. Drei Bühnenarbeiter, der lange Ungeschickte, der kleine Angeber und der Dicke Aufpasser und Wichtigtuer mischen sich unter die Bühnenfiguren, die sich für ihren Auftritt oder den Endapplaus vorbereiten. Was dabei alles passiert, ist von einer tragischen Komik, wie man sie anderswo noch nie sah. Wenn der lange Ungeschickte sich in eine Balleteuse aus dem „Schwanensee“ verliebt und die beiden in der Klamottenkiste verschwinden, um sich ungestört dem Liebesspiel widmen zu können. Wenn der Ungeschickte, immer wieder vom Dicken attackiert, sein Felltierchen aus der Kiste holt und die beiden in seinem Heft lesen. Am Ende ist das arme Vieh dann tot. In unzähligen Szenen werden Eitelkeit, Bösartigkeit und auch die Liebe, Bewunderung in schneller Abfolge karikiert, immer mit dem verzeihenden Blick auf den Menschen an sich. Drei Darsteller schaffen die Illusion, dass sich an die dreißig Figuren auf der Bühne bewegen. Ein Kunststück der Sonderklasse. Und das alles ohne Worte!

Begeisterung beim Publikum!! Bitte bald wieder kommen!

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Choreographien von Forsythe, Van Manen, Kylián.

Wiener Staatsoper. Im Bild: Esina und Feyferlik in „Trois Gnossiennes“

ARTIFACT SUITE

CHOREOGRAFIE: FORSYTHE ZUR MUSIK VON BACH UND GROSSMANN – HECHT

Forsythe nannte die „Artifact Suite“ eine Ode an das Ballett. Fernab von den Hebefiguren, Pirouetten und Sprüngen des klassischen Balletts bewegen sich die Tänzer in extremen Streckungen und Dehnungen in den Raum hinein, als wollten sie ihn in seinen Dimensionen austesten. Dadurch entstehen neue Konstellationen, verblüffend meist. Nur hin und wieder schimmern klassische Ansätze durch. Zwei Paare (großartig: Nikisha Fogo und Jakob Feyferlik mit überschäumendem Jugendtemperament , Nina Polaková und Roman Lazik in verlangsamtem Ernst) werden eingerahmt, kommentiert von einer im Saal trainierenden Ballettgruppe. Dabei entstehen die witzigsten Bilder, wenn etwa die Gruppe nur mit den Beinen einen Lattenzaun bildet oder wie Körperuhren die Zeit anzeigt. Vieles daran erinnert an Bilder und Einfälle von Oskar Schlemmer. Als Überraschung fällt immer wieder einmal der Vorhang. Doch das Publikum ist gewitzt und weiß, es ist noch nicht zu Ende. Zur fast metronomartig wirkenden Klaviermusik von Grossmann-Hecht, die übergangslos eingespielt wird, bewegen sich die Tänzer in einem immer gleichbleibenden Bewegungsablauf, was bald eintönig wirkt.

TROIS GNOSSIENNES

CHOREOGRAPHIE: HANS VAN MANEN ZUR MUSIK VON ERIC SATIE

Ein Höhepunkt dieses Abends: Olga Esina und Jakob Feyferlik in einem Geschlechtertanz. Kalte Annäherung, ohne Emotion zunächst, erst als er sie wie eine Trophäe vor sich her trägt, entsteht leise Erotik. Das ist hohe Kunst: In dieser kalten Beziehungsgeschichte Annäherung zu tanzen! Olga Esina ist eine stilsichere Ikone des Balletts und Feyferlik ihr kongenialer Partner. Beide meistern diese Passagen ganz meisterlich!!

SOLO

CHOREOGRAPHIE: HANS VAN MANEN ZUR MUSIK VON BACH

Es darf gelacht werden! Masayu Kimoto, Richard Szabó und Dimitru Taran fegen wie ausgelassene Gassenbuben über die Bühne, wollen einander übertreffen und prahlerisch beeindrucken. Bewegungen aus der Commedia dell’Arte unterstreichen die Komik.

PSALMENSYMPHONIE

CHOREOGRAPHIE:JIRI KYLIÁN ZUR MUSIK VON STRAWINSKY

Rote Teppiche an der Hinterwand der Bühne und hochlehnige Sessel (Bühne: William Katz) zitieren einen Kirchenraum. Zu den schweren Klängen der Musik, begleitet von den Zitaten aus den Psalmen, schreiten die Tänzer langsam den Sakralraum aus, demütig einen Gott anbetend. Szene und Musik erinnern an Carl Orffs „Carmina Burana“ – monumental die Musik, monumental die Frage nach dem Wesentlichen, ausgedrückt in langsamen Bewegungen.

Alles in allem: Eine sehr beeindruckende Ensembleleistung. Durch diese revolutionierenden Choreographien wurde das Ballett von der Vergangenheit, in der die Ästhetik der Bewegungen bestimmend war, in eine neue Ära geführt.

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Eugène Ionesco: Die Stühle. Akademietheater

Der beste Ionesco, einen besseren findst du nit!

Was für ein Komödiantenpaar! Maria Happel und Michael Maertens in gewohnter Höchstform. Sie genießen ihre Übertreibungen, ihr Spiel mit dem blanken Unsinn! Erinnerungen steigen auf: Maertens klettert auf eine hohe Leiter, um auf das Meer zu schauen. – Becketts „Endspiel“ – auch da stieg er die Leiter rauf und runter, um über das Meer – ist gleich das Leben, das es nicht mehr gibt – zu berichten. In beiden Stücken leben die Protagonisten auf einer öden Insel, umgeben vom öden Meer.

Vor vielen, vielen Jahren sah ich „Die Stühle“ in Paris: da war es ein tragisch-trauriges Stück. Zu lachen gab es nichts, eher zu weinen. Weinen über die beiden Alten, die sich mit unsichtbaren Gästen unterhalten, sich noch einmal, bevor sie sich in Nichts auflösen, Bedeutung zuschreiben wollen. In Erinnerungen, Streit und blanken Unsinn sich überschlagen.

Jetzt: Eine Slapstick-Komödie. Ein Unsinn, Widersinn jagt den anderen. Sätze ohne Sinn, ausgefüllt und erfüllt mit Leben durch die komödiantische Kunst der beiden Protagonisten: Maria Happel in ihrem Riesenrock mit rot-weißem Petticoat, einem aus dem Bustier überquellenden Busen, das Gesicht puppenhaft im Stil der 20er Jahre geschminkt, und einer Perücke, die jedem Friseur Ehre macht, weil so unglaublich unwahrscheinlich, ist eine bezaubernde Semiramis. (Kostüme Margit Koppendorfer). Michael Maertens als ihr Ehemann hinkt in Altherrenhosen, die hoch bis zur Brust reichen und durch Hosenträger gehalten werden, über die Bühne. Wenn er in Selbstmitleid zerfließt und nach seiner Mama ruft, dann darf er sich auf den Knien seiner Semiramis hockend, wie ein Baby von ihr trösten lassen und genüsslich an ihrem Busen grapschen. Eine Szene, die man so schnell nicht vergessen wird!

Die beiden haben 70 Jahre Ehe hinter sich. Der Glanz ist ab, er jedoch braucht Bewunderung, will seine Weisheit und Lebensphilosophie den Gästen durch einen Redner verkünden. Für diese nicht existierenden Gäste, schleppt Semiramis Stühle. Wie sie das macht, ist Komödie pur! Er macht Konversation, stellt die Gäste einander vor. Beide versinken in ehrfürchtige Bücklinge, als sogar der Kaiser sich ankündigt. Während Ionesco die beiden Selbstmord begehen lässt, ändert das Regieduo Peymann/Haußmann das Ende: Die beiden Alten entschwinden Hand in Hand in einem Nebel des Glücks. Irgendwie tröstlich steigen zwei rosa Luftballons auf. Ein letztes Zeichen der Poesie des Unsinns.

Weniger passend ist der Schluss: Der lang erwartete Redner erscheint dann doch, latscht verlegen über die Bühne, spuckt ein paar unverständliche Laute aus und schreibt „Adieu“ auf die Bühne. Mavie Hörbiger fühlt sich in dieser Rolle sichtlich nicht wohl.

Dieser Abend ist dann doch irgendwie ein „Adieu“, ein Abschied von Peymann als Regisseur. Ihn wird man unter Kusej nicht mehr erleben. Fein, dass er in der Josefstadt ein neues Zuhause gefunden hat.

Bravorufe und lang anhaltender Applaus für das großartige Duo Happel/Maertens. So viel Vergnügen wird man wohl kaum in nächster Zeit an der Burg erleben können. Da erwartet uns schwere Kost. Daher: „Die Stühle“ nicht versäumen!

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Ferenc Molnar, Liliom. Salzburger Festspiele 2019

Jörg Pohl als Liliom und Maja Schöne als Julie waren die ideale Besetzung: hineingeworfen in eine ratlose Armut und Hoffnungslosigkeit klammert sich Julie an ihre Liebe zu Liliom. Dem fehlt die Sprache, um ihr seine Liebe zu gestehen. Auch die Gesten. In seiner Ratlosigkeit schlägt er sie. In stumpfsinniger Hilflosigkeit sucht er nach einer Geldquelle, um Julie und das Kind, das sie erwartet, durchzubringen. Der geplante Raubüberfall geht schief und Liliom ersticht sich. Ein Himmelsgericht schickt ihn nochmals auf Erden, um Liebe zu „lernen“. Der Lernversuch will nicht ganz gelingen.

Molnars Drama wurde von Alfred Polgar in Wienerische übertragen und übersetzt. Seither ist Liliom ein Wiener Strizzi aus dem Prater. Der Regisseur Kornél Mundruczo jedoch löst Figuren und Umgebung aus diesem üblichen Umfeld, siedelt die Handlung zwischen irgendwo hier und irgendwo dort oben an, mag sein im Himmel, den er mit den den komischesten Figuren bevölkert. Schwule, Beamte der Sonderklasse aBallettschwäne und anderes „witziges“ Volk. Es ist ganz offensichtlich, dass Mundruczo Scheu vor der Sozialromantik des Stückes (harter Bursche, aber innen weicher Kern) hat und deshalb zu ironisierenden Mitteln greift. So lässt er gleich zu Beginn die Bühne von Robotergreifarmen bestücken. Minutenlang „tragen“ sie Bäumchen für Bäumchen auf die Bühne, auch der Mond darf nicht fehlen, in dessen Licht sich Julie und Liliom küssen. Man schmunzelt, doch die Szenen bleiben außen vor – dem Herzen. Irgendwie kalt sieht man dem Geschehen zu. Erst als die Hauptszenen, in denen sich Liliom zwischen einer Rückkehr zu Frau Muskat (hervorragend gespielt von Oda Thormeyer) oder einem Leben mit Julie entscheiden muss, auf der Videowall groß eingespielt werden, greift das intensive Spiel zwischen den Dreien. Da kommt der Regisseur dem Kern des Stückes, der Aussage, die Molnar intendierte, ziemlich nahe.

Ratlos entlässt der Regisseur die Zuschauer am Ende: Liliom darf auf die Erde zurück. Er übt als unsichtbarer Liliom mit seiner Tochter Schnurspringen. Die Nagelprobe und der zentrale Satz Julies bleiben aus. „Es ist möglich, mein Kind, dass einem jemand schlägt, und es tut gar nicht weh.“ Durch die Streichung und Änderung der Schlussszene tilgt der Regisseur die zentrale Aussage Molnars: Liebe kann vieles verzeihen. Aber natürlich – im Zeitalter der Metoo-Hysterie ist so ein Gedanke völlig absurd.

Zusammengefasst: Tolle Schauspieler, witzige, manchmal nur schwer deutbare Regieeinfälle, die allzu häufig ausufern.

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Tennessee Williams: Die Glasmenagerie. Akademietheater

„Jeder Mensch ist ein Kannibale“ merkte Tennessee Williams zu diesem Stück an. Es gibt sie, diese „sanften“ Kannibalen, die den anderen die Luft zum Atmen nehmen. Diesmal ist es Amanda Wingfield, die ihren beiden erwachsenen Kindern, Tom und Laura, das Recht auf ein Leben nimmt, wie sie es leben wollen: Laura -zurückgezogen, in sich gekehrt, verträumt mit ihren Glastieren spielend, Tom, der sich als Dichter und Abenteurer sieht. Das Fatale dabei ist: Amanda hat recht, wenn sie die Lebensunfähigkeit bejammert, die Aussichtslosigkeit auf Besserung der Lebensumstände. Denn Williams schrieb dieses Stück in den 1940er Jahren, und da war der Mittelstand abgemeldet, chancenlos.

