Aus dem Englischen von Wibke Kuhn
„Ich lieg auf heu was süß riecht und nach totsommer und ich horche und weinen kommt wieder..“ So beginnt der Roman, – unverkennbar Nell Leyshon. Man erinnert sich sofort an“Die Farbe von Milch“ – in beiden Werken beschreibt Leyshon den Weg eines jungen Mädchens aus der Enge eines Bauernhofes hinaus in die WElt, in der es Sprache gibt. Leyshon gelingt in beiden Romanen das Unwahrscheinliche: Sie greift auf eine „Unsprache“ zurück, in der sich die Mädchen nicht ausdrücken können, im Unvermögen des Sprechens stumpf bleiben, bis sich alles ändert und sie mit der zunehmenden Ausdrucksfähigkeit nicht nur die Welt sich erweitert, sondern sie auch zu einem Selbstbewußtsein finden, das sie mutig macht.
England 1573, irgendwo in der Einöde. Da wächst Elly heran, weiß nichts von sich, von der Welt rundum, kennt nur das Schuften, die Plage und Hunger. In der Familie wird nur das Nötigste geredet – meist nur Arbeitsbefehle oder kurze Gebete. Eines Tages entdeckt Elly die Musik und den Gesang. Sie ahmt nach, entdeckt, dass sie „singen“ kann. Heimlich verlässt sie den Bauernhof und macht sich auf in die Singschule. Mutig verkleidet sie sich als Bub, um aufgenommen zu werden. Sie lernt lesen, schreiben und vor allem -singen. Die Musik bedeutet ihr alles. In ihr wächst mit dem Selbstbewusstsein auch die Sprache. Für den Leser fast unmerklich lässt die Autorin Elly aus der Hilflosigkeit des Ausdrucks in eine zarte poetische Sprache gleiten. Als Elly am Höhepunkt ihrer Ausbildung ist, gibt sie ihre Identität als Mädchen preis und muss die Schule verlassen. Aber sie ist mutig geworden und hat Stolz und selbstsicher verkündet sie am Ende: “ Ich komme dich holen. Ich, Ellyn, ich komme dich holen, Agnes.“ Sie wird ihre kleine, über alles geliebte Schwester Agnes aus dem Elend des Bauernhofes herausholen.
Ein Roman voller Poesie und starker Aussagekraft, in dem man hineinkippt und irgendwie froh und getröstet wieder in den Alltag zurückkehrt.