Musicbanda Franui, Stefanie Dvorak und Sven-Eric Bechtolf
Schnitzlers Reigen, einst Skandalstück und Bürgerschreck, heute ein Stück, das landauf und landab, einmal mit, einmal ohne Szenenaufbau, mit oder ohne Musik, als klassiche Lesung, zum Publikumshit unter den Schnitzlerstücken avanzierte.Nun also war der Skandal, der keiner mehr ist, im Konzerthaus als „Lesung mit Musik“ oder eher „Musik mit Lesung“ gelandet.
Zwei ganz unterschiedliche Schauspielercharaktere taten sich zusammen:
Die quirlige, jeder schrägen Figur, von der Dirne über das süße Mädl bis zur dümmlichen Ehefrau,war Stefanie Dvorak meisterhaft gewachsen.. Vom tiefsten Dialekt bis zum gezierten Schönbrunnerdeutsch switchte sie problemlos. Blicke, Körpersprache changierten blitzschnell von Rolle zu Rolle. Als Dirne verschämt auf „wahre Liebe“ hoffend, als Dienstmädel verschreckt und enttäuscht, gleich darauf als Kammermädel, das vom gelangweilten Bubi des Hauses vergewaltigt wird, erniedrigt. In diesem „Akt“ erlebte man über die Rampe hinweg ein junge Frau, die sich schämt. Das Opfer fühlt sich schuldig! Weiß nicht, wie ihr geschieht! Stefanie Dvorak lieh dieser Figur mehr als nur einen literarischen Auftritt, sie gab ihr „Seele“. Als „Schauspielerin“ outrierte sie allerdings allzu sehr. Auf jeden Fall war sie es, die Schnitzlers Reigenfiguren gekonnt aus der Literatur ins Leben holte.
Den Mann als grapschendes, nach Beischlaf gierendes Wesen, das Hirn – oder meinetwegen auch die „Seele“ abgedreht hat – konnte Sven-Eric Bechtolf recht überzeugend hinüberbringen. Ein bisserl schwer tat er sich mit den Schlawinerfiguren, wie Soldat und Junger Herr. Als eitler Ehemann, der erkennen musste, dass seine Potenz nicht mehr jederzeit abrufbar ist, vergönnte man ihm diese Niederlage gerne. Im behäbigen, eitlen und alternden Dichter schrieb Schnitzler seine eigene Karikatur – eine exquisite, weil seltene Leistung in der Literatur der Selbstbespiegelung. Da war Bechtolf in seinem Element!
Weil das jetzt so Mode ist, wird fast jede zweite Lesung mit Musik eingerahmt, unterlegt. Manchmal übernimmt sie auch den Hauptpart, wie das an diesem Abend der Fall war. (Die „Musicbanda Franui“ ist in letzter Zeit in Wien omnipräsent: Sie geben den Takt an in „Holzfällen“ und begleiten gekonnt Nicholas Ofczarek durch die Wiener Schickeria. Sie spielen im Konzerthaus mit Nikolaus Habjan am Silvesterabend auf) Markus Kraler (Kontrabass, Akkordeon) und Andreas Schrett( Trompete und Leitung der Franui) stellten den musikalischen Rahmen für diesen Abend zusammen. Da wurde, je nach Szene John Cage, Eric Satie oder Mahler und Verdi zitiert, verfremdet. Wer diese Musiker schon öfter erlebt hat, meint, das alles so oder so ähnlich schon gehört zu haben. Witzig und neu: Den Beischlaf musikalisch ausagieren! Das hatte Witz. www.konzerthaus.at