David Bösch inszeniert die „Glasmenagerie“ realistisch. Laura (Viktoria Frick) ist nicht die Verträumte, wie man sie aus vielen Verfilmungen in Erinnerung hat, sondern eher die Realistische, die glaubt, einsehen zu müssen, dass sie kein Recht auf „bürgerliches Glück“ hat, sich für völlig unbegabt hält, und deshalb keine Anstrengungen macht, sich für das „Leben da draußen“ zu rüsten. Die Mutter (großartig Regina Fritsch) will das nicht wahrhaben, redet sich die Tochter schön und schwärmt ihr pausenlos von ihrer eigenen Jugend vor, als sie von zahllosen Verehrern umgeben war. Man glaubt es ihr, denn sie ist noch immer eine (verblühende) Südstaatenschönheit, charmant, eitel und völlig unrealistisch. Wie sie ihren Sohn Tom quält, an ihm herumerziehen möchte, das erinnert sicher viele Zuschauer an ihre eigene Kindheit. Eigentlich ist die Mutter die Hauptperson in dieser Inszenierung. Regina Fritsch beherrscht ihre Kinder und das Bühnengeschehen.

An einigen Stellen verbröselt sich die Inszenierung in Langeweile, wenn die drei zum Beispiel minutenlang Karten spielen, ohne miteinander zu reden. Oder wenn Sohn Tom (Merlin Sandmeyer) betrunken in der trostlosen Dachwohnung herumtorkelt, das Bild des Vaters herunterreißt und vergeblich versucht, es wieder aufzuhängen. – Das Symbol ist allzu deutlich, und man ist verstimmt.

Ob der Einsatz von Video unbedingt notwendig war, ist fraglich. Alles in allem eine Inszenierung sehr à Terre.

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Wenn Andrea Breth Regie führt, weiß man, dass der Abend lang wird. Aber zweieinhalb Stunden ohne Pause – das ging über das Sitz- und Auffassungsvermögen so mancher Zuschauer weit hinaus. Noch dazu, wo sich streckenweise Langeweile einschlich. Und – was es teilweise unmöglich machte, der Aufführung zu folgen: Ab der 14. Reihe im Parkett waren ganze Passagen nicht mehr zu verstehen. Besonders schwierig war es, Ofczarek in der Rolle des bösen Bruders Bruno zu verstehen. Man konnte nur aus der Gestik und Körpersprache entnehmen, dass er ein geistig Zurückgebliebener und Bösartiger sein sollte. Was er vor sich hinnuschelte, blieb unklar. Auch andere Rollen waren streckenweise kaum zu verstehen. Man hatte das Gefühl, dass es den Schauspielern schwer fiel, den großen Raum des Burgtheaters akustisch zu füllen. Setzte sich Breth nicht bei der Generalprobe in die hinteren Reihen, um die Akustik zu überprüfen?

Gerhart Hauptmann hatte mit dem Stück seine liebe Not. Einige Male schrieb er es um, änderte den Titel und das Ende. Breths Inszenierung ist nicht gerade erhellend. Sie lässt das Ganze in einer Art Traumsequenz spielen – die Figuren sind nicht von dieser Welt: Sie stapfen durch Müll aus Geschirr, Möbeln und Papier (Martin Zehetgruber -Bühne), die Bühnenwände sind ständig in Bewegung, nur die Riesenratten aus Plastik stehen unbeweglich. Es wirkt nicht wie ein Stück aus dem Naturalismus. Die Sozialkritik, die Hauptmann ein Anliegen war, wird zum verwaschenen Symbolismus, Und die eigentliche Handlung um das entwendete Kind geht in einem Strudel von Unklarheiten unter. Den Schauspielern merkte man an, dass sie sich redlich bemühten, den Figuren Leben einzuhauchen. Die schwierigste Rolle der Frau John meisterte Johanna Wokalek recht gut. Sven- Eric Bechtolf durfte als schwadronierender Theaterdirektor brillieren. Die Ensembleleistung war insgesamt zu bewundern. Das Publikum auch. Fast alle hielten bis zum Ende durch. http://www.burgtheater.at

Joseph Roth: Radetzkymarsch. Theater in der Josefstadt

Regie und Dramatisierung: Elmar Goerden

Den Roman über den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie für das Theater zu adaptieren verlangt profundes Wissen über das Werk Joseph Roths, die Zeit und die historischen Fakten, aber ebenso viel Gespür, was im Theater möglich und wirksam ist. Elmar Goerden gelang die Umsetzung des Romans in ein Theaterstück perfekt! Durch die Einführung eines Erzählers, der kommentiert und die Gedanken der Figuren formuliert, die diese nicht auszusprechen wagen, bekommt das szenische Geschehen eine epische Erzählstruktur. Zugleich treibt Goerden seine Figuren in ein wahnwitzigen Tempo hinein – sie stolpern, rennen in den persönlichen Untergang und in den Untergang der alten Welt und der Monarchie. Vielleicht geschehen Schauplatz- und Rollenwechsel ( bis auf Joseph Lorenz und Florian Teichtmeister übernehmen alle mehrere Rollen) manchmal zu rasch. Wer mit dem Roman nicht vertraut ist, der mag manchmal Schwierigkeiten mit dem rasanten Ablauf haben.

Silvia Merlo und Ulf Stengl schufen ein fragiles Gebilde aus Papier und dünnen Holzleisten, das so schnell und leicht zusammenbricht wie die Monarchie.

Getragen wird der Abend von der intensiven Spielstärke des ganzen Ensembles. Da schwächelt nicht eine einzige Figur. Joseph Lorenz hat sich in der Rolle des Bezirkshauptmanns Freiherr von Trotta und Sipolje geradezu neu erfunden. Bisher kannte man ihn als Charmeur, Intrigant oder arroganten Ehemann. Nun also ein alter Mann, der präzise nach Reglement und Uhr lebt. Scheinbar liebeleer und einsam. Aber hinter der steifen Beamtenfassade hat er viel Liebe für seinen „patscherten“ Sohn Carl Joseph (großartig Florian Teichtmeister). Diesem Sohn „passiert“ das Leben, ohne dass er selbst viel dazu tut. Zwei Frauen (sehr wandlungsfähig: Pauline Knof) lieben ihn und bezahlen diese Liebe teuer. Er weiß von diesem Opfer nichts. Erstaunt sieht er die Welt um sich untergehen. Handlungsunfähig wird er von anderen bestimmt: Zuerst von seinem Vater, dann von den Frauen, später von den Militärkameraden. Und auch sein Tod „passiert“ ihm.

Eine besondere Doppelrolle spielt Andrea Jonasson. Als schwarz-düsterer Erzähler zu Beginn, dann als Graf Chojnicki. In einer starken Szene prophezeit sie/er hellsichtig und in verzweifelter Selbstironie den Untergang der Monarchie. Alles in allem ein interessanter und spannender Theaterabend.

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Komödie von Richard Alfieri, Übersetzung aus dem Amerikanischen von Johan Grumbrecht

Die Story folgt dem Strickmuster: Ältere Dame sucht (jüngeren) Tröster in einsamen Zeiten. Achtung Klischeegefahr! Aber: Wenn Klischee so gekonnt und amüsant gespielt wird, dann lässt man Kritik Kritik sein und lässt sich frohen Herzens vom Spiel mitreißen.

Oder beginnt nachzudenken, Parallelen zu ziehen, innerlich zu nicken. Gerührt sein, lachen, sich am Tanz erfreuen und nachher im Ballroom mittanzen – so Frau einen Tänzer findet.

Lily Harrison ist seit sechs Jahren Witwe (der Autor scheint eine innere Beziehung zur Zahl sechs zu haben). Außer mit einer lästigen alten Nachbarin hat sie keine Kontakte. Sie entschließt sich, einen Tanzlehrer ins Haus zu bestellen. Vielleicht bringt ihr der Tanz wieder Lebensfreude. Es tanzt ein vollkommen durchgedrehter Schwuler namens Michael Minetti an. Nichts passt zusammen: weder Sprache – er vulgär, sie gespreizt – noch Alter. Er zwischen 35 und 40, sie 64.

Sie „tanzen sich zusammen“ – und am Ende wird daraus Freundschaft, die sich bewährt, als Lily gegen ihren Krebs Bestrahlungen bekommt und er sich liebevoll um sie kümmert.

So weit, so rührend. Wären da nicht die beiden tollen Schauspieler: Andrea Eckert ist eine toughe, sportgestählte ältere Dame, die sich gerne elegant kleidet und vorgibt, tanzen lernen zu wollen. Zunächst mimt sie die aufmerksame Schülerin, doch blad wird klar, dass sie fast eine Profitänzerin ist. Hart gegen sich selbst, hart gegen den Tanzlehrer gesteht sie erst zögernd körperliche Schwächen ein, die sie mit Launen in den Wechseljahren abtut. Wie aus der unnahbaren Mittelstandslady eine um Freundschaft und Nähe heischende Frau wird, das ist die große Kunst von Andrea Eckert.

Markus Meyer als quirliger, überdrehter Tanzlehrer mit viel Herz ist einfach umwerfend. Wenn er seine Gliedmaßen durch den Raum schleudert, meint man, er hat Gummiknochen. Mit Bravour und viel Herz gewinnt er das Vertrauen der harten Lady. Am Ende können dann beide über ihre Probleme offen sprechen – sie über ihre langweilige Ehe mit einem Baptistenprediger, den frühen Tod ihrer Tochter, er über die Probleme, die er als Schwuler noch immer hat, über seine Mutter, die an Alzheimer erkrankte und die er bis zu ihrem Tod pflegte.

Richard Alfieri reißt einige gesellschaftliche Probleme an, aber in die Tiefe geht er nicht. Denn er will in erster Linie eine handwerklich gut gemachte Komödie schreiben, was ihm auch gelungen ist.

Nicht unerwähnt soll die Band bleiben, die sich ordentlich ins Schlagzeug legte: Leonhard Dickson am Schlagzeug, Andreas Radovan Gesang, Bass und Gitarre, Emily Stewart Percussion, Gesang und Violine, Alexander Wladigeroff Trompete, Gesang und Keyboard, Konstantin Wladigerpff Keyboard und Klarinette. Für das witzige Outfit von Markus Meyer und die eleganten Designerkleider von Andrea Eckert war Lejla Ganic zuständig. Für die flotte Regie Martina Gredler.

Viel Applaus und Bravorufe für das gesamte Team, besonders aber für Andrea Eckert und Markus Meyer.

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Kein Groschen, Brecht! off-theater

Mit Tamara Stern als alle Frauen rund um Bert BrechtAls die Biografie von John Fuegi, Brecht & Co 1997 auf Deutsch erschien, da schlugen die Wellen des Feuilletons hoch. Denn Fuegi zeichnete Brecht als miesen Kerl, der Frauen reihenweise schwängerte, sie verließ oder sie in die Zahl seiner Adorantinnen eingliederte. Vor allem wies er darauf hin, dass der böse Mann seine Frauen für ihn forschen, übersetzen und auch gleich dichten ließ. Das war für die Brechtanhänger einfach zu viel. Sie empörten sich und suchten eifrig nach Fehlern, die Fuegi in dieser Biografie gemacht hatte, um ihn als unglaubwürdig hinzustellen. Nach der kurzen Empörung wurde es ruhig um Brecht und Fuegi. Heute wollen es alle schon gewusst haben, dass Brecht kein ganz so feiner Mann war, dass zum Beispiel Elisabeth Hauptmann große Teile der „Dreigroschenoper“ verfasste und dafür keinen Groschen bekam.

Der Titel „Kein Groschen, Brecht!“ ist Programm und das Signal, mit dem Tamara Stern den Abend anlegt: „Ich bin die Frau hinter Brecht, die keiner kennt“ verkündet sie kämpferisch. Im einfachen schwarzen Kittel, derben Schuhen und mit schwarz umrandeten Augen ist sie eineinhalb Stunden Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann und all die Frauen, die man nicht kennt. All denen gibt Tamara Stern ihre Stimme. Und was für eine Stimme! Dunkel-grell, heftig, temperamentvoll interpretiert sie die bekannten Songs aus der Dreigroschenoper, die sie geschickt in Parallele zum Leben Brechts und seiner Frauen setzt. Hört man sonst diese Songs vielleicht ein wenig nebenbei – an diesem Abend leuchten sie in einem neuen Kontext auf und beginnen zu glänzen. Musikalisch begleitet wurde Tamara Stern am Klavier von Elise Mory. Für Regie, Texte und Bühne ist Ernst Kurt Weigel mit gewohnter Bravour zuständig.

Ein Abend, den man nicht versäumen sollte.

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Kathrin (Martina Stilp) und Arnold (Martin Niedermair)

Was kommt heraus, wenn sich ein begnadeter Autor (Stefan Vögel), ein stilsicherer Regisseur (Folke Braband) und ein Schauspielerteam, wie es besser nicht sein könnte, zusammentun? – Die perfekte Komödie mit Tiefgang!

Man lacht herzlich, aber fragt sich zugleich nachdenklich: Wie würde ich reagieren, wenn mir ein nahestehender Mensch mitteilt, dass er eine, nämlich meine Niere benötigt, um weiterleben zu können?

