Inszenierung und Bühne: Bruno Max, Kostüm: Sigrid Dreger, Maske: Gerda Fischer
Der Vorhang hebt sich, und drei Schachtelräume, die man nicht Zimmer nennen kann, so klein sind sie, fallen dem Zuseher fast vor die Füße. Im Untergeschoß eines Wiener ( kann aber auch anderswo in der Welt sein) Zinshauses vegetieren die sterbende Hausmeisterin (Eszter Hollosi), ihr bigotter Ehemann (Christoph Brückner), der wie aufgezogen, ohne auf die Sterbende zu achten, aus der Bibel vorliest. Daneben Pepi Kokosch, deren blödsinnige Tochter (Katharina Schmirl). In dieser Anfangsszene liegt schon ein Großteil des Dilemmas, das Canetti in dem Drama aufzeigt: Keiner horcht auf den anderen, Mit-Leiden gibt es nicht. Nur die doofe Tochter hat Gesten des Verständnisses für die Mutter. Ein großartiger Auftakt: gruselig, vielschichtig. Ebenso die „Großmutterszene“: Oma, die Hausbesitzerin, (herrlich Bernie Feit) sitzt selbstzufrieden in ihrem Lehnstuhl und strickt, das gedenkt sie auch noch viele Jahre zu tun, der Enkelin (witzig Michelle Haydn) zum Trotz, Die wartet ungeduldig auf den Tod der Oma, weil sie hofft, das Haus zu erben. Diese beiden Eröffnungsszenen packen den Zuschauer sofort, ziehen ihn in das Leben der Menschen hinein, die zu Puppen eingefroren sind, die plappern, wie der Papagei der Oma, die einander nicht verstehen. Verschärft wird dieser Eindruck durch die puppenhafte Maske, die diese Halbtoten tragen. Ein großartiger Auftakt, dank des bedrohlich engen Bühnenbildes, der bedrohlich hohlen Puppenmasken und nicht zuletzt des gruseligen „Nichtspiels“ der Schauspieler, die entmenscht zu sein scheinen.
Den Übergang zur „Beletage“ bilden die Bewohner des dritten Untergeschoßes: Lisa, die eine „Bessere sein will“ (Lisa Marie Bachlechner) und ihrem blöden Bräutigam (Simon Brader) die Tür weist. Auch die beiden plappern, ohne auf den anderen zu hören. Also: Lisa geht, puppig geschminkt, hinauf in die Beletage, zu „di bessan Leit“. (Hat sich für diese Konstellation Canetti von Nestroy inspirieren lassen?)
In der Beletage wird Hochzeit gefeiert: Christa, die Tochter des Oberbaurates (Titel!) Segenreich (nomen non est omen, das Haus, das er gebaut hat, stürzt alle Bewohner in den Tod), heiratet den dumpf-dummen Michel. Kompliment an Klemens Fröschl, der die Rolle der dicken Dumpfbacke mit Selbstverleugnung spielt. Liebe ist nicht. Für niemanden, nur zu sich selbst. Und Liebe heißt nur so, weil man eben Gier und Gewalt so nennt. Unter allen Beteiligten wird gevögelt, betrogen, gelogen. Im Inferno der Eitelkeiten und Dummheit fallen die gesellschaftlichen Schranken. Es wird geschrien, gerannt, gegrapscht, was das Zeug hält, es regiert vom Anfang an der Hölle Lärm, der nicht mehr gesteigert werden kann, weil er auf Dauerhöhe ist. Und von da an beginnt das Stück (oder die Regie?) zu schwächeln. Denn es fehlt eine Steigerung. Der Höhepunkt, als das Haus alle begräbt, ist keiner. Ganz einfach, weil schon eine ganze Weile nur getobt wird. Und die Zuschauer all das als Mordsspaß auffassen. Man lacht herzlich, als würden gerade Charlie Chaplin oder Oliver Hardy über die Bühne stolpern. Das Grauen bleibt aus. Auch als die Menschen sich gegenseitig in die Hölle schicken. Aus der Warnung, die Canetti und wohl auch der Regisseur meinten, wird Farce.
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