Wenn Judaka Sado die Tonkünstler dirigiert, dann weiß man am Ende, Mahler noch nie so aufregend gehört zu haben.
Gustav Mahler gab der 6. Symphonie den Beinamen „Tragische“. Er komponierte sie im Sommer 1903/04, als die tragischen Ereignisse seines Lebens noch in der Ferne lagen. Es war wohl eine Art prophetische Ahnung, die allgemein herrschende Untergangsstimmung dürfte er gespürt haben. Als er 1906 die Uraufführung dirigierte, war das Publikum begeistert, die Kritiker weniger. Sie fassten ihr Urteil mit der Frage zusammen: Wozu der Lärm? (Zitat Ute van der Sanden, die vor Beginn die Einführung hielt)
Judaka Sado ist ein Dirigent, der aus dem „Lärm“ wundervolle Strukturen entstehen lässt. Gebannt hört man ihm zu, bewundert seinen körperlichen Totaleinsatz. Er ziseliert die Strukturen, lenkt die 112 Musiker mit Feingespür durch diese gewaltige Komposition. Anders als so manch selbstverliebter Dirigent, stellt er sich ganz in den Dienst des Komponisten, erarbeitet die musikalische Architektur dieses Monumentalwerkes klar heraus.
Im ersten Satz ertönt die von Mahler so gern eingesetzte Marschmusik, begleitet von einem schwungvollen Seitenthema und dem Klang der Herdenglocken, die für Mahler „Symbol für extremste Weltferne, Entrücktheit und Nähe zu Gott“ (Programmheft) sind. Sado führt die Musiker markig und draufgängerisch durch diesen 1. Satz bis zum pompösen Schluss. Spannung pur. Langeweile kommt keine Sekunde auf, schon gar nicht im nachfolgenden Scherzo. Hier arbeitet Sado die ironische Komponente deutlich heraus: betulich, „altväterisch“ – so Mahlers Angabe. Man darf schmunzeln. Überirdisch fein dirigiert er die Musiker durch das Andante. Man versinkt in der Romantik und möchte daraus nicht aufwachen. (Die Schwärmerei sei entschuldigt, aber so war es!). Im Finale glaubt man sich in die Filmmusik eines Thrillers versetzt: Das Unheil schleicht sich an, droht immer heftiger. Zwei Hammerschläge (ein riesiger Holzhammer wird auf eine Holzkiste gedonnert, genau nach Anweisung des Komponisten) verkünden das Unausweichliche, die Zerstörung triumphiert mit einem letzten Hammerschlag. Auch wenn aus der Ferne die Glocken erklingen – die Hoffnung hat keine Chance.
Als sich Yutako Sado vor dem begeisterten Publikum verbeugt, sieht man in seinem Gesicht die Spüren der Anspannung und Erschöpfung. Er schenkt sich und seinen Musikern nichts, verlangt das Äußerste. Das macht diesen Dirigenten zu einem der besten Mahlerinterpreten.