In einem schicken Wohnzimmer mit „coolen“ Möbeln (Stephan Dietrich) leben Arnold (Martin Niedermair), seines Zeichens aufstrebender Architekt, und seine Frau Kathrin (Martina Stilp). Er -sehr aufgeregt ob seines neuen Auftrages, einen 36 Stockwerke hohen Turm zu bauen, sie – deprimiert, weil sie gerade die Diagnose „Niereninsuffizienz“ erfahren hat. Wie es der Komödienteufel will, haben beide dieselbe Blutgruppe. Also – was liegt näher, dass der liebende Ehemann ihr liebend gerne seine Niere spenden wird? Oder doch nicht? Als das Ehepaar Diana (Pilar Aguilera) und Götz (Oliver Huether) sich in die Diskussion einmischen, drehen und winden sich die Argumente in blitzschneller Abfolge. Kaum hat sich der Zuschauer mit einem Argument einverstanden erklärt – schon hat sich alles ins Gegenteil verkehrt. Geschickt spielt Stefan Vögel mit allen gängigen Fakten rund um eine Organspende und entlässt den Zuschauer mit der Erkenntnis, dass es keine eindeutig „richtige“ Entscheidung in so einem Fall geben kann. Wesentlich ist, dass er mit Wortwitz und gutem Gespür für Situationskomik peinlichen Moralismus vermeidet. Deshalb und auch, weil alle vier Darsteller an ihren Rollen sichtlich Spaß haben , ist „Die Niere“ eine perfekte Komödie.

Langer Applaus und viele Bravos am Ende

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Akademietheater

Fassung und Bearbeitung: Florian Hirsch

Wer durchschaute einst und wer durchschaut heute das undurchschaubare Politgeschehen? Gustav Flaubert schrieb 1874 über dieses Thema die damals wie heute gültige Komödie „Der Kandidat“ und Carl Sternheim bearbeitete sie 1915. Seine Fassung unterschied sich nicht wesentlich von der Flauberts. 2018 aktualisierte Florian Hirsch die Komödie für das Akademietheater. Und wir stellen fest: Seit 1874 bis heute hat sich das Politkarussell nicht in Worten, Taten und Tempo verändert. – Verblüffend und doch eine Binsenwahrheit, die Flaubert-Sternheim-Hirsch sehr griffig erfasst haben.

Das Bühnenbild von Volker Hintermeier ist der eigentliche Akteur des Stückes: Eine hellglänzende Roulettescheibe, die sich dreht, nach vorne kippt und die Spieler zum Eiertanz auf der glatten Oberfläche zwingt, sie nach Lust und Laune zu Fall bringt oder überhaupt aus dem Geschehen katapultiert. Wenn das Publikum glaubt, als Unbeteiligte sich an dem Spiel um Macht und Geld ergötzen zu können, dann findet es sich plötzlich in dem auf dem Bühnenplafond angebrachten Spiegel wieder. Und aus ist es mit dem Unbeteiligtsein.

Aus Langeweile, weil er schon alles erreicht hat und ihn selbst der Immobilienmarkt nur mehr peripher interessiert, will der reiche Herr Russek (eventuelle Ähnlichkeiten mit Trump sind nicht zu überhören) in die Politik einsteigen, ohne das Geringste von dieser Schlangengrube zu verstehen. Köstlich, wie Gregor Bloéb den Wandel vom tumben Tor bis zum fiesen Sieger spielt, der mit unbeteiligter Stimme sein Angst machendes (weil Hirsch ganz genau die Aktualität hier eingeschrieben hat) Regierungsprogramm verkündet. Zuerst von Medien, einer Spindoktorin und diversen Gegenkandidaten umstellt, befreit er sich von diesem „Ballast“, um mit Hilfe des großen Medienmoguls als siegreicher Bewerber um das große Amt hervorzugehen. Ein Spiel, das wir alle kennen, schon xmal „durchschaut“ haben. Das ist vielleicht auch der Grund, warum die Spannung teilweise nachlässt. Zwar bemühen sich Regisseur und Darsteller, mit Tempo und körperlichem Einsatz das Publikum bei der Stange zu halten. Doch einmal mehr muss eine mangelnde Sprachdeutlichkeit moniert werden. Wie soll die auch bei dem Höllentempo und der erforderlichen Konzentration, auf der rotierenden Scheibe das Gleichgewicht zu halten, möglich sein? Und noch etwas muss wieder gesagt sein: Zu viel ist zu viel. Fast jeder zweite Theaterabend in Wien und Umgebung bemüht dieses Thema: Achtung vor dem Rechtspopulismus, Extremismus und der Rassendiskriminierung. Die Warnungen verpuffen, wenn sie zu oft und allzu plakativ erfolgen. Wie so oft: Weniger wäre mehr!

Was nicht unerwähnt bleiben soll, ist der körperliche Einsatz aller Akteure. Besonders Petra Morzé als Frau Russek, Sabine Haupt als Anwältin und Spindoktorin, Florian Teichtmeister als Grübel, Sebastian Wendelin als Bach und Dietmar König als Seidenschnur.

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Landestheater St. Pölten

Wie schreibt man ein bitterböses Kasperltheater auf jemanden, der sich täglich selbst zum Kasperl macht? Elfriede Jelinek hat es 2017 versucht. Nun ist ihr Stück über Donald Trump und die gesellschaftlichen Folgen seiner Präsidentschaft in der Inszenierung von Nikolaus Habjan am Landestheater St. Pölten zu sehen. 2013 schuf der Puppenmacher und Puppenkünstler die erste Jelinek-Puppe für das Stück „Schatten (Eurydike sagt)“. Da sitzt sie am Rande der Bühne und mokiert sich über ihr eigenes Stück. Eine zündende und damals einmalige Idee!

Nun nehmen die Autorin und Habjan diesen Trick wieder auf. Die Jelinek sitzt gleich dreifach auf die Bühne: einmal als Junge, dann als Mittelalterliche und schließlich als Alte, dem Tode hingeneigt, wie sie selbst sagt. Zu Beginn des Stückes wird sie geblendet und redet fortan als Seherin Kassandra oder, wenn man so will, als geblendeter Ödipus – auf diese Sage gibt es im Stück immer wieder Querverweise, die ziemlich an den Haaren herbeigeschrieben wirken. Als Blinde sieht sie aber, anders als Kassandra, keine Zukunft, die erscheint ihr nur finster. Zu diesem Handlungsstrang wird aus dem Off die Stimme der Autorin eingeblendet, die sich über ihr Alter beschwert und meint, sie habe eigentlich nichts mehr zu sagen.

Der andere Handlungsstrang spielt auf der eigentlichen Bühne, die Jakob Brossmann zu einem runden Pavillon, der sich bei Bedarf nach Innen öffnet und an das oval Office in Washington erinnert, gestaltete. In diesem Raum, der zugleich das Reich des Königs ist, wo eine Trumpfigur einmal als plärrendes Baby, dann als vergoldeter König Midas agiert, und ebenso die liebdienende Welt um ihn herum darstellt, lässt Habjan seine Puppen tanzen, quieken, schreien und manchmal schnell – allzu schnell und oft undeutlich werdend – sprechen. Vielleicht ist die Sprachundeutlichkeit ja gewollt. Trump versteht man ja auch nicht.

In der quirlig bunten Puppenwelt der Muppet Show und den Irrgängen der Jelineksprache sich zurecht zu finden, ist oft mühevoll. Gar manche Sequenzen rauschen als ungelöste Rätsel vorbei.

Weniger wäre mehr!

Dennoch – Anerkennungsapplaus für die Leistung der Schauspieler, die da waren: Hanna Binder, Tim Breyvogel, Sabrina Ceesay, Bettina Karl, Manuela Linshalm, Tilman Rose und natürlich für Nikolaus Habjan.

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Elisabeth- Joe Harriet lud als Erzherzogin von Österreich ins Hofmobiliendepot.

Würdevollen Schrittes, auf einen edlen Spazierstock gestützt, leitet die einzige Tochter des Kronprinzen Rudolf ihre Gäste durch die Räume des Hofmobiliendepots. Getragen ist ihre Vortragsweise, mit langen Pausen, als ob Erinnern schmerzt und den Atem nimmt. 500 Exponate sind im Depot ausgestellt, alle von ihr an die Republik Österreich geschenkt. Darunter Möbel, Bilder, Fotos und vieles mehr.

Obwohl nie Kaiserin, soll sie doch ein ziemlich imperiales, des Öfteren auch herrsiches Auftreten gehabt haben, wie Friedrich Weissensteiner in seinem interessanten Buch „Die rote Erzherzogin“ schreibt, das 1983 im Österreichischen Bundesverlag erschien.

Harriets Erzherzogin ist mehr eine Wehmütige, die in Erinnerungen an den geliebten Großvater, an die wenigen, kostbaren Stunden mit ihrem Vater und an die ungezwungenen Aufenthalte mit ihrer Großmutter Kaiserin Elisabeth in Miramar schwelgt. Von dem eigentlichen Zwiespalt zwischen hochadeliger Geburt und sozialistischer Parteimitgliedschaft, der sicher in diesem Charakter eingeschrieben war, erfährt man zu wenig.Als Tochter des Kronprinzen und als Enkelin des Kaisers ist sie gewohnt, selbstsicher aufzutreten. Den Adel konnte und wollte sie nie ablegen. Für die Außenwelt war sie nach dem Zerfall der Monarchie die „Gnädige Frau“, für ihr nahestehende Bedienstete blieb sie bis zum Lebensende die (kaiserliche) Hoheit. (An der Stelle soll auch die Schauspielerin Sylvia Reisinger lobend erwähnt werden, die als treue Dienerin Pepi Steghofer mitwirkte.) Und doch wurde die Erzherzogin – trotz dieses Habsburger-Hintergrundes – nach dem Zerfall der Monarchie Mitglied der Sozialistischen Partei und heiratete den Sozialdemokraten Leopold Petznek. Diese politische und seelische Wandlung, dieses Umdenken kam nicht von heute auf morgen, schon gar nicht aus Opportunismus. Freilich hatte sich Elisabeth Marie, von allen liebevoll „Erzsi“ genannt, schon als Jugendliche für die sozialen Probleme des Reiches interessiert und ihren Großvater auf die Missstände in den Armenbezirken Wiens hingewiesen. Als Hunger und Not am größten waren, teilte sie Gemüse und Obst aus ihrer Plantage im Schloss Schönau an die Bevölkerung aus. Diese Haltung war jedoch jedem Mitglied des Hofes als eine selbstverständliche in der Erziehung eingeschrieben. Caritative Tätigkeiten gehörten zum guten Ton. Elisabeth Marie half sicher nicht aus Pflichtbewusstsein, sondern aus einem tiefen Bedürfnis heraus. Damit ist ihr Engagement für die Partei jedoch nicht genügend erklärt. Weissensteiner sieht die starke liberale Neigung aus zwei Lebensströmungen gespeist: „aus dem väterlichen Erbe und als Abwehrreaktion gegen die Bigotterie der Mutter“. Sicher ist für viele Geschichtsinteressierte diese Frage am spannendsten. Natürlich hört man mit einem gewissen voyeuristischem Interesse Details aus der missglückten Ehe mit dem Fürsten Windisch-Graetz, der ein fürchterlicher Lump gewesen sein soll. Der Streit um die vier Kinder war ja der Skandal schlechthin, Gendarmerie rückte aus, die Arbeiter verhinderten eine gewaltsame Wegnahme der Kinder… Skandale, wie sie auch heute noch die Gazetten füllen. Aber das Leben als sozialistisch denkende Erzherzogin blieb ein wenig außen vor. Erwähnt wurde, dass Renner und Kreisky bei ihr zu Besuch waren. Was wollte sie, welche sozialistischen Ziele hatte sich die ehemalige Erzherzogin von Österreich gesetzt? Vielleicht plant Elisabeth-Joe Harriet darüber einmal ein neues szenisches Theater?

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Foto: Moritz Schell

Ein packendes Stück, von Stephanie Mohr mit der nötigen Demut vor dem Thema und dem Text – was heute unter Regisseuren schon selten ist – umgesetzt.

„Die Gegend kann i net auf dem Buckel mittragen“, sagt einer, der Haus und Hof verlassen muss. Von Vertreibung handelt das Stück. Vertreibung ist immer mit Gewalt verbunden. Da muss es einen geben, der das befiehlt, und andere, die sich nicht wehren können. Schönherr wählte für sein Drama das Schicksal der Tiroler Bauern, die 1837 auf Befehl des Kaisers Haus und Hof verlassen mussten, wenn sie protestantisch waren. Dass viele lieber ihrem Glauben treu blieben, mag heute so mancher Kritiker nicht verstehen. Da wird moniert, dass die Glaubensfrage heute kein Thema mehr ist. Das sind zu kurz gegriffene Einwände. Denn es geht um die Frage, wie weit man seiner Überzeugung treu bleibt. Der Unterschied zwischen Jägerstätter, der nicht in den Krieg ziehen will, weil er nicht töten will, und dem Bauern Christoph Rott – hervorragend gespielt von Raphael von Bergen- ist nicht auszumachen. Da wie dort stehen mutige Menschen, die sich vor keiner politischen Macht beugen.

