Staatsoper: Ballett: Dornröschen von P. I. Tschaikowski

Musik: P.I. Tschaikowski und Giacinto Scelsi. Choreographie: Martin Schläpfer und Marius Petipa. Bühne: Florian Etti. Kostüme: Catherine Voeffray. Dirigent: Patrick Lange

Ein Abend, der Ballettfans Freude macht. Vor allem denjenigen, die gerne auf Spurensuche gehen: Wo ist Petipa zu sehen, wo die Hand Schläpfers zu merken? Letzterer hat wie Künstler, die fremde Bilder übermalen, seine Choreographie über die Petipas gelegt oder – wie im dritten Akt – ein ganz neues Bild gemalt, um in der Sprache der bildenden Kunst zu bleiben.

Man darf ausgiebig in den Farben der Romantik schwelgen. Zwischen kräftigen roten Rosendekor und bunten Kostümen entwickelt sich das Märchen. Der Beginn (Prolog) ist zwar naiv, bis überflüssig: Im weißen Himmelbett beten die Königin und der König um Kindersegen, legen sich hin und-…Ja, es hat gefunkt! Neun Monate später hängt eine winzige Wiege im Rosenhimmel. Und es darf gefeiert werden. Olga Esina als Königin – von Martin Schläpfer zu Recht in ihrer Rolle aufgewertet – beherrscht wie immer die Szene, sobald sie tanzt. Darüber brauche ich nicht mehr zu schwärmen! Ihre Eleganz und Bühnenpräsenz stellt sie wie immer unter Beweis. Dem König (Masayu Kimotu) kommt eine marginale Rolle zu – hat Schläpfer feministische Attitüden? Es entwickeln sich die von Petipa entworfenen Tanzszenen, alle – Schläpfer will ja immer das ganze Ensemble glänzen lassen – dürfen mit großem Eifer glänzen. Auch die Jüngsten als Elfenkinder, die wie Spielpuppen hereingetragen werden. Knapp bevor es langweilig werden könnte – der erste Höhepunkt: Der fulminante Auftritt der bösen Fee Carabosse! Claudia Schoch ist dank der über Petipas Choreografie darübermalenden Pinselstriche Schläpfers eine temperamentvolle, bedrohliche Fee. In Begleitung ihrer beiden Adlati Calogero Failla und Igor Milos zerstört sie die Idylle und verhöhnt mit ihrer Macht die allzu satte Feiergesellschaft( Titelfoto). Ioanna Avram als zauberhafte Fee Lilas kann das Todesurteil in hundertjährigen Schlaf verwandeln. Hier setzt Schläpfer auch starke Akzente mit Symbolkraft, indem er die böse und die gute Fee zuletzt zu einer Einheit im Tanz verschmelzen lässt. Der dritte Akt mit der Musik (aus der Konserve) von Scelsi bezaubert das Publikum mit einer Waldkulisse und verträumt-idyllischen Tänzen des Blauen Vogels (Giorgio Fourès) und des Fauns (Daniel Vizcayo). Mit dieser Choreographie hat Martin Schläpfer Spannung, Atmosphäre und den ganzen Zauber eines Märchens in den Ablauf hineingebracht. Nach dem dritten Akt dürfen noch Hyo-Jung Kang als wachgeküsstes Dornröschen und Brendan Saye als Prinz ihr Können zeigen. Letzterer trumpft mit einer Sprungqualität auf, die an Nurejew erinnert. Leider wirkt der vierte Akt,ganz der Petipachoreographie einverschrieben, altmodisch, trotz der modernen Kostüme – oder gerade auch deswegen. Besonders unkleidsam ist das der Königin. Dass König und Königin nach der Hofübergabe sterben und auf dem Bühnenvordergrund liegen wie les giants in französichen Kathedralen, ist eine überflüssige und peinliche Idee.

Patrick Lange führt sehr behutsam, ganz auf Märchenpfoten, das Publikum durch die Märchenmusik!

Langer und begeisterter Beifall belohnte Ensemble, Musiker und Dirigenten.