Werner Schwab: Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos. Akademietheater.

Mit den Puppen von Nikolaus Habjan

Ein Sprachberserker wie Werner Schwab braucht einen Theaterberserker wie Nikolaus Habjan. Er schuf die grauslichsten Puppen für die grauslichen Bewohner des Zinshauses, vielleicht genau so, wie Werner Schwab – wenn er noch lebte – sie hätte haben wollte. Mit ihrem breiten Maul und ihren entsetzlich-hässlichen Gesichtern dürfen sie alle Schweinerein in das Publikum hinaustönen. Und nie wirkt es peinlich, übertrieben. Den Puppen nimmt man alle Gemeinheiten ab – vielleicht deshalb, weil sie Puppen sind. Würden Schauspieler diese abgründig-schweinischen Texte sprechen, wäre die Aufnahme im Publikum weniger gnädig. Einige würden sicher empört den Saal verlassen – wie etwa bei den „Präsidentinnen“, wo nur Schauspielerinnen agieren, geschehen. Puppen schaffen Distanz und in dieser Distanz ist ihnen alles erlaubt: Da beschimpft die bösartige Mutter ihren debilen Sohn, der wiederum träumt davon, ihr ein Messer ins Gehirn oder in die Vagina zu treiben. Ein Vater vergewaltigt genüsslich seine beiden Töchter, die Mutter schaut gelassen zu. Die ganze Familie säuft.

Die Puppen werden wie durch Zauberhand von Nikolaus Habjan, Manuela Linshalm, Sarah Viktoria Frick und Alexandra Henkel hochprofessionell bespielt und belebt.

Nestroy und Bernhard lassen grüßen

In einem aus Plastikhaut bestehendem Wohnhaus (Bühne:Jakob Brossmann – zum Geschehen perfekt hingebaut) agiert, schimpft, droht, flucht der Pöbel im Erdgeschoß – beobachtet und beherrscht von Frau Grollfeuer – grandios, ganz ohne Puppenmaske dargestellt von Parbara Petritsch. Sie ist die Hausbesitzerin und schaut vom ersten Stock auf das Treiben ihrer Mieter herab. (Nestroy lässt grüßen!). Dazu muss angemerkt werden, dass Werner Schwab mit dem Stück keine Sozialkritik intendierte: „Meine Aufgabe ist, die Dinge bei sich zu lassen, anzusehen, auszubauen, und nicht zu kritisieren“ (Nachzulesen im Programmheft, Auszug eines Interviews, das Joachim Lux 1992 mit dem Autor führte)

Im zweiten Teil lädt Frau Grollfeuer die ganze Mischpoche anlässlich ihres Geburtstages zu sich in den Oberstock ein. Alle schaufeln gierig, saufen, was das Zeug hält, bis sie tot umfallen, von Frau Grollfeuer genüsslich vergiftet. Danach hält sie in einem Bernhard ähnlichen Monolog (Chapeau für diese Meisterleistung!) Abrechnung mit ihrem Egoismus und Selbstverliebtheit. Beides hat sie in die Alterseinsamkeit getrieben. Keine Lösung außer vielleicht Selbstmord durch Zutodesaufen in Sicht. Nebel und ein Urknall lassen das Plastikhaus zusammenbrechen. Anzumerken wäre, dass die übertriebene Länge des Monologs sehr viel von der Wirkung nimmt. Kürzen wäre keine schlechte Idee!

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