Wieder einmal ist dieses Stück ein Beweis, über wieviel exzellente Schauspieler die Josefstadt verfügt. Da ist jede Rolle punktgenau besetzt, bis hin zum Schuster, der für die Ausgewiesenen die Schuhe nagelt.

Kostüme (Alfred Mayerhofer) und Bühnenbild (Miriam Busch) liefern gerade so viel Lokalkolorit wie nötig.

Wer das Stück bis zum Schluss aushält – einige verließen das Theater in der Pause -, dem wurde wieder einmal klar: Gewalt bleibt immer Gewalt, egal unter welchem Vorwand sie ausgeübt wird. Eine banale Erkenntnis? -Ja, aber immer wieder ist es nötig, sie vor Augen geführt zu bekommen.

Anhaltender Applaus und Bravorufe für das ganze Ensemble!

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Familie Flösz: Hotel Paradiso. Theater Akzent

Wenn Sie heute Abend noch nichts vorhaben: schnell, schnell ins Theater Akzent! Nützen Sie die Gelegenheit, diese Familie Flöz zu erleben!! Besonders, wenn Sie gerade ob des schlechten Wetters oder aus anderen Gründen ein wenig mieselsüchtig sind: Ich garantiere Ihnen, für eineinhalb Stunden werden Sie all Ihre Sorgen vergessen und die gute Laune kehrt für eine Weile zurück.

In dem kleinen Alpenhotel Paradiso gibt es alles andere als paradiesische Zustände. Die Besitzerin ist eine Alte, die mit ihrem Stock die Mannschaft in Schach hält. Die Mannschaft, die da ist: der tanzende Nachtportier, die herrschsüchtige „Managerin“, das Stubenmädel, das alles stiehlt, was herumliegt, und unter ihrem Kittel versteckt, und vor allem der Fleischer, der nicht nur das Schwein zersägt, sondern auch unliebsame Gäste. A propos Gäste: da marschieren herein: der Bankräuber, die Verliebte, der Manager und viele andere.

Vier Personen spielen etwa zehn Personen. In Masken, die ohne Worte mehr als nur Worte ausdrücken. Slapstick und eine witzig-spritzige Choreografie versetzen die Zuschauer ins reinste Entzücken. Wie gut tut das Lachen über die skurrilen Einfälle und die Schwächen der Masken, die wir doch alle in uns kennen.

HINGEHEN – Heute noch!

Mit: Philipp Hochmair und Die Elektrohand Gottes. Als Buhlschaft: Ulrike Beimpold.

Philipp Hochmair ist ein Berseker. Er schont sich nicht, er schont das Publikum nicht. Das weiß man, wenn man seine Performance besucht und schätzt seinen vollen Einsatz bei Kafka „Amerika“, seine ungewöhnliche Rezitation der Schillerschen Balladen oder seine Wertherinterpretation.

Doch im Jedermann übertreibt Hochmair bis zum Exzess. Lärm (seine Band sorgt im Übermaß dafür) und ein über weite Strecken unverständlicher Text machen die an sich interessante Performance zu einem Höllenspektakel. Würde man nicht den Text Hofmannsthals so ungefähr im Gedächtnis haben, wüsste man über weite Strecken nicht so recht, worum es geht. Bekanntlich spielt ja Hochmair immer alle Rollen. Diesmal leuchten zur besseren Orientierung des Publikums im Hintergrund die Namen der jeweiligen Rollen auf.

Es geht -no na – um den schäbigen Reichtum, den Jedermann anhäuft. Es geht um den Geiz und die Gier. Auch das ist bekannt. Es geht um die Unbarmherzigkeit. Es geht um die Angst vor dem Sterben. Alles bekannt. Um dem Bekannten eine neue Note zu geben, schreit, tobt Hochmair durch das Schicksal Jedermanns mit einem unermüdlichen Furor. Da gibt es keine leisen Töne, kein Innehalten, keine Änderung des Höllentempos. Es ist, als ob ein Pferd zum Sprung ansetzt und am höchsten Punkt mit allen vier Beinen in der Luft stehen bleibt, nie auf dem Boden landet. Da gibt es kein Ziel, keine Ankunft. Dieses Stilmittel – oder besser Unstilmittel – ermüdet und wirkt oft auch ungewollt lächerlich. Die einzige, die den Rasenden für kurze Zeit auf den Erdboden bringt, ist die Buhlschaft. Beimpold überzeugt und berührt. (Warum ist niemand auf die Idee gekommen, sie als Buhlschaft nach Salzburg zu rufen?)

Am Ende der Clownerie ist man froh, dass der tobende Jedermann seine Ruhe gefunden hat und man heimgehen darf.

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Deutsch von Corinna Brocher und Peter Zadek.

Vielleicht sollte ich den Vergleich nicht anstellen! Aber er bietet sich so heftig an: Während die Burgtheaterinszenierung des Ayckborn-Stückes „Schöne Bescherungen“ in einem überinszenierten Klamauk erstickte (Regie Barbara Frey), setzte Marcus Ganser (Inszenierung und Bühne) in der Komödie „Ab jetzt!“ ganz auf das Können seiner Schauspieler und schraubte die Klamaukkomik auf Null. Dass die Komödien des englischen Vielschreibers und gefeierten Autors ohne simple Gags und Slapstick direkter wirken, erlebte man in der Scala-Aufführung.

Es geht um die Fragen, wie menschlich kann ein Roboter sein. Wie gehen Menschen mit Robotern um, wie sehr machen sie sich von ihnen abhängig. Ayckbourn schrieb das Stück 1987 als eine Art Science-Fiction-Komödie. Man erschrickt, wie nah diese einstige Zukunft heute ist.

Jerome ist ein Techniknerd. Mitten in einem Kriegsgebiet lebt er, abgeschottet von der Außenwelt, in seinem Tonstudio. Seine Mitbewohnerin ist die Roboterfrau Gou, die er jedoch bald ziemlich genervt entsorgt, das heißt : vom Netz nimmt. Er braucht eine menschlich-echte Frau, denn er will seine Exfrau von seinem häuslichen Leben überzeugen, damit sie ihm den Umgang mit ihrer gemeinsamen Tochter gestattet. Die Schauspielerin Zoe soll diese Scheinidylle darstellen. Doch sie flieht, tief enttäuscht, da sie merkt, dieser Mann kann keine echten Gefühle aufbringen. Eine neue Roboter-in soll das besser hinkriegen. Gou 300F neu. Sie bezaubert tatsächlich alle, zähmt sogar die ungebärdige Tochter.

Ayckburn schrieb eine bittere Komödie: Menschen, die einmal von dem Technikvirus befallen sind, wie eben Jerome, können nicht mehr mit der Alltagsnormalität fertig werden. Er hätte die Chance, mit seiner Exfrau und der Tochter wieder neu anzufangen, aber er lässt sie verstreichen.

Wie immer im Theater Scala sind es die hervorragenden Leistungen der Schauspieler, die den Text in eine schräg-absurde Metaebene heben. Ganz besonders glänzen Christina Saginth in der Doppelrolle als dümmliche Roboterin und als verzweifelte Exfrau und Martine Dahne als aufgedrehte Nervensäge und als sexy Blondinenroboterin. Anselm Lipgens ist ein glaubhafter Nerd, Wolfgang Lesky ein überdrehter Sozialbeamter.

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Nach dem gleichnamigen Roman von Anna Weidenholzer

Es spielen: Petra Strasser, Elisabeth Veit, John F. Knittl

Inszenierung: Margit Mezgolich

Raumgestaltung: Agnes Hamvas

Kostüme: Katherina Kappert

Produktion: Liesa Marie Wondraschek

Ein Theaterabend der besonderen Art, den man auf keinen Fall versäumen soll!!

Alles an diesem Abend ist ungewöhnlich: Gespielt wird in einem aufgelassenem Gassenlokal im 14. Bezirk, drei SchauspielerInnen spielen ca. zehn Figuren, Bühne im herkömmlichen Sinn gibt es keine. Bei Raumbedarf werden die Zuschauer gebeten, sich wo anders hinzusetzen. Requisiten sind Bänke, Küchenstockerln aus den 50er Jahren, Kostüme könnten von Humana sein. Wie die Gruppe mit dieser Minimalausstattung einen intensives Theater hinbekommt, ist ein kleines Wunder

Alles klappt wie am Schnürchen: Blitzschnell wechseln die Personen ihre Rollen, blitzschnell ist ein und derselbe Raum einmal Wohnzimmer, dann Boutique, dann Arbeitsamt.

Rosa (Petra Strasser) ist 52 Jahre alt, hat 25 Jahre in einer Boutique gearbeitet und ist nun schon 2 Jahre arbeitslos. Ihr Gang zum Arbeitsamt ist die reinste Demütigung. Sie träumt sich zurück in ihr Leben, das auch nicht gerade rosig war. Elisabeth Veit ist Rosa in jungen Jahren, dann wieder die Kollegin in der Boutique, dann die Beamtin im Arbeitsamt. Kutil spielt den Boutiquenbesitzer, den Chef des Arbeitsamtes, den Ehemann der jungen Rosa und wenn Not an einer Frauenrolle ist – auch eine Frau. Dieser schnelle Rollenwechsel fasziniert und nimmt der traurigen Geschichte von Rosa, die völlig vereinsamt und ohne Aussicht auf Arbeit lebt, die Rührseligkeit, die eventuell in der Geschichte stecken könnte. Überraschung am Ende: Wer möchte, kann die ausgestellten Klamotten der Boutique (alle von Jungdesignerinnen) auch kaufen!

Infos

Spielort: Gassenlokal, 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 141, Eingang Gründorfgasse

Wiederaufnahme: 21., 22., 23., 28. Februar, 01., 02., 07., 08., 09. März.2019 Beginn : 19.30h

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Einer kommt mit dem Schiff im Hafen von New York an. Die Hoffnung, die Neugierde, die Angst vor dem Neuen, vorm Verlorensein. Die Freiheitsstatue – machtvoll, von der Freiheit kann der Ankömmling nur träumen. Enttäuschungen, Härten, Armut, Bitternis – all das erwartet ihn. Diese Amerika-Stereotype liest man häufig, in jüngster Zeit etwa in den beiden großartigen Romanen: Theodora Bauer, Chikago (sic) und Klaus Zehrer, Das Genie. (beide Romane sehr zu empfehlen!)

Karl Roßmann

Kafka war nie in Amerika. Und dennoch weiß er alles über dieses gigantische Land. Weiß von dem Moloch, der die Neuankömmling verschluckt, ausbeutet und ausspuckt. Dennoch ist es mit Karl Roßmann ein wenig anders. Wie anders, das holt Philipp Hochmair aus dem Text heraus. Er spielt Karl als einen „tumben Tor“, der mit seinen 17 Jahren noch nichts von der Bosheit der Menschen weiß, obwohl ihn seine Eltern ziemlich schroff hinausgeworfen und auf das Schiff nach Amerika verfrachtet haben. Philipp Hochmairs Karl ist halb Parzival, halb Don Quijote. Als edler junger Ritter kämpft er für den Heizer – erfolglos natürlich. Wie durch ein Wunder nimmt ihn ein reicher Onkel (das Klischee des „reichen Onkels von Amerika“, auf den in Europa viele gesetzt haben!) auf, bildet ihn aus, wirft ihn hinaus, als er sich über ihn ärgert. Und Karl stürzt völlig hilf- und ratlos, aber nie wirklich verzweifelt, von Stufe zu Stufe in den Abgrund. Bis er nach einer langen Zugfahrt im „Naturtheater von Oklahoma“ ankommt, sich bewirbt und engagiert wird.

Hochmair – das enfant terible

Philipp Hochmair ist kein Schauspieler, der sein Publikum in der Wohlfühlzone dösen lässt, wo sie einen gemütlichen Theaterabend genießen können. Gemütlich wird es nie, wenn er auf der Bühne ist, seinen Körper, seinen Geist, ja selbst die Bühnenbretter aufs Äußerste fordert. Er spielt nicht Karl, er sprüht ihn in die Zuschauer! Er redet nicht davon, wie Karl geschlagen wird, er schlägt ihn, er malträtiert ihn, wirft sich ungebremst auf die Bretter. Ist Karl, ist Onkel, ist Heizer, ist Gauner zugleich.

Philipp Hochmair ist ein Theaterereignis!

Das Publikum dankte ihm mit frenetischem Applaus, holte ihn wohl zehn Mal von ganz hintern nach vorne zur Rampe. Hochmair ging nicht, er stürmte vor, bis es ihm zu viel wurde und er abwinkte!! Auch ein Philipp Hochmair wird einmal müde.

Ich muss wieder einmal staunen, welch Geschick die Intendantin Maria Rötzer bei der Stückauswahl beweist. Da ist alles drin, was ein volles Haus sichert. Das Programm ist spannend, anspruchsvoll und niveauvoll. Schräge Verblödelung eines Textes gibt es nicht. Und das ist gut so.

