Wiener Konzerthaus: Patricia Kompatchinskaja & Friends: „Dies irae“

Mit „Colloredo“ und „Company of Music“. Einstudierung: Johannes Hemetsberger. Michael Wendeberg: Klavier, Orgel, Cembalo. Patricia Kompatchinskaja: Violine, Idee, Künstlerische Leitung.

„Warum nur spielen, was wir wissen und verstehen. Besser nach vorne schauen und auf Neues stoßen“, schreibt Patricia Kompatchinskaya auf ihrer Homepage als Motto ihrer künstlerischen Tätigkeit. Das gilt auch für die Zuhörer und ganz besonders für die Rezeption der Aufführung“Dies irae“.Man konnte den Analysemotor abschalten und sich einfach auf das Geschehen einlasssen, das aufregend, spannend und total neu für einen Konzertabend war.

Noch hat das eigentliche Konzert nicht begonnen und doch ist man schon mitten drin. Blaues Licht im Saal, dumpfe Glockenschläge, Tritte von marschierenden Soldaten – man wird von Giacinto Scelsis „Okanogon“ (1968), als Tonaufnahme abgespielt, empfangen. Dann betritt Kompatchinskaja die Bühne, sie wirkt wie eine Teufelsgeigerin auf leerer Landstraße. Sie spielt so lange, bis alle aus der „Truppe“ sie einholen. Die Verzauberung durch die Teufelsgeigerin kann beginnen: Abwechselnd werden Kurzkompositionen von George Crumb (1929-2022) und Heinrich Ignaz Biber (1674 – 1704) gespielt. Die Musiker sitzen nicht festgenagelt auf ihrem Platz, sondern bewegen sich auf der Bühne tänzerisch-spielerisch. „Battalia“ (Schlacht) von Biber mischt sich mit Devil Music von Crumb, bei einer Jimmy Hendrixeinlage kreisen wilde Hornissengeigentöne durch den Saal. Zur“ Crucifixus – Improvisation“ von Antonio Lotti ( 1667-1740) tragen Musiker einen offenen Holzsarg durch die Saalmitte, der später als Echokammer für Hammerschläge dient. Kopatchinskaja stellt in diesem Konzert die Hauptfrage, die alle angeht: Wie viel Zeit haben wir noch, bevor die Natur sich rächt und alle Leben auf der Erde vernichtet sein wird?“ Eine Frage, die schon in dem Gregorianischen Hymnus „Dies irae“ gestellt wurde und von Galina Ustwolskaja (1919-2006) neu vertont wurde. Aufwühlend, atemberaubend endet dieser Abend mit dem Einzug der Trompeter von Jericho, die einst die Stadt zu Fall brachten.

Begeisterter und langer Applaus für die alle Musiker und Musikerinnen, ganz besonders für Patricia Kompatchinskaja.

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