Nun habe ich mich durch Wochen in das Leben von Marie Ebner-Eschenbach hineingelesen. Je näher das Buch und ihr Leben sich dem Ende zuneigte, desto weniger Seiten las ich pro Tag. Denn ich wollte mich nicht verabschieden – wollte nicht, dass ihr Leben endet, wollte nicht, dass das Buch endet. Ich zögerte den Tod hinaus, wollte die Dichterin nicht loslassen.
Daniela Strigl ist eine bekannte Literaturwissenschaftlerin. Mit dieser Biographie hat sie sich in die Herzen aller hineingeschrieben, die Marie Ebner-Eschenbach schon immer als Autorin schätzten. Sie beschreibt das Leben einer Frau, die von Kindheit an wusste, sie will Dichterin werden. Ebner-Eschenbach hatte als Frau sich ihren Platz in der Literatur mühsam erkämpfen müssen. Die Familie, ihr Ehemann – sie alle hielten nichts von ihrer „Schreiberei“. Sie sollte sich – wie alle adelige Frauen – um Haushalt und Familie, um Arme und Kranke kümmern und nur eines nicht tun: Dichten. Aber Marie Ebner-Eschenbach ließ nicht nach, schrieb gegen alle Widerstände an, versandte immer wieder ihre Novellen und Dramen – jahrelang mit wenig Erfolg. Zwar wurde hin und wieder eines ihrer Dramen am Burgtheater gespielt, aber der große Durchbruch blieb lange aus. Erst als sie sich entschloss, vom Drama zu lassen, und sich dem Roman zuwandte, stellten sich die Erfolge ein. Mit „Bozena“, „Lotti die Uhrmacherin“ und vielen anderen Romanen erschrieb sie sich einen Ehrenplatz in der damaligen Literaturszene. Je älter sie wurde, desto mehr Ehrungen erhielt sie, unter anderem auch das Ehrendoktorrat der Akademie der Wissenschaften.
Marie Ebner-Eschenbach war eine Kämpferin für Frauenrechte, gegen den Krieg und gegen jede Gewalt. In ihren Werken kritisert sie den Standesdünkel und die Kälte des Adels im Umgang mit ihren Dienstboten, kritisiert die unterwürfige Rolle der Frau in der Ehe. Sie hilft Armen, wo sie kann. Mit Geldspenden, Briefen und persönlichen Gesprächen. Oft bleibt ihr nur wenig Zeit für ihre eigentliche Arbeit, das Schreiben.
Daniela Strigl gelingt es, die wissenschaftlichen Aspekte gut in eine lebhafte Schilderung zu integrieren. Präzision und Ausführlichkeit gepaart mit einer farbigen Charakterisierung der Personen machen die Biographie zu einem leicht lesbaren und wertvollen Zeitdokument des 19. Jahrhudnerts. Man erlebt nicht nur die Entwicklung der Dichterin, sondern auch die politischen Probleme. Marie Ebner-Eschenbach weiß um den fragilen Bestand der Monarchie und fürchtet, dass nach dem Krieg nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Sie stirbt wenige Monate vor ihrem so verehrten Kaiser Franz Joseph.
Silvia Matras empfiehlt diese Biographie allen, die sich für österreichische Literatur interessiern.