Mit Musikbegleitung von Ian Fisher
Was für ein Hochgefühl: Endlich darf Kultur wieder stattfinden! Zwar nicht wie üblich auf der Insel, wie das Foto zeigt, sondern auf der Wiese. Die Sessel im richtigen Abstand zueinander.Angelika Hager: „Dieser Abend erfüllt mich mit zittriger Freude!“ Uns, die Zuschauer auch.
Es wurde keine Lesung im herkömmlichen Sinn. Schon die Grundidee, zwischen den beiden Novellen Schnitzlers ein Art Crossover zu knüpfen, verblüffte, machte aber eines deutlich: Die Frau (Else) wählt den Selbstmord, weil sie sich gesellschaftlich dazu gezwungen sieht, der Mann (Leutnant Gustl) kommt noch einmal davon und feiert sein neu gewonnenes Leben mit Champagner. Die Rolle der Frau sah Schnitzler noch unter dem allgemeinen Diktat der Gesellschaft, die Unterordnung unter die Gegebenheiten verlangte.
Alma Hasun war eine ideale Besetzung für Else: Nervig überdreht bringt sie diesen fein gesponnenen inneren Monolog. Unsicher, abhängig von der Meinung der Gesellschaft, der sie sich als Tochter einer armen Familie, besonders eines Vaters, der Gelder veruntreut hat, unterlegen fühlt. Zugleich aber aufmüpfig, von einem selbstbestimmten Leben träumend, aber eben nur träumend. Die schockierende Forderung Dorsdays weist sie mit Empörung zurück. „Schuft“ schimpft sie ihn, ebenso ihren Vater, der sie in diese Lage brachte. Dazwischen agiert immer wieder Stolzmann als Leutnant Gustl, räsonniert über sein trauriges Schicksal, das ihn zum Selbstmord zwingt. Ein „Ehrentod“, den er aber so gar nicht akzeptieren will. Als er erfährt, das er sich gar nicht erschießen muss, stürzt er sich ins volle Leben, das heißt Champagner und Geliebte. In dieser Szene wird die Idee, beide Figuren einander gegenüber zu stellen, stimmig: Der Mann darf ins Leben gehen, die Frau in den Selbstmord – oder Scheinselbstmord. Die Rollen zwischen Mann und Frau sind damals so festgelegt. Heute?
Schade nur, dass die spannende Szene, in der Else sich im Speisesaal allen Gästen nackt zeigt, irgendwie vergeigt wurde. Man hatte den Eindruck, dass da ein wenig der Text durcheinander geraten ist. Hasun wurstelt eine Weile unter einem Mantel an ihrem Kleid, man fürchtet – manche vielleicht hoffen, sie wird nackt dastehen. (Man sah ja schon einige Aufführungen mit dieser berühmten Nacktszene, die nie peinlich wirkt, sondern sich logisch ergibt.) Jedenfalls scheint die Textur im allgemeinen „Todesgefühl“ aufgeweicht worden zu sein.
Ian Fishers Gesang zur Gitarre gab ein Rätsel auf: Was hatte die Musik mit Schnitzler zu tun? Aber das Publikum nahm sie wohlwollend auf.
Großer Applaus für alle drei Mitwirkenden.