Als zweiter Untertitel steht: „Die Biografie“, was etwas irreführend ist. Denn der Autor beschreibt nicht so sehr das Leben Schnitzlers, als vielmehr anhand der Werke die politische Entwicklung der Zeit, vor allem den immer stärker werdenden Antisemitismus.
Dem informierten Leser, der Schnitzlers Werke und die politische Entwicklung um die Jahrhundertwende einigermaßen kennt, vermittelt das Buch nicht viel Neues. Ein Titel wie zum Beispiel “ Schnitzler und der Antisemitismus“ wäre dem Inhalt gerechter gewesen. Der Autor zählt in chronologischer Reihe penibel die Novellen, Romane und Dramen auf, beschreibt ihren Inhalt und die Aufführungen der Theaterstücke und führt genau Buch über die jeweiligen antisemitischen Äußerungen und Strömungen, die Schnitzler in Briefen erwähnt oder in seine Werken einfließen lässt. Diese eher biedere Herangehensweise an den Autor Schnitzler ermüdet mitunter den Leser.
Gerne und ausführlicher schildert Haberich Schnitzlers Beziehungen zu den Mädels aus den weniger vornehmen Kreisen und entwirft ein interessantes Frauenbild, das vom Klischee abweicht: Er führt überzeugend an, dass in vielen Werken Schnitzlers diese Frauenfiguren nicht immer nur die Beute der reichen Nichtstuer sind, sondern sich durchaus behaupten können und eigene Lebensentwürfe haben. Diese Argumentation macht Sinn.
Zu wenig widmet sich Haberich der schwierigen Beziehung zwischen Schnitzler und seiner Ehefrau Olga. Dazu sind im Anhang zwar Briefe zwischen Olga und Schnitzler aus der Handschriftensammlung Marbach abgedruckt. Sie dokumentieren, wie schnell die anfängliche Begeisterung Schnitzlers vom ersten Kontakt bis hin zur (eher widerwillig eingegangenen) Eheschließung und zur Scheidung nachlassen. Aber die Briefe geben nur ein fragmentarisches Bild des Zerwürfnisses. Nur wenige Jahre leben die beiden ohne Streit und Hass.. 1920 trennen sich bereits, 1921 lassen sie sich scheiden. Aber so ging es Schnitzler mit all seinen Beziehungen: Sobald die erotische Anziehungskraft nachließ, flaute auch sein Interesse ab. Denn Schnitzler war in erster Linie Schriftsteller, dann erst Liebhaber oder Ehemann.
Etwas eingleisig behandelt Max Haberich die Stellung des Judentums in Schnitzlers Leben und Werk und macht es zum Zentralthema. Ohne Zweifel setzte sich Schnitzler mit dem immer stärker werdenden Antisemitismus intensiv auseinander und lässt die diesbezüglichen Sorgen und Probleme in seine Werke einfließen. („Professor Bernhardi“). Aber dass es wirklich das einzig wichtige und alles beherrschende Thema im Leben und Werk Schnitzlers war, ist anzuzweifeln.