Wolfram Eilenberger: Feuer der Freiheit. Klett-Cotta Verlag

Untertitel: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten 1933-1943

In dem 2018 erschienen Buch „Zeit der Zauberer“ beschreibt Eilenberger die Entwicklung der Philosophie Heideggers, Cassirers, Benjamins und Wittgensteins und ihre Denkwege in der Zeit von 1919-1929. Nun also im Zeitalter der Gleichberechtigung von Mann und Frau widmet er sich vier Frauen, die auf unterschiedliche Weise die Zeit des Nationalsozialismus und des Totalitarismus gedanklich und durch reale Lebensentwürfe bewältigt haben oder bewältigen wollten.

Es sind teils bekannte, teils der Allgemeinheit unbekannte Namen: Simone de Beauvoir, Simone Weil, Hannah Arendt und Ayn Rand. Sie lebten in einer Zeit, die der Gegenwart nicht unähnlich ist: Das wirtschaftliche Überleben ist für viele aus der Mittel- und Unterschicht mehr als fraglich, das geistige Leben wird von der Politik abgewürgt oder in eine ihr genehme Richtung gelenkt.

In Zeiten der Not und des von Krieg und Verfolgung bedrohten Lebens entwickelten jede der vier Frauen eine eigene Denk- und Lebensstrategie: Ayn Rands Eltern wurden während der Russischen Revolution enteignet, sie selbst floh nach Amerika und wurde zu einer der erfolgreichsten Schriftstellerinnen ihrer Zeit. In ihren von Nietzsches Gedankengut beeinflussten Romanen und Theaterstücken dreht sich alles um die individuelle Freiheit, die mit allen Mitteln gegen Zugriffe des Staates verteidigt werden müsse. Dies geschehe am besten durch radikalen Individualismus.

Das Leben Simone Weils ist ihr geistiges Skriptum. Was sie gedanklich fordert, das lebt sie in radikaler, zur Selbstaufgabe hin neigender Art und Weise: Als Tochter gut bürgerlicher Eltern widerstrebt ihr alles, was mit Besitz zu tun hat. Ihre zerbrechliche Gesundheit setzt sie immer und überall aufs Spiel, sie brennt für die soziale Aufgabe, gründet ein privates Flüchtllingshilfswerk, arbeitet in einer Fabrik, um die Probleme der Arbeiter nachvollziehen zu können. Ihre Zerbrechlichkeit ignorierend schreibt, lehrt und arbeitet sie unermüdlich. Ihre ärgste Sorge lässt sie hellsichtig vor einem totalen Überwachungsstaat warnen. Sie stirbt 1943 in einem Sanatorium in Endgland an Herzversagen, Tuberkulose, Hungerödemen und in geistiger Verwirrung.

Religion trägt für Simone de Beauvoir die Hauptschuld für die menschlichen Verfehlungen. Frei von der gängigen Moral gehen sie und Sartre immer wieder neue Liebesbeziehungen ein, bleiben aber als Freunde bis zum Schluss miteinander verbunden. Simone de Beauvoirs Buch „Das andere Geschlecht“ wird zum Kultbuch der Frauenbewegung.

Hannah Arendt flieht vor den Nationalsozialisten nach Paris und später in die USA, wo sie Forschungen über Entstehung und Gefahren des Totalitarismus betreibt. Mit ihrem Werk „Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft“ erlangt sie Weltruhm. Das Buch gilt bis heute als wichtigste Grundlage der Totalitarismusforschung.

Vier Frauen, vier verschiedene Biografien. Eilenberger zeigt auf, wie die verschiedenen Lebenswege die Enststehuung des philosophischen Gedankengutes beeinflussten. Entgegen einer in der wissenschaftlichen Diskussion weit verbreiteten Meinung, dass Kunst-Werke per se und nicht aus der Biografie des Künstlers gedeutet werden dürfen, besteht Eilenberger auf der These, dass die Lebensumstände es sind, die ein Werk unterschwellig oder ganz offen beeinflussen, ja erst entstehen lassen. Als Leser kann man dieser These durchaus folgen.

Deshalb ist dieses Buch eine Mischung aus Biografie und Interpreation philosophischer Texte. Obwohl scheinbar mit leichter Hand geschrieben, steht doch einiges dem flüssigen Lesen und Verstehen im WEge: Der Autor springt recht rasch von einer Figur zur anderen, ohne den Übergang deutlich zu machen. So fragt man sich recht oft, von welcher „sie“ denn gerade die Rede sei. Das Prinzip des geichzeitigen Beschreibens der vier Frauen in einem abgesteckten Zeitrahmen verhindert ein genaueres Eingehen auf die Einzelperson. Über jede dieser vier Frauen wäre es interessant, eine ausführliche Biografie zu lesen, in der detaillierter auf die Zusammenhänge von Leben und Werk eingegangen wird. Denn jede einzelnes Leben dieser Frauen böte ausreichend Stoff für eine eigene Biografie.

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