Soll ich schreiben „Oper mit Ballett“ oder „Ballett mit Oper“? Im Programmheft heißt es lakonisch: „Ballett in zwei Teilen“. Aber Hector Berlioz, von dem die Musik stammt, liebte es, verschiedene Gattungen zu vereinen. Deshalb ist „Roméo et Juliette“ mehr als nur ein Ballett, sondern eben ein Ballett mit Chor und zwei großen Arien – die der Amme über die erste Liebe und die des Priesters San Lorenzo. Und der Anteil des Chores ist auch nicht unerheblich. Deshalb wunderte ich mich, dass die Gesangsstücke nicht übertitelt wurden. Denn es wäre vor allem am Schluss nicht uninteressant zu verstehen, was der Priester nach dem Tod von Romeo und Julia singt. So viel ich verstanden habe, geht es um die Bitte des Priesters, dass Gott den beiden verfeindeten Familien eine friedliche Gesinnung eingebe und diese ihren blutigen Zwist begraben mögen. Denn in der interessanten Inszenierung, wenn auch manchmal etwas langweiligen Choreografie von Davide Bombana geht es zwar auch um die Liebesgeschichte – sie bleibt der Kern -, aber vor allem um eine Auseinanderseztung zwischen zwei Gesellschaftsschichten:
Die Capulets gehören in dieser Inszenierung eindeutig der reichen, herrschenden Schicht an, die Montagues sind die Unterlegenen. Das wird besonders in den Kostümen deutlich: Die Montagues sind wie Kinder der Straße, wie Gangs gekleidet, die Capulets edel. Der Kampf zwischen den beiden entzündet sich immer wieder, der Hass scheint unüberwindbar. Die Kampfszenen gehören zum Besten in diesem Stück.
Die große Liebesszene zwischen Romeo (Masayu Kimoto) und Julia (Maria Yakovleva) gelingt nur bedingt, da vor allem Romeo noch nicht über die nötige Bühnenpräsenz verfügt. Er tanzt brav, fehlerlos, aber letzten Endes seelenlos. Maria Yakovleva hingegen ist eine bezaubernde Julia, mit Elan und Leichtigkeit sürzt sie sich in die junge Liebe.
Was am meisten beeindruckt, sind das Bühnenbild, die Lichtregie und die Kostüme. Alles von Gudrun Müller, alias rosalie. Sie starb während der Arbeit für dieses Stück. Ihre Pläne wurden von Thomas Jürgen und Angelika Berger finalisiert. rosalie stellte einen Raum durch Leuchtstäbe her, die sich je nach Stimmung und Ort farblich veränderten. So entstand ein fast irrealer Raum, passend zu der irrealen Musik von Berlioz und dem Geschehen auf der Bühne.
Eine interessante Figur ist die Königin Mab, getanzt von Rebecca Horner. Mit einer zu Hörnern geformten Perücke, einem Tütü in Blau tanzt sie diese Figur wie ein böses Tier, das, gierig nach Blut und Zwietracht, zwischen den Figuren umherhuscht. Wenn der Priester Lorenzo nach dem Tod der beiden Liebenden die verfeindeten Familien um Frieden anfleht, dann ist sie es, die die sich zögernd bildende Eintracht zerstört und Hände, die sich mit dem Nachbar verbinden wollen, voneinander trennt.
Sehr zum Verständnis der Stückintention tragen die Texte im Programmheft bei. Durch sie versteht man wenigstens teilweise, worum es in den Arien und Chorstücken geht.
Weitere Vorstellungen: 19., 22. und 27. Dezember 2017
www.volksoper.at