Theater Scala: Ödön von Horvath, Figaro lässt sich scheiden

Regie und Bühne: Rüdiger Hentzschel, Kostüm: Anna Pollack

Horvath schrieb das Stück 1936-37, zu einer Zeit , als es politisch in Deutschland und Österreich drunter und drüber ging und der Nationalsozialismus sich rasch ausbreitete. Der Autor bedient sich des altbekannten Personals von Beaumarchais (Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit) und Mozart (Le nozze di Figaro) und lässt Graf Almaviva, die Gräfin, Susanna und Figaro gemeinsam vor der Französischen (?) Revolution ins Ausland fliehen. Wie in einem Lehrstück von Bert Brecht werden die einzelnen Szenen einer Flucht und ihre Folgen im ersten Teil gezeigt: Die von Angst Getriebenen, die bestechlichen Grenzbeamten, das Ankommen und die Hilflosigkeit der Emigranten – dieser Begriff wird deutlich an- und ausgespielt -, die erste Orientierung im unbekanten Neuland. Jede Szene und die einzelnen Personen stellen eine für Flucht und Vertreibung allgemein gültige Aussage dar: Der Graf, der sich nicht mit dem Verlust seiner Stellung abfinden kann, die Gräfin, die aus Angst krank wird. Susanne, die aus Menschlichkeit hilft, Figaro, der sich mit seinem Mundwerk und seiner angeborenen Schlauheit durchschlägt, dabei aber sich von Susanne entfremdet. Sie alle wirken wie Versatzstücke, die mit minimalen Variationen typisch in jeder Geschichte über Flucht und Emigration vorkommen könnten.Um diese Szenen rasch aufeinander folgen zu lassen, entwarf Rüdiger Hentzschel eine kreisrunde Bühnenwand mit beweglichen Segmenten. So konnten Requisiten in Windeseile von den Schauspielern herein- und weggetragen werden. Der Effekt: Das Leben besteht aus Hetzjagd und Angst.

Im zweiten Teil werden die Schicksale individueller, der Gang der Handlung ruhiger und an einem Ort verhaftet: Alle – bis auf die inzwischen verstorbene Gräfin – treffen sich im Schloss des Grafen in ihrer alten Heimat wieder. Dort hat sich die Revolution breit gemacht: Aus dem Schloss wurde ein Kinderheim unter der Leitung des revolutionsgläubigen Pedrillo, ehemaliger Stallknecht des Grafen. Bald jedoch sind fast die alten Ordnungen wieder hergestellt: Figaro entmachtet den übereifrigen Revolutionär, der Graf bleibt Graf aber ohne Macht. Susanne verzeiht ihrem Figaro. Fazit: Die Revolution wurde humanisiert!

Warum dieses Stück selten bis gar nicht aufgeführt wurde, liegt wahrscheinlich an seiner etwas lehrhaften Trockenheit und dem unglaubwürdigen Schluss. Um so mehr gilt es zu bewundern, was der Regisseur Rüdiger Hentzschel und das spielfreudige und engagierte Ensemble daraus machten: Eine Komödie über menschliche Schwächen, Ängste und Machtspiele. Vor allem wurde jeglicher Anschein von „Demokratieerziehung“ vermieden, was die Zuschauer mit dankbarem Applaus quittierten. Wertfreies Theater, flott gespielt. Theater um Theater willen. Wer die Moral der Geschichte unbedingt finden will, der wird fündig, wird aber nicht direkt mit der Nase darauf gestoßen.

Es spielen: Dirk Warme, Monica Anna Cammerlander, Simon Brader, Lisa-Carolin Nemetz, Hendrik Winkler, Katharina Stadtmann, Stanislaus Dick, Ildiko Babos, Bernhardt Jammernegg, Christoph Prückner, Helfried Roll.

Vom 14. -30.11., jeweils Dienstag bis Samstag um 19.45h. Ab 9. Dezember 2023: „Play Strindberg“ (Strindberg-Dürrenmatt)

www.theaterzumfuerchten.at