Theater in der Josefstadt: Andrea Jonasson rezitiert Bert Brecht.

Zu leiser Klaviermusik (Christian Frank) hörte man die Stimme der Schauspielerin geheimnisvoll aus dem Off. Sie zitierte die ersten Zeilen des Gedichtes „Vom armen B.Brecht“. Langsam tritt sie auf. Wie gewohnt, wenn sie einen Rezitationsabend veranstaltet, im Hemd und Anzug ihres geliebten Ehemannes Giorgio Strehler. Dessen 100. Geburtstag feiert sie mit diesem Auftritt ebenso wie den Dichter Bert Brecht. Beide Genies weiß sie ins rechte Licht zu rücken. Strehler als den großen, phantasievollen Regisseur und Brecht als den Dichter, der über die Liebe und deren Flüchtigkeit schreibt und über den „Anstreicher“, wie er Hitler nennt, seine Verachtung schüttet. Allen drei handelnden Personen – Jonasson, Brecht und Strehler – wohnte und wohnt ein starkes soziales Engagement inne. Seitenhiebe auf die österreichische Regierung, die keine Kinder aus dem Lager in Lesbos aufnimmt, werden in dem „Wiegenlied einer proletarischen Mutter“ vernehmbar. Einige der bekannten Lieder aus der „Dreigroschenoper“ trägt sie sehr verhalten, gerade deshalb umso wirksamer vor, so als würde sie ihrer wunderbaren Stimme nicht trauen. Mit besonderer Empathie singt und spielt sie den Barbarasong aus der „Dreigroschenoper“ : „Einst glaubte ich, als ich noch unschuldig war…“. Dazu öffnet sie die zu einem Knoten gebundenen Haare, legt sich rücklings quer über das Klavier und lässt ihre Haare über den Rand des Instrumentes fließen. Dazu der Text: „Ja, da muss man sich doch einfach hinlegen, ja da kann man doch nicht kalt und herzlos sein…“ Eine großartige Performance, die umso mehr berührte, als man spürte, dass dieser fast schon akrobatische Akt einige körperliche Anstrengung kostete. Aber Jonasson ist in allen (Lebens)lagen Diva durch und durch. Die Macht ihrer Stimme übertönt jegliche Schwierigkeit.

Interessant plaudert sie über die kurze, aber innige Freundschaft zwischen Strehler und Bert Brecht, zeigt ein Video mit Strehler bei den Proben zur „Dreigroschenoper“ und schwelgt in Erinnerungen an den großartigen Mann, nein, an die großartigen Männer: „Ich liebe sie beide“, gesteht sie.

Noch einmal apropos Liebe: Eines der schönsten Gedichte über die Liebe, die schwindet, nur die Wolke bleibt in ERinnerung, beginnt so: An jenem Tag im blauen Mond September…“. Zuerst trägt Jonasson es auf Deutsch vor, danach singt sie die italienische Übersetzung „Quel giorno era luna di Settembre“…fast klang die italienische Fassung noch schöner, inniger als die deutsche.

„Ist das nicht herrlich! Nach 15 Monaten Klausur , Schweigen und Einsamkeit bin ich da!“ sagte sie zu Beginn. Ja, es war herrlich. Danke, Andrea Jonasson und danke Christian Frank für die ruhige, unaufdringliche, aber immer passende Klavierbegleitung!

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