In Wien fragt man sich immer wieder, was mit dem Volkstheater nach dem Abgang von Badora (endlich) geschehen soll. Warum so ratlos? Ein Blick auf das Landestheater Niederösterreich genügt, um die Marschrichtung für das Volkstheater festzulegen!!

Liebe Frau Mag. Kaup-Hasler tun Sie das

Ferdinand Raimunds Geister- und Feenstück, das vielen als eingestaubt und altbacken gilt, beginnt unter der Regie von Josef E. Köpplinger neu und frisch aufzuglänzen. Ganz wesentlich unterstützt von den phantasievollen Kostümen Alfred Mayerhofers, der die Geister der Zauberwelt in eine Mischung aus Faschings- und etwas bäuerlich angehauchten Gewänder steckte. Vor Beginn des Stückes hat das Stück schon begonnen: Am Rande der Bühne und im Zuschauerraum stolzieren Feen, kleine Geister und Gnome umher. Die Bühne – gestaltet von Walter Vogelweider – wird von der roten Leuchtschrift „GEISTERREICH“ beherrscht, die zur Szene passend einmal zu „geistreich“ oder „reich“ mutiert. Mit wenigen Versatzstücken befinden wir uns in dem „Palast“ des reich gewordenen Bauern, den Michael Dangl als polternd-derben Menschen spielt, der seine Ziehtochter (Lisa-Carolin Nemec) rüde durch Gegend schleudert, sie beschimpft und verjagt. Vielleicht wäre manchmal ein etwas gemildeteres Gepolter ganz gut. Immer und überall haben die bösen und die guten Geister ihre Hände mit im Spiel. Sie hüpfen, tanzen, turnen durch das Geschehen wie eine übermütige Straßenbubenbande. (Tolle Ensembleleistung!)

Gespannt wartet man natürlich auf den Auftritt oder besser den Abschied der Jugend. Allzu leicht kann das rührselig werden. Nicht so in dieser Inszenierung -Theresa Dax ist eine erfrischend frische Jugend mit einem hellen, ungekünstelten Sopran. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war Wolfgang Hüsch als das hohe Alter. Er spielt er diese Rolle machtvoll, herrisch und witzig zugleich. Das Publikum dankte und ehrte ihn mit Sonderapplaus. Heikel ist immer wieder die Rolle der Zufriedenheit. Julia Stemberger – im schlichten schwarzen Kleid – bringt die nötige Zurückhaltung für diese Rolle mit und kühlt den moralisierenden Text auf eine gute Alltagssprache herunter.

Unter der Leitung von Jürgen Goriup begleitet ein erfahrenes Ensemble das Spiel mit flotter Musik. Insgesamt ein äußerst gelungener Abend, der wieder einmal beweist, über welch großes und gut eingespieltes Ensemble die Josefstadt verfügt.

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Ein Schnitzler, in der Kühlbox des Lebens eingefroren!

Blassblaue Türen, blassblaue Wände. Alle sehr hoch, sehr schmal, ein kaltes Licht liegt über Raum und Figuren (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt und Kathrin Kemp). Die Regisseurin Matejka Koleznik macht aus den Schnitzlerfiguren blutleere Menschen, die nur eines wollen und tun: sterben. Gut, das ist das ewige Thema der Menschheit und insbesondere Schnitzlers. Nur: wie Koleznik sie uns vorsetzt, verlieren sie von vornherein jedes Leben, und das ist unfair dem Dichter gegenüber. Verstärkt wird der Eindruck der Leblosigkeit noch durch die einheitlich blassblauen Kostüme (Alan Hranitelj), die Hintergrundmusik und Hintergrundgeräusche, die leise durch den Raum sirren, und vor allem durch den Ton, der durch Microports gebrochen, hallig wirkt. Insbesondere dann, wenn die Figuren im Zwischenraum der Doppeltüren oder dahinter sprechen. Für alle, die das Pech haben, in einer Bühnenloge oder auf einem Randsitz im Parkett zu sitzen, wird aus dem Schau-Spiel streckenweise ein Hör -Spiel.

Schnitzler neu?

Ist ein Autor einmal mit Bildern und Tönen in den Hirnen der Zuschauer fixiert, ist es schwer, diese durch neue zu ersetzen. Jedem Regisseur, der so etwas wagt, dem sind Kritikerlorbeeren sicher. Ob die Zuschauer es goutieren? Noch dazu das Josefstädterpublikum! Die meisten von ihnen haben mindestens schon dreimal den „Einsamen Weg“ gesehen, einige vielleicht noch mit Leopold Rudolf als Sala. Der Applaus war freundlich, aber nicht mehr!

Die Schauspieler gaben ihr Bestes: Alma Hasun war eine nervöse Johanna, deren Gebärden an Patienten der Psychiatrie erinnerten. Bernhard Schir ein leicht lüsterner, mit dem Tod in einem koketten Spiel verbandelter Sala. Alexander Absenger musste einen weinerlichen, lebensuntüchtigen Felix darstellen. Maria Köstlinger durfte ihre Rolle als ironisch-herbe sitzengebliebene Geliebte des Malers auch nicht voll ausspielen. Ulrich Reinthaller als Maler Felix Fichtner stand immer irgendwie daneben … Was Schnitzler zu dieser Inszenierung gesagt hätte??

Weitere Infos:

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nach Fjodor M. Dostojewskij von Thomas Birkmeir

Thomas Birkmeir, Leiter des „Theater der Jugend“, ist bekannt dafür, dass er nie zimperlich in der Wahl der Stücke ist, wenn es darum geht, die Jugend herauszufordern. Kühn wie immer wagt er sich diesmal an Dostojewskijs Roman, bearbeitet ihn großartig und stellt geradezu ein Meisterwerk auf die Bühne. Ein Wagnis, das aufzugehen scheint, großartige Kritiken bekommt – zu Recht – aber: Wo bleiben die Jugendlichen? An dem Abend (22. Jänner) sah ich gerade einmal zwei Mädchen, ca 16, 17 Jahre alt, sonst nur Erwachsene.Im Programm steht: Für Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene. Im Interview auf Ö1 betont Birkmeir, dass er kein Problem damit habe, die Morde auf der Bühne zu zeigen und das Thema durchaus einem/r 13-Jährigen zumutbar sei . Ich wäre gerne mit einem (r) 13-Jährigen in der Vorstellung gewesen und mit ihm (ihr) danach darüber diskutiert – leider kenne ich keine(n).

Doch nun zur Aufführung: Die Bühne ist von einem blauen Lichtrahmen eingefasst, wodurch das Geschehen wie in einem Film abläuft und sehr heutig wirkt. Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch die schnellen Schnitte von Szene zu Szene. Außer einer versenkbaren Bank, die als Bett dient, einem Tisch und einem Sessel, die bei Bedarf hergeräumt werden, ist die Bühne leer. Die Konzentration des Publikums fokussiert sich auf die Schauspieler, den Dialog und die Handlung. Der Jusstudent Raskolnikow, sehr intelligent, aber bettelarm, maßt sich an, Herr über das Leben „sozialer Ratten, die nicht wert sind zu leben“, zu sein. Den ersten Mord begeht er aus dieser Überzeugung, den zweiten als Folge des ersten. Auf der Bühne sieht man Raskolnikov, der mit der Axt den Schädel zweier Frauen spaltet. (Nietzsches Übermensch war da noch nicht geschrieben!) Mit Jakob Eisenwenger hat Birkmeir den idealen Raskolnikow gefunden. Nervig, hochsensibel, hochexplosiv, klug, hinterhältig, brutal, eingebildet, selbstverliebt – das alles und mehr ist Raskolnikow, ist Eisenwenger. Alle Rollen um ihn herum, spielen auf demselben hohen Niveau und machen das Stück zu einem spannenden, reißerischen (muss so sein, es geht ja um Mord), intensiven Theaterabend.

Was geht nun im Zuschauer vor? – Verurteilt man den Mörder, hat man Mitleid mit ihm, weil er tatsächlich ein armer Teufel ist? Unweigerlich zieht man die Parallele zur heutigen Zeit (ist ja wohl der Grund der Stückweahl), in der Brutalität als „cool“ gilt und Zuschlagen die Auseinandersetzung auf politischer Ebene ersetzt. Vielleicht denkt so mancher an die Scharia, in der Ehrenmord akzeptiert, ja gefordert wird. Vielleicht denkt man an viele Jugendliche, die aus ihrer Heimat flohen und hier im Westen in einer für sie „verkommenen Moralgesellschaft“ angekommen sind und ihre Unsicherheit nicht anders als mit Gewalt überspielen können. Die Parallelen zur Gegenwart drängen sich vielfältig auf. Und zuletzt wird man noch vor die Frage gestellt: Kann man Raskolnikow seine Reue glauben? Kann man ihm vergeben?

Ein ganz schön forderndes Stück, jenseits von Moralpredigten!!

Infos unter: http://www.tdj.at


Nach „Schönen Bescherungen“ im Burgtheater ist „Josef und Maria“ – eine wahre Wohltat, ein echtes Geschenk. Peter Turrinis Theaterpranke und Schauspieler wie Ulli Maier und Johannes Silberschneider „bescheren“ dem Publikum einen Abend der Sonderklasse!

Höchste Schauspielkunst

Kunstschnee, ein roter Riesenball (Bühne: Florian Etti), leise Schmeichelmusik, eine Stimme aus dem Off (Herbert Föttinger) preist Verkaufshits an, wünscht ein schönes Fest und verkündet die Schließung des Kaufhauses. Die Eisbärendekos rollen weg und die Putzfrau Maria (Ulli Maier) schlurft lustlos herein, zieht sich um, redet mit sich, träumt von einem Weihnachtsfest mit ihrem Sohn, Schwiegertochter und Enkel, weiß aber, dass sie längst schon ausgeladen wurde. Der Nachtwächter Josef (Johannes Silberschneider) stört ihren Monolog. Nun entwickelt sich zwischen den beiden ein ganz intimes Spiel. Zunächst redet jeder vor sich hin, erinnert sich an die eigene Vergangenheit, Maria an ihre „Karriere“ als Künstlerin, Josef an sein Scheitern als Revolutionär. Doch mehr und mehr legen sie ihre Masken ab, hören dem anderen zu, gestehen sich und dem noch immer fremden Visavis ihre zukunftslose Gegenwart und ihre Sehnsucht nach Liebe. Beide erkennen, wie allein jeder ist. Ohne Rührseligkeit entstehen dichte Momente, wie sie selten im Theater zu erleben sind. Die Mischung aus stillem Humor und einem Schuss Absurdität hebt das Stück aus jeder Banalität.

Die Größe der Lächerlichkeit (Turrini)

Peter Turrini schrieb „Josef und Maria“ in den 1990er Jahren, und es hat bis heute nichts an Aktualität verloren: Die Alten, die Armen werden irgendwo versteckt, abgeschoben. In einem Brief aus dem Jahr 1992 schrieb Turrini: „Ich bin nicht der Deix der österreichischen Literatur. Alle meine Figuren, die Lächerlichsten und Ausgestoßensten, haben eine Würde….Heute ist es…Mode, vor allem in der Literatur, im Menschen nur und ausschließlich einen Haufen oder ein Häufchen Dreck zu sehen.“(Nachzulesen im Programmheft) Diese Würde haben Josef und Maria in jedem Moment, dank der großartigen Schauspielkunst von Ulli Maier und Johannes Silberschneider. Dass sich Maria und Josef in einer stillen Liebe finden, ist eine tröstliche Botschaft, die der Regisseur Alexander Kubelka mit Fingerspitzengefühl und Respekt inszeniert hat.

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Albtraum-Bescherung über gefühlte vier Stunden. Angegebene Spielzeit: Zweieinhalb. Was die Burg an bekannten Namen hat, wird aufgeboten und müht sich redlich, aus dem Stück eine Komödie zu machen: Nicholas Ofczarek als Bastelonkel, Katharina Lorenz als Nervensäge, Maria Happel als komische Figur, Falk Rockstroh als schießwütiger Onkel, Michael Maertens als vertrottelter Arzt, der mit seinem Puppentheater alle nervt, Dörte Lysseewski als komisches Hippiegirl, Tino Hillebrand und Marie – Luise Stockinger als nichtssagendes Ehepaar und Fabian Krüger als Jungschriftsteller. Krüger als hilfloser, unfreiwilliger Don Juan hat noch die beste Rolle – und er weiß sie zu nützen.

Was dem Stück fehlt, ist Spannung. Ein Gag spult nach dem anderen ab. Der Witz kommt aus der tiefsten Schublade und ist immer vorhersehbar. Da ist auch eine Regisseurin wie Barbara Frey überfordert: Wo nix ist, da kann man auch nichts hineinbasteln. Das Publikum lacht brav bei den Gags, aber der Applaus ist nicht mehr als freundlich.

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Werner Schwab: Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos. Akademietheater.

Mit den Puppen von Nikolaus Habjan

Ein Sprachberserker wie Werner Schwab braucht einen Theaterberserker wie Nikolaus Habjan. Er schuf die grauslichsten Puppen für die grauslichen Bewohner des Zinshauses, vielleicht genau so, wie Werner Schwab – wenn er noch lebte – sie hätte haben wollte. Mit ihrem breiten Maul und ihren entsetzlich-hässlichen Gesichtern dürfen sie alle Schweinerein in das Publikum hinaustönen. Und nie wirkt es peinlich, übertrieben. Den Puppen nimmt man alle Gemeinheiten ab – vielleicht deshalb, weil sie Puppen sind. Würden Schauspieler diese abgründig-schweinischen Texte sprechen, wäre die Aufnahme im Publikum weniger gnädig. Einige würden sicher empört den Saal verlassen – wie etwa bei den „Präsidentinnen“, wo nur Schauspielerinnen agieren, geschehen. Puppen schaffen Distanz und in dieser Distanz ist ihnen alles erlaubt: Da beschimpft die bösartige Mutter ihren debilen Sohn, der wiederum träumt davon, ihr ein Messer ins Gehirn oder in die Vagina zu treiben. Ein Vater vergewaltigt genüsslich seine beiden Töchter, die Mutter schaut gelassen zu. Die ganze Familie säuft.

Die Puppen werden wie durch Zauberhand von Nikolaus Habjan, Manuela Linshalm, Sarah Viktoria Frick und Alexandra Henkel hochprofessionell bespielt und belebt.

Nestroy und Bernhard lassen grüßen

In einem aus Plastikhaut bestehendem Wohnhaus (Bühne:Jakob Brossmann – zum Geschehen perfekt hingebaut) agiert, schimpft, droht, flucht der Pöbel im Erdgeschoß – beobachtet und beherrscht von Frau Grollfeuer – grandios, ganz ohne Puppenmaske dargestellt von Parbara Petritsch. Sie ist die Hausbesitzerin und schaut vom ersten Stock auf das Treiben ihrer Mieter herab. (Nestroy lässt grüßen!). Dazu muss angemerkt werden, dass Werner Schwab mit dem Stück keine Sozialkritik intendierte: „Meine Aufgabe ist, die Dinge bei sich zu lassen, anzusehen, auszubauen, und nicht zu kritisieren“ (Nachzulesen im Programmheft, Auszug eines Interviews, das Joachim Lux 1992 mit dem Autor führte)

Im zweiten Teil lädt Frau Grollfeuer die ganze Mischpoche anlässlich ihres Geburtstages zu sich in den Oberstock ein. Alle schaufeln gierig, saufen, was das Zeug hält, bis sie tot umfallen, von Frau Grollfeuer genüsslich vergiftet. Danach hält sie in einem Bernhard ähnlichen Monolog (Chapeau für diese Meisterleistung!) Abrechnung mit ihrem Egoismus und Selbstverliebtheit. Beides hat sie in die Alterseinsamkeit getrieben. Keine Lösung außer vielleicht Selbstmord durch Zutodesaufen in Sicht. Nebel und ein Urknall lassen das Plastikhaus zusammenbrechen. Anzumerken wäre, dass die übertriebene Länge des Monologs sehr viel von der Wirkung nimmt. Kürzen wäre keine schlechte Idee!

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Medea, Simon Stone nach Euripides

Am besten, man vergisst vom Anfang an Euripides und Grillparzer. Denn diese Medea hat nur peripher mit der antiken Figur zu tun: Sie ist mit einer Memme verheiratet, hat mit ihm zwei Kinder, ist rasend auf die junge Geliebte eifersüchtig, bringt sie um, zündet Haus, Kinder und sich am Ende an. Ihr Mann bleibt fassungslos über.

Hat man als Zuschauer erst einmal die tragische Figur der Medea aus dem Gehirn verbannt und sich auf Anna, Ärztin und psychisch sehr labil (Caroline Peters) eingestellt, dann erlebt man einen spannenden Abend, dem allerdings die Fallhöhe, die tiefe Tragik einer antiken Figur fehlt. Es ist ein Ehedrama, wie man es zwar nicht alltäglich (Gott sei Dank) erlebt, aber das Grundschema – Frau wird für eine jüngere Geliebte stehen gelassen und reagiert heftig – ist ziemlich häufig. Stone bricht die Tragik ins Verstehbare hinunter, verankert die schaurigen Taten Annas in ihrer gekränkten Eifersucht und banalisiert sie so.

Stechend weiße Mauern, an denen das Auge keinen Halt findet, umgeben die Figuren. Sie tauchen auf, verschwinden im Nichts, Schemen ihrer eigenen Persönlichkeit. Regie (Simon Stone) und Bühnenbild (Bob Cousins) setzen konsequent auf klinisch-kaltes Ambiente.

Anna wird aus der psychiatrischen Anstalt entlassen. Ihr Mann (Steven Scharf) erwartet sie. Der distanzierte Dialog zwischen den beiden wird über ein Video übertragen -man erlebt die Hoffnung, dann die langsame Enttäuschung Annas, die auf einen Neuanfang gehofft hat. Caroline Peters spielt diese nervige Anna ganz grandios.

Spannung baut sich auf

In der ersten Hälft zieht sich die Handlung dahin, von unnötigen Passagen unterbrochen und in ziemlich abgehackten und banalen Dialogen erstickend. Ab der Mitte wird es dicht. Anna und Lukas sind im innersten Kampf und wir erfahren, dass Anna als Wissenschaftlerin auf die Lorbeeren ihrer Forschung zu Gunsten ihres mittelmäßig begabten Mannes gerne und aus Liebe zu ihm verzichtete. Doch er dankte ihr es nicht, sondern machte sich an die Tochter des Firmenbesitzers (ziemlich farblos: Mavie Hörbiger) heran. Von da an rast Anna und rastet aus. Vergiftet so peu à peu ihren Mann (schon ziemlich heftige Eifersucht!, aber solche Eifersuchtsaktionen sollen ja häufiger vorkommen als man gemeinhin annimmt), kämpft verbissen um Mann und Kinder. Wie Caroline Peters diesen Kampf konsequent bis zur Raserei darstellt, ist große Schauspielkunst. Steven Scharf als ihr Mann Lucas (für den erkrankten Meyerhoff) ist die ideale Besetzung: Feige, immer ausweichend, hoffend, dass sich Anna verständig zeigen wird. Der furiose Schluss beeindruckt: Anna bedeckt sich und ihre Kinder mit Asche, die langsam von oben herabrieselt.

Lange Applaus und für Caroline Peters viele Bravorufe

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Das hässliche Entlein und Tausendundeine Nacht am 21. Dezember 2019

Der Titel „Märchenwelt“ erfüllt sich voll und ganz – nicht nur für Kinder, die begeistert mitgehen, auch für Erwachsene, sofern sie Märchen und Ballett lieben. Die Kombination beider ist perfekt gelungen.

Das hässliche Entlein – Musik: Mussorgski/Ravel, Choreographie: Andrey Kaydanovskiy

Die Geschichte ist einfach und für Kinder gut verstehbar: Das hässliche Entlein – an diesem Abend getanzt von Alexander Kadem – wird am Hühnerhof von allen zurückgestoßen, muss ihn verlassen, zieht hinaus in die Welt und macht einige traurige Erfahrungen. Erst als Schwäne ihn als einen der Ihrigen anerkennen und er zum „stolzen Schwan“ mutiert, ist die Welt für ihn in Ordnung. Mit Humor und viel Witz wird die offensichtliche moralische Aussage des Märchens durchkreuzt. Denn nichts ist peinlicher als ein allzu offensichtlicher Zeigefinger.

Das Ensemble der Schwäne, Enten und Hühner tanzt entzückend, besonders humorvoll sind die Rollen der beiden Küken (Zuzanna Kvassayova und Mila Schmidt). Wenn sie in Kükenmanier über die Bühne watscheln, ist man schon mitten in der Welt der Hühner! Alexander Kaden als hässlicher Schwan ist rührend traurig, man leidet mit ihm. Eine Bitte hätte ich an den Dirigenten Alfred Eschwé: Am Beginn der „Bilder einer Ausstellung“ die Bläser weniger martialisch erklingen lassen!

Tausendundeine Nacht- Musik Nikolai Rimski-Korsakow: Scheherazade“. Choreographie: Vesna Orlic

Nicolaus Hagg adaptierte den Text aus „Tausendundeine Nacht“ geschickt für das Ballett, indem er den „Guten Geist aus der Lampe“ als Erzähler einführte. Kinder und Erwachsene waren von Boris Eder als launig-kauziger Erzähler im bunten Märchengeand schwer begeistert! Als er in einer Riesenlampe mitten im Publikum erschien, da kannte das Entzücken der jungen Zuschauer keine Grenzen!

Aladin ( Felipe Vieira) liebt schon seit seiner Kindheit die Prinzessin Budur (Dominika Kovacs-Galavics), ohne zu wissen, dass sie eine Prinzessin ist. An ihrem 18. Geburtstag hält ein reicher Wesir (Samuel Colombet) um ihre Hand an. Als sie ihn zurückweist, lässt er sie von seiner Truppe entführen. Der tapfere Aladin kämpft sie frei und bekommt sie zur Frau. In einer zauberhaften Kulisse und in farbenreichen Kostümen (beides: Alexandra Burgstaller) wird vom ganzen Ensemble mit ganzem Einsatz getanzt. Unter den wirklich guten Leistungen möchte ich Felipe Vieira als Aladin und Samuel Colombet als Wesir ganz besonders hervorheben. Die beiden legen Kampfszenen hin, dass man nur staunen kann! Sie wären durchaus als Solistin geeignet!

Ein amüsanter Ballettabend auf hohem Niveau, nicht nur für Kinder!

Weitere Termine unter:

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Natürlich denkt man sofort an Schnitzlers „Reigen“, insbesondere an die Szene „Das süße Mädel und der Dichter“. Glattauer dreht jedoch die Verhältnisse um: Das süße Mädel ist gar nicht süß. Martina Ebm als Lisa ist frech, selbstbewusst, vor allem jung und heizt dem um Jahrzehnte älteren und arroganten Dichter Frederic Trömerbusch (August Zirner) ganz ordentlich ein, reduziert seinen männlichen Stolz auf Null, empfiehlt ihm Viagra, gibt ihm zu verstehen, dass sie von seinen Romanen ebenso wenig hält wie von seiner Männlichkeit. In dieser Schlüsselszene zeigen beide ihr Können: Ohne ins Klischee des abgehalfterten Dichters und Mannes allzu sehr abzugleiten, lässt August Zirner die Verletzlichkeit spüren, die in dem großen  „Dichterfürsten“ liegt. Martina Ebm ist ehrlich, brutal -offen und fast unsympathisch in ihrer aufdringlichen Jugendlichkeit. Glattauer spielt hier gekonnt mit dem Klischee „älterer Mann“ und „junge Frau“. 

Klischees aufzudecken, sie vordergründig zu bedienen und zugleich zu demaskieren, ist ja Glattauers Stärke. Er lässt das Stück in einem ehemaligen Luxushotel, das seine Glanzzeit schon lange hinter sich gelassen hat, spielen. Fauteuils, Betten aus den frühen 60er Jahren, eine verblasste Tapete füllen die Bühne (Ece Anisoglou). Der verzweifelte Erbe dieses schäbigen Hotels mit dem bezeichnenden Namen David-Christian  Reichenshoffer  (Dominic Oley) – er hofft vergeblich auf reiche Gäste -möchte mit  Lesungen und Interviews bekannter Persönlichkeiten ein kulturaffines Publikum anlocken. Susa Meyer als supergut vorbereitete und in Anbetung erstarrende Interviewerin und August Zirner als gelangweilter „großer Dichter“ sind das Paradebeispiel für Interviews der langweiligsten Art, wie man sie aus „Gesprächsrunden mit wichtigen Persönlichkeiten“ aus Radio oder Fernsehen kennt. Alles geht schief, der Dichter boykottiert die Fragen der allzu peniblen Moderatorin, der Hotelbesitzer erkennt, dass mit den „Sternstunden“, wie er die Gespräche nennt, keine Gäste anzulocken sind. „Ich habe ein Kulturhotel und keine Kultur“ – mit dieser Erkenntnis kündigt er seiner glücklosen Moderatorin.

Daniel Glattauer hat wieder einmal dem Hang nach einem positiven Schluss nachgegeben und lässt die beiden Verzweifelten, den gerade von seiner jungen Geliebten geschassten Dichter, und die arbeitslose Moderatorin zusammenfinden. Die energiegeladene Lisa angelt sich den gescheiterten Hotelier. So ein Schluss verlangt von den Schauspielern eine gehörige Portion Ironie, um sie aus dem Griff des all zu Platten zu befreien. Das Quartett schafft das locker, professionell unterstütz vom Regisseur Michael Kreihsl.

Man schmunzelt, lacht, erkennt eigene Eitelkeiten und die unserer Gesellschaft. Perfekt, vielleicht ein wenig zu glatt-perfekt. Unterhaltsam allemal.

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Dürrenmatts alte Dame hat wieder einmal Hochkonjunktur. Im Burgtheater versucht Maria Happel sie nicht ganz überzeugend darzustellen, im ORF konnte man Christiane Hörbiger in einem Film aus 2008 als das weichgespülte Monster sehen. Nun also die Inszenierung von Stephan Müller mit Andrea Jonasson in der Hauptrolle. Ein Vergleich der beiden Darstellerinnen Hörbiger und Jonasson zeigt die große Bandbreite  an Interpretationsmöglichkeiten dieser Figur auf: Christiane Hörbiger ist nicht mit ganzer Seele die Rächerin, sie hätte ganz gern auch ein wenig Mitleid mit Ill. Manchmal schimmert in ihren Augen so etwas wie wehmütige Erinnerungsliebe auf. Tatsächlich versucht sie am Schluss den Mord an Ill noch zu verhindern – zu spät, die Güllener haben bereits zugeschlagen.

Ganz anders geht der Regisseur Stephan Müller die Sache an: Radikal, brutal, dämonisch, herrschsüchtig, ohne Mitleid, ohne sentimentale Erinnerungen fordert Claire Zachanassian den Tod Ills. Wenn Andrea Jonasson den Güllenern den Besuch abstattet, dann weiß der Zuschauer sofort: Sie kennt kein Pardon. Sie wird ihr Ziel, die Ermordung Ills , erreichen. In ihrem schwarzen, bodenlangen Mantel, mit Halbglatze und einer ehernen Kappe am Hinterkopf, das Gesicht zu einer hinterhältigen Maske aufgepolstert (Kostüme: Birgit Hutter) ist sie die versteinerte Rachegöttin. Großartig! Ihre Befehle erteilt sie knapp, ihre Gesten sind herrisch und dulden keinen Widerspruch. In Kombination mit dem stummen Butler – Markus Kofler erscheint wie eine Version aus dem Film Fahrenheit 451-, ihren lächerlichen Ehemännern (alle 7-9 von Lukas Spisser) und dem bedrohlich knurrenden Panther ist sie eine herrliche Parodie auf all die reichen Milliardäre, denen das Leben ohne solche Absurditäten nicht lebbar ist. Stephan Müller zippt die Szene in die ganz aktuelle Gegenwart, indem er die Meute der Journalisten und vor allem Journalistinnen (großartig Martina Stilp und Alexandra Kismer) auf die Güllener hetzt. Mit ihrer überlästigen Invasion und Gier nach Storys machen sie sich teilschuldig an der Ermordung Ills. Michael König spielt den Ill als einen schicksalergebenen Einfaltspinsel, der Schritt für Schritt zur Erkenntnis seiner Schuld gelangt. Großartig auch die Schar der scheinheiligen Güllener. Allen voran Siegfried Walther als schmieriger Bürgermeister, André Pohl als Pseudohumanist und Johannes Seilern als gefinkelt argumentierender Pfarrer. Dürrenmatts Drama kann man immer wieder neu inszenieren und das Publikum ist immer wieder neu fesseln, denn die Figuren zeigen die menschlichen, allzu menschlichen Schwächen auf, die wir alle in uns haben.

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Ein Sonntag im Theater: Matinée mit Joseph Lorenz und Marcus Bluhm
Am Nachmittag : Die Reise der Verlorenenen . Am 7. Oktober im Theater in der Josefstadt

Der Sonntag  im Theater in der Josefstadt begann mit einer Matinée. Eva Maria Klinger stellte mit viel Charme und Humor zwei „Neulinge“ im Ensemble vor: Marcus Bluhm und Joseph Lorenz. „Beide sind keine Jungspunds“, meinte sie lächelnd. Beide etwa im Alter zwischen 50 und 60 haben vieles gemeinsam: sie haben eine gelungene Karriere hingeschmissen und sind in den Raum der „Freien“ eingetaucht.  Joseph Lorenz verließ das Burgtheater und begründete seinen Abgang so:“ Was nützt mir ein schönes Zimmer ohne Aussicht?“ Marcus Bluhm wollte eine Familie gründen, zog nach Italien,  heiratete Theresa Hübchen. Joseph Lorenz wurde der Star bei den Festspielen Reichenau und brachte Texte von Zweig, Schnitzler oder Werfel zu intensivem Leben. Nun haben beide nach Jahren des Lebens im Freiraum eine Heimat im Josefstädter Ensemble gefunden.

Am Nachmittag erlebte man Joseph Lorenz und Marcus Bluhm in „Die Reise der Verlorenen“ von Daniel Kehlmann, der die Bühnenfassung basierend auf dem Buch „Voyage of the Damned“ von Gordon Thomas und Max Morgan-Witts schrieb.

Der polnische Regisseur Janusz Kica, schon seit Jahren erfolgreich an der Josefstadt arbeitend, präsentiert dem Publikum einen klaren Faktenchek: Die Schauspieler treten an die Bühnenrampe und schildern dem Publikum – quasi direkt ins Gesicht – ihr Schicksal. Das passiert ohne Larmoyanz, ohne Moralkeule und schon gar nicht Mitleid heischend.  Tausend jüdische Passagiere sollen zu Beginn des 2. Weltkrieges nach Kuba verschifft werden. Doch Kuba verweigert die Aufnahme. Das politische Gezerre zwischen Kubas Präsident, der vor den Wahlen steht und daher gegen die Aufnahme der Flüchtlinge ist, dem Vertreter der jüdischen Vertretung in Amerika, dem amerikanischen und dem englischen Botschafter entpuppt sich als Politfarce. Keiner will die Flüchtlinge aufnehmen, bis sich doch Frankreich, Holland und Belgien bereit erklären, jeweils eine gewisse Anzahl aufzunehmen. Was wie ein „glückliches Ende“ scheint, entpuppt sich als Todesfalle. Die meisten von ihnen kommen in Lagern, die von den Deutschen in diesen Ländern später errichtet wurden, um.

Das ganze Ensemble wird aufgeboten und leistet eine beeindruckende Performance. Allen voran Herbert Föttinger als Kapitän des Schiffes, der verzweifelt versucht, die Passagiere zu retten. Der Applaus war lang andauernd, viele Bravorufe – eine für das Josefstadt-Publikum ungewöhnliche Reaktion.

Die Parallelen zur Gegenwart ergeben sich klar und deutlich. Im Stück wird nicht explizit darauf hingewiesen – was auch nicht nötig wäre. Im Programmheft belegen Zitate aus der gegenwärtigen Flüchtlingsdiskussion die Parallelen.

Fazit: Eine großartige Aufführung. Unbedingt ansehen.

Infos und Karten unter: www.josefstadt.org

Colm Tóibín: Marias Testament
Eine Aufführung der Hamburger Kammerspiele im Theater in der Josefstadt

Regisseur Elmar Goerden bearbeitete den Roman des irischen Autors Colm Tóibín für die Bühne, immer im Hinblick auf die Besetzung Marias durch Nicole Heesters. In Hamburg feierte das Publikum die Schauspielerin mit standig ovations.

Nun also ist „Marias Testament“ im Theater in der Josefstadt zu sehen.

Maria steht allein auf der Bühne, unsichtbar bedroht von ihren Aufpassern – wahrscheinlich ein oder zwei Jünger, die die Version der Kreuzigung unbedingt als Welterlösungsgeschichte für die Nachwelt aufschreiben wollen. Eben so, wie wir sie heute lesen. Aber Maria ist damit nicht einverstanden, lässt sich nicht einschüchtern. Sie will die Wahrheit erzählen, wie sie sie erlebt hat. Die ist natürlich den Schreibern nicht genehm (ein Seitenhieb des Autors auf die Fragwürdigkeit jeglicher Berichterstattung). Maria, wie die Zuschauer sie erleben, hat nichts mit der verkitschten Heiligenfigur aus diversen Bildern zu tun. Sie ist eine starke, kluge Frau, die ihren Sohn sehr kritisch sieht: Er sammelt nur Nichtsnutze um sich -„keiner von ihnen ist normal“. Sie erlebt, wie ihr Sohn und seine Freunde“ wie eine Horde von Heuschrecken“ in das Grab von Lazarus eindringen – es gruselt sie. Die Auferweckung von den Toten und andere „Wunder“ hält sie eher für Scharlatanerie, ebenso das „Wunder von Kanaa“. Dass sie ihren Sohn mit ihrem Ehemann gezeugt hat, davon ist sie überzeugt. Von einem Engel und göttlicher Einmischung will sie gar nichts wissen. Als Realistin ahnt sie die Gefahr, in der ihr Sohn durch seine „Erlösungstendenzen“ schwebt. Die Kreuzigung schildert sie so, wie sie sie erlebt hat: Banalitäten des Alltags ringsum, während ihr Sohn ans Kreuz genagelt wird. Da packt sie die nackte Angst und sie flieht. Bis nach Ephesus, wo sie nun in der bescheidenen Behausung ihre Sicht der Dinge darstellt. Erlösung der Welt durch den Kreuzestod? „War es das wert?“ fragt sie zum Schluss und zieht damit die ganze Erlösungsgeschichte in Zweifel.

Diese Rolle verlangt viel, alles von einer Schauspielerin ab. Nicole Heesters ist eine sehr entschlossene, erdverhaftete Mutter, die den  Erlösungsphantasien der Jünger und den prahlerischen Auftritten  ihres Sohnes nichts abgewinnen kann. Sie ist in erster Linie Mutter. Das gelingt Nicole Hessters ganz wunderbar, ohne Wehmut und falsche Larmoyanz, Als sie die Kreuzigung bis ins Detail – die Nagelung und die Schmerzensschreie – schildert, da genau  fing ich an, mich zu fragen: Wir, das Publikum, sitzen da im Zuschauerraum und hören Nicole Heesters zu, wie sie diese Details und ihr Entsetzen erzählt. Für mich waren die Grenzen des Theaters in diesen Momenten überschritten. Denn es war der Schauspielerin anzumerken, wie sehr ihr diese Textstellen zu schaffen machten. Die Tränen waren wohl keine Theatertränen.

Dennoch: Eine großartiger Text für eine großartige Schauspielerin!

Infos und Karten: www.josefstadt.org

Brecht: Der gute Mensch von Sezuan. Landestheater Niederösterreich

Es regnet, es regnet – wer kauft bei der Wasserflut dem Wasserverkäufer noch Wang Wasserflaschen ab? In seiner Verzweiflung hofft er auf das Erscheinen der Götter, die in der Stadt Sezuan erwartet werden. Die sind auf der Suche nach einem guten Menschen – bisher überall erfolglos. Die Prostituierte Shen Te bietet ihnen eine Unterkunft an und bekommt für ihre gute Tat einen ordentlichen Batzen Geld. Den Laden und das Geld hat sie nicht lange, denn die Schmarotzer belagern sie zu Hauf. Sie gibt, bis sie bankrott ist, da kommt ihr die Idee, den Vetter Shui Ta zu erfinden, der sie durch seine Härte vor dem finanziellen Ruin kurzfristig rettet.. Bis der arbeitslose Flieger Yang Sun ihr die letzten Reserven mit einem windigen Heiratsversprechen herauslockt. Sie, die an seine Liebe glaubte, ist tief enttäuscht. Wieder soll ihr Vetter alles retten. Der zieht mit harten Mitteln eine Fabrik auf, wirft die Schmarotzer raus und macht Yang Sun zum Vorarbeiter, der die anderen nun schindet. Am Schluss soll ein Gericht der Götter entscheiden, ob Shen Te ein guter Mensch ist und Shui Ta verurteilt werden soll. Das Ende lässt Brecht offen.

Soweit die Story. Oder wie Brecht sagt: Die Parabel. Er schrieb sie zwischen 1938-40, zu einer Zeit, da die Arbeitslosigkeit schon viele Menschen in den Suizid getrieben hatte. Was als Text eher trocken und theorielastig daherkommt, haben der Regisseur Peter Wittenberg und das ganze Ensemble mit Leben und Aktualität erfüllt. Deutlich verknüpft Wittenberg die Probleme von damals mit heute: Wasser – Überflutung und Knappheit, ein Wirtschaftsfaktor für Firmen wie Cola, Nestle.Korruption, Schmarotzertum, Ausbeutung der Arbeiter, die Ausbeutung der „Guten“, die Frage, wie weit kann, darf man helfen. Das Versagen der Religion – die Götter sind nur mehr Witzfiguren, die sich unter der Erde verkriechen, wenn sie nicht weiter wissen.

Brechts Lehrstücke heute zu inszenieren ist nicht ganz leicht, die Gefahr des moralischen Zeigefingers ist stückimmanent. Dem entgeht das Ensemble : mit viel Witz und Körpereinsatz wird voll gespielt. So müssen die Schauspieler fast das ganze Stück im veritablen Regen und in Wasserlacken spielen – nicht sehr angenehm, aber sie ertragen es heroisch. Lili Epply ist eine bezaubernde Shen Te, die an die Liebe und an die Hilfsbereitschaft glaubt. Was sie ein wenig vermissen lässt, ist die Brutalität Shui Tas.  Vielleicht  mit Absicht – um zu zeigen, dass sie nur gezwungenermaßen den Vetter erfinden muss. Aber ein wenig mehr Brutalität im Spiel hätte der Problemstellung gut getan, um den krassen Gegensatz zwischen Mildtätigkeit und Versklavung herauszuarbeiten. Mit voller Charmeoffensive spielt Stefano Bernardin den schmierigen Flieger Yang Sun, Tim Breyvogel mit totalem Einsatz den Wasserverkäufer, die drei Götter sind von herzerfrischender Naivität, mit totaler Dummheit geschlagen. (Tobias Artner, Bettina Kerl, Tobias Vogt). Joesphine Bloeb als kaugummikauende und Hinterteil wackelnde Schmarotzerin ist umwerfend provokant. Durch eine offene Bühne mit einem einfachen Dach für den Tabakladen und dem dahinter liegenden Berg von Kleidung, aus dem sich die Schauspieler in Windeseile für die nächste Rolle ihr Kostüm heraussuchen, bekommt der Zuschauer das ganze Geschehen voll mit, es wird nie langweilig. Fazit: Eine gelungene Aufführung, die dem Brechtstück eine gehörige Vitaminspritze verabreicht, verstärkt durch die Musik von Paul Dessau in Bearbeitung von Paul Moshammer.

Ein gut gemachtes Programmheft zieht die Parallelen zur Gegenwart.

Infos unter: www.landestheater.net, Tel: 02742/90 80 80 600

Theater in der Josefstadt: Der Gott des Gemetzels (Yasmina Reza)

Herbert Föttingers gewagtes Rezept, bekannte Vorlagen aus Film und Theater neu aufzustellen, ist auch diesmal wieder aufgegangen. Theaterbegeisterte erinnern sich an die Aufführung im Burgtheater aus 2008 mit Maria Happel, Annette Christiane Pölnitz, Joachim Meyerhoff oder an die Verfilmung (2011) mit Christopher Waltz, Judie Foster, Kate Winslet, John Relley. Da wie dort – große Schauspielkunst. Yasmina Reza weiß eben, wie man gute Dramen und tolle Rollen für Schauspieler schreibt.

Nun treten Judith Rosmair als Véronique, Marcus Blum als Michel, Susa Meyer als Annette und Michael Dangl als Alain gegen diese Erinnerungen an. Gleich vorweg: Sie schaffen locker, die Konkurrenz vergessen zu lassen. Auf einem stylisch-reduzierten Bühnenbild (Herbert Schäfer) entwickelt sich der heuchlerische Schlagabtausch zwischen den beiden Ehepaaren. Was als Demonstration des zivilisierten Umgangs beginnt, steigert sich so langsam zur vollen Demaskierung aller Personen. Einzig Alain – von Dangl mit herrlicher Gleichgültigkeit gegenüber allen gesellschaftlichen Normen gespielt – bleibt vom Anfang bis zum Schluss der Widerling. Und irgendwie kann man am Ende seine kalte Skepsis gegenüber dem Scheinmanöver und den Humanparolen verstehen. Köstlich sein Reinigungsritual unter der Dusche: Minutenlang lässt er auf seinen nackten Body das Wasser rinnen, um sich dann erst langsam wieder anzuziehen. Das Publikum hat inzwischen genügend Zeit, seine Statur zu bewundern. Judith Rosmair ist eine vom Anfang bis zum Ende nervende Kämpferin für gutes Einvernehmen, für die Rettung der Welt, insbesondere Afrika. In dieser Rolle demaskiert Yasmina Reza alle Gutmenschen, die mit Parolen gekonnt umgehen, die Realität aber leugnen. Marcus Blum gibt ihren gutmütigen Ehemann, dessen Geduld endenwollend ist. Susa Meyer hat die schwierigste Rolle: als Ehefrau des skrupellosen Anwalts, der außer seinem Handy und seinem miesen Geschäftspraktiken kein anderes Leben kennt, kotzt sie sich über ihn und seine Machenschaften die Seele aus dem Leib.

Torsten Fischer hat als Regisseur keinen großen Spielraum – die Dynamik des Stückes ist vorgegeben. Die Steigerung bis zum Inferno (Tulpen fliegen durch den Raum, die Frauen tanzen und kreischen hysterisch) ebenso. Kleine dramaturgische Aufbesserungen (Dusche etc…) passen gut hinein.

Spielplan und Infos: www.josefstadt.org

Mephisto nach dem Roman von Klaus Mann. Burgtheater

Der Regisseur Bastian Kraft hat sich viel vorgenommen – in manchen Szenen zu viel.

Der Roman von Klaus Mann (Sohn von Thomas Mann) war in den 1920er Jahren mit dem Schauspieler Gustaf Gründgens befreundet. Seine Schwester Erika Mann war kurz sogar mit Gründgens verheiratet. Aus der Freundschaft wurde Distanz, um nicht zu sagen Verachtung. Verachtung für einen Mitläufer des Hitlerregimes. Daraus entstand der Roman „Mephisto“ – egal, ob Schlüsselroman oder nicht – die Hauptfigur Hendrik Höfgen ist Gustaf Gründgens.

Kraft bearbeitete den Roman für die Bühne und führte Sebastian Bruckner als Erzähler, Kommentator und Romanschreiber ein. Ein Trick, der gut aufgeht, denn  Bruckner wird, wie einst Klaus Mann, vom Freund zum Kritiker, bis er ins Exil verschwindet. (Klaus Mann begann den Roman 1936, da lebte er bereits im Exil)

Fabian Krüger spielt diese Figur äußerst feinnervig – dass Martin Kusej auf ihn verzichten wird, versteht keiner. Er ist wohl so etwas wie das Spiegelgewissen von Hendrik Höfgen und spielt die Rolle schillernd zweideutig – schleimig bis unterwürfig, dann wieder mahnend.

Höfgens auf der Bühne darzustellen – als Schauspieler einen Schauspieler zu spielen, ist nicht leicht. Nicholas Ofczarek spielt nicht, wie sonst meist, den Berserker, sondern einen eitlen, egozentrischen Menschen, der nur ein Ziel hat: seine Karriere voranzutreiben. Unterstrichen wird diese Streben nach oben an die Macht durch ein kluges Bühnenbild. Peter Baur stellt ein riesiges Laufband auf die Bühne, auf der sich Höfgen keuchend nach oben an die Rampe abmüht – immer in Gefahr zu stürzen oder gar abzustürzen. Was der Darstellung Ofczareks fehlt ist  Vielschichtigkeit und ein Schuss abgefeimte Dämonie. Er wirkt in manchen Szenen zu eingleisig.

Das Ensemble rund um ihn ist durchwegs gut bis großartig. Etwa Petra Morzé als Lotte Lindenthal, zuerst Geliebte, dann Ehefrau des „Ministerpräsidenten“ (also Göring). Verblüffend, wie nahe Kostüm und Maske (Annabelle Witt) aus Petra Morzé Lotte Lindenthal alias Emmy Göring macht. Es ist, als ob Morzé sich in diese selbstverliebte, plump-dumme Frau auf offener Bühne verwandelt – ein Effekt, der durch die riesige Vergrößerung ihres stark geschminkten Gesichtes auf Video grausam verstärkt wird. Wirklich unverständlich, dass der zukünftige Chef der Burg auch auf diese exzellente Schauspielerin verzichten wird!

Verstärkt wird das glänzende Ensemble durch Judith Schwarz, die mit ihrem Schlagzeug dem Drama Tempo vorgibt. Aber da sind wir auch schon beim Schwachpunkt des Abends: Bastian Kraft hat die Bühnenbearbeitung des Romans allzu breit und teilweise platt als Parallele zur Gegenwart ausgewalzt. In den politischen Monologen diverser Figuren müsste er radikal kürzen und weniger mit der Moralkeule (habet acht! – so war es einst, es könnte wieder so werden) arbeiten.

Mein Rat an zukünftige Zuseher: Zuerst den Roman lesen. Dann lösen sich viele Szenen klarer auf!

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„Maslans Frau“ + „Tiefer als der Tag“ im „Thalhof wortwiege“, Reichenau an der Rax.

loniGroßartig die Novelle „Maslans Frau“ von Marie von Ebner-Eschenbach und großartig Petra Gstrein in der Rolle der Evi, Maslans Frau!Diese hochdramatische Novelle erzählt sehr leise von Liebe, Leidenschaft, Raserei, Verzeihen. Es war ein Leichtes, das Werk zu dramatisieren, denn Marie von Ebner-Eschenbach schrieb es  in lebendigen, intensiven Dialogen. Anna Maria Krassnigg/Anna Poloni folgt in der Textbearbeitung fast wortwörtlich der Vorlage – und es rollt sich ein grandioses, fast antikes Geschehen vor den Augen der Zuschauer auf! Im Mittelpunkt steht Evi, die ihren Mann über alles liebt, ihm immer wieder seine Seitensprünge verzeiht, bis sie von einem unehelichen Kind, das er mit seiner Dauergeliebten in Wien zeugte, erfährt. Da verschließt sie ihm bei seiner reuevollen Rückkehr die Tür. Beide schwören nicht eher nachzugeben, als bis sie vom anderen gerufen werden. Der Stolz beider und die Bindung an den Schwur verhindern eine Versöhnung. Man muss Petra Gstrein in dieser Rolle erleben! Wie sie mit wenigen Gesten, stiller, intensiver Mimik das Dulden, das Lieben, das Verzeihen, das Sehnen nach dem geliebten Mann spielt. Als sie von seinem Tod erfährt und sie ihn zu sich nach Hause bringen lässt, ihn mit zärtlichen Worten der Liebe umfängt – das ist großes Theater, fern von lautem Getöse, nie auch nur ein Hauch von Peinlichkeit. Danach war es im Publikum still – keiner wollte klatschen. Es passte einfach nicht.

Mit Petra Gstrein präsentiert sich wie immer das gut eingespielte Team des Thalhofs: Daniel Kamen als  Pfarrer, der lernt, was Liebe und Leidenschaft in der Ehe anrichten können, Martin Schwanda als verständnisvoller Doktor, der das Geschehen von Außen kommentiert, und Jens Ole Schmieder als Maslan -großartig in der Wandlung vom Geck zum todkranken Liebenden. Dazu schuf Lydia Hofmann eine schlichte Bühne und Antoaneta Stereva eindrucksvolle Kostüme.

 

Etwas ratlos erlebte man den zweiten Teil:  – Die Novelle Ebner – Eschenbachs wurde von Krassnig/Poloni  unter dem Titel „Tiefer als der Tag“in die Gegenwart übertragen. Der Titel (Teil eines Nietzsche-Zitates) bleibt geheimnisvoll und erklärt sich auch nicht durch das Stück. Die Autorin spielt mit der Rollenumkehr: Die Frau ist nicht mehr die still Leidende, Wartende, sondern weiß, wie sie „die Glut ihrer Ehe“ nicht ausgehen lässt: indem sie einfach einen Liebhaber nach dem anderen konsumiert. Doch der Text bleibt spröde, kopflastig. Eher wirkt alles wie ein Abtausch von Thesen. Petra Gstrein in der Rolle der Psychiaterin Dr. Alba bemüht sich, der Figur Leben einzuhauchen. Daniel Kamen gibt einen coolen Anwalt, der gar nicht so cool ist, wie es scheint.

Infos, Termine und Kartenbestellungen:

www.thalhof-wortwiege.at

Telefon: 0676/5625502

„Shakespeare im Park“: Viel Lärm um Nichts

Es wird gehuscht, gerannt, gerutscht, gerauft, gekämpft und heftig gestritten und intrigiert. Shakespeare „auf jung“. Die (manchmal übertriebene) Dynamik verdankt die Inszenierung Roberta Brown, einer Kampfchoreografin aus den USA. Dass die drei Prinzen zu Beginn im Fußballerdress auftreten ist ein müder Gag. Eine etwas ruhigere Choreografie hätte dem Stück  gut getan. Dann wären Wortwitz und Situationskomik besser zur Wirkung gekommen. Die Schauspieler und -Innen spielen mit vollem Körpereinsatz und großer Begeisterung. Das junge Liebespaar Claudio und Hero wird von Schauspielschülern dargestellt: Valerie Bast ist eine schüchterne Hero und Miguel Casas Reyes ein etwas linkischer Claudio.

Aus dem Ensemble stechen besonders Simon Brader als liebesunwilliger Benedikt und Barbara Fressner als Beatrice hervor. David Jonas Frei ist ein ruhiger Don Pedro, Martin Schranz ein würdiger Leonato. Gut auch Christina Laas als Intrigant und als Ursula und Bote. Ein Talent zur Komik bewies Momo Maresch, eine Schauspielschülerin von Eric Lomas, der die Gesamtregie über hatte.

Weitere Aufführungstermine und Infos: www.shakespeare